Zusammen für Versöhnung

Désiré Ntirushwamboko/CDJP

In Ruanda organisieren sich zahlreiche Freiwillige in Gemeindekomitees, um Mitmenschen beim Umgang mit gewaltvollen Erfahrungen oder bei ihrer sozialen Reintegration zu unterstützen.

Gemeinsam mit den Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden der Diözesen Cyangugu und Butare begleitet ZFD-Fachkraft Ruth Ndashimye dieses vielseitige Engagement der Freiwilligen. Nachfolgend spricht sie über ihre Erfahrungen und Eindrücke.

An vielen Orten in Ruanda, wie beispielsweise in Murambi (s. Foto), stehen Gedenkstätten, die an den Genozid an der Tutsi-Minderheit 1994 erinnern. Die Folgen des Geschehenen wirken bis heute in die ruandische Gesellschaft hinein – in Form von Traumata, zerrütteten Familienverhältnissen oder sozialen Konflikten. Sie zeigen sich aber auch in gesellschaftlichem Engagement zur Aufarbeitung und zur Versöhnung von Überlebenden und Täter*innen. Die beiden Commissions Diocésaines Justice & Paix (CDJP), für die ich tätig bin, unterstützen diese Arbeit, indem sie Aktivitäten fachlich begleiten, Wissen vermitteln, für Werte des Friedens und der Gerechtigkeit eintreten und den Zusammenhalt der Menschen fördern.

Ich wohne mit meinem Mann in Huye, dem ehemaligen Butare, im Süden des Landes, und in Rusizi, das früher Cyangugu hieß, an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo im Westen. Dort befinden sich die Büros der beiden CDJPs, für die ich arbeite. Die Hauptaufgabe meiner Kolleg*innen und mir ist es, gemeindebasierte Friedens- und Gerechtigkeitskomitees bei ihren Aktivitäten zu begleiten. Deren Mitglieder sind hauptsächlich Freiwillige aus Dorfgemeinschaften. Sie setzen sich ein für Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt, stärken marginalisierte Gruppen, bieten psychosoziale Begleitung an oder fördern die Reintegration ehemaliger Inhaftierter. Wir unterstützen sie dabei, indem wir ihnen zum Beispiel Wissen oder Material an die Hand geben, damit sie ihre Arbeit gut machen können.

Gleichzeitig engagieren wir uns für die psychische Gesundheit der Menschen vor Ort. Vor Kurzem haben wir in beiden Organisationen einen sehr wichtigen Prozess gestartet. Es ist eine Workshop-Reihe für Priester, die als Seelsorger und Ansprechpartner ihrer Gemeindemitglieder viele schwere Schicksale begleitet haben. Ihr Engagement ist elementar für den Versöhnungsprozess des Landes, kann aber sehr belastend sein. Bisher gab es kaum Möglichkeiten für die Priester, ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen zu reflektieren und so auch selbst zu verarbeiten. Die Workshops sollen hierfür Raum geben.

 

Die Gedenkstätte Murambi ist eine von vielen Gedenkstätten in Ruanda, die an den Genozid an der Tutsi-Minderheit 1994 erinnert. Die Folgen dieses Genozids sind bis heute in der ruandischen Gesellschaft spürbar.
Ruth Ndashimye und ihr Mann wohnen in Huye, das ist im Süden Ruandas, und in Rusizi an der Grenze zur DR Kongo.
Ruth Ndashimye erholt sich beim Kajakfahren auf dem See in Rusizi. Die schöne Landschaft Ruandas lädt dazu ein, draußen aktiv zu sein. Aufgrund der guten Sicherheitslage ist Radfahren und Outdoor-Sport gut möglich.
Priester, die als Seelsorger ihre Gemeindemitglieder begleitet haben, können jetzt in Workshops ihre eigenen belastenden Erfahrungen reflektieren. Ihr Engagement ist für den Versöhnungsprozess des Landes sehr wichtig.
Auch die Arbeitskontexte sind von Gewalt und Traumatisierungen geprägt. Ruth Ndashimye organisiert Workshops für die Kolleg*innen zu Teambuilding, Aktivem Zuhören oder Innerer Heilung, um Vertrauen und Resilienz zu fördern.

Als ZFD-Fachkraft schaue ich auch auf interne Prozesse und die Bedarfe meiner Kolleg*innen bei den beiden Kommissionen. Denn auch sie arbeiten in Kontexten, die von Gewalt und Traumatisierungen geprägt sind. Gegenseitiges Vertrauen im Team und die eigene Resilienz sind daher sehr wichtig. Deshalb organisiere ich Workshops zu Teambuilding, zu Aktivem Zuhören oder zu Innerer Heilung, an denen wir gemeinsam teilnehmen. Manchmal stehen aber auch ganz praktische Fragen zu organisatorischen Abläufen oder Verwaltungsaufgaben im Vordergrund.

Die Landschaft Ruandas ist unglaublich schön. In meiner Freizeit genieße ich es, draußen aktiv zu sein und mein Umfeld zu entdecken. Da ich beruflich viel Kopfarbeit leiste, bringt mir physische Bewegung einen wertvollen Ausgleich. In Rusizi wohne ich direkt am See, wo ich gerne Kajak fahre. Die grünen Wälder rund um Huye bieten tolle Möglichkeiten für Fahrradtouren. Wegen der relativ stabilen Sicherheitslage in Ruanda kann ich mich frei bewegen. Das schätze ich sehr.

Seit einem Jahr lebe ich nun schon in Ruanda und fühle mich sehr wohl. Vorher habe ich "Human Development" mit Fokus auf Interkulturalität studiert und anschliessend in Duisburg bei einer Kinderrechtsorganisation gearbeitet. Was mich an den Menschen hier beeindruckt, ist ihr Humor und ihre Zugewandtheit. Diese Eigenschaften prägen auch die Zusammenarbeit mit meinen Kolleg*innen bei den beiden CDJPs. Ich lerne viel von ihnen und bin froh, dass ich sie bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützen kann.

30.08.2022

Text: Ruth Ndashimye

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 2/2022. Zum Download der Gesamtausgabe.