Zeichen der Hoffnung für die Demokratiebewegung der Welt

AGIAMONDO-Geschäftsführerin Dr. Claudia Lücking-Michel und Wolfgang Altenrath, Geschäftsführer der Pax-Bank in Köln

AGIAMONDO verleiht Engagementpreis 2022 an interreligiöse Initiative für friedliche Wahlen in Kenia.

 

Ein Fest sollte es werden, kein "Festakt" – das wünsche sie sich für die Preisverleihung des Engagementpreises 2022, sagte AGIAMONDO-Geschäftsführerin Dr. Claudia Lücking-Michel zur Begrüßung. Es wurde ein Treffen von Menschen, die in unterschiedlichen Rollen mit AGIAMONDO verbunden sind und waren. An diesem Tag kamen sie sowohl in "Präsenz" in den Saal der Karl-Rahner-Akademie in Köln als auch "virtuell" als zugeschaltete Zuschauer*innen an Bildschirmen in aller Welt zusammen. Man traf sich, um die Vorstellung der drei chancenreichsten Nominierten zu verfolgen und mit dabei zu sein, wenn der Gewinner offiziell verkündet würde.

Entstanden war die Idee zum AGIAMONDO-Engagementpreis im Jubiläumsjahr 2019, erinnerte Claudia Lücking-Michel. So viele starke Menschen und Initiativen, "die sich für Menschenwürde, Gerechtigkeit und Frieden engagierten", habe man in den 60 Jahren des Bestehens der damaligen AGEH (Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe) und später AGIAMONDO erlebt. Da lag es nah, herausragende internationale Initiativen durch eine besondere Würdigung bekannter zu machen. Nach 2019 und 2021 wurde der Engagementpreis in diesem Jahr zum dritten Mal verliehen.

Schwere Entscheidung für die Jury

Auch in diesem Jahr trafen wieder viele Vorschläge ein, die die Jury, diesmal bestehend aus Birgit Mock, Mitglied des AGIAMONDO-Vorstands und Geschäftsführerin des Hildegardis-Vereins, Christel Wasiek, Gründerin der Stiftung Seniorenhilfe weltweit, Wolfgang Altenrath, Geschäftsführer der Pax-Bank in Köln und Dr. Barbara Hendricks, Bundesumweltministerin a. D., begutachtete. Über eines war sich die Jury mit Blick auf eingereichten Projekte schnell einig: Diesmal würde es für sie besonders schwer werden, zu entscheiden, wer gewinnt. Das gaben alle drei Laudator*innen zu Protokoll, als sie die Projekte auf der Short-List vorstellten.

Blick in den Festsaal
Wolfgang Altenrath, Geschäftsführer der Pax-Bank in Köln
Per Beamer bei der Verleihung des Preises dabei: Die "Faith for Safe Elections Initiative" des Coast Interfaith Council of Clerics Trust (CICC) ist die Gewinnerin des AGIAMONDO-Engagementpreises 2022.
Diakon Ralf Knoblauch ist der Schöpfer der Königsskulptur.
AGIAMONDO-Geschäftsführerin Dr. Claudia Lücking-Michel

"Land Desk" empowert gegen Landraub in Uganda

In die Runde der letzten Drei war der "Land Desk" gekommen, eine Abteilung der Diözese Moroto in Uganda. Die Beratungsstelle stemmt sich gegen das drängende Problem des Landraubs von wirtschaftlichen Investoren, lokalen Eliten und der Regierung an der indigenen Bevölkerung, die meist keinen formaljuristischen Nachweis über den Besitz des Gemeindelandes erbringen kann. "Der Land Desk der katholischen Diözese Moroto hat einen sehr innovativen und nachhaltigen Weg entwickelt, um die Hirtengemeinschaften der Karamojong, Pokot und Tepeth in der Subregion Süd-Karamoja bei der juristischen Absicherung ihrer Landrechte zu unterstützen", erklärte Laudator Wolfgang Altenrath.

Das Team des Land Desks unterstützt seit vier Jahren die Hirtenvölker dabei, mit möglichst partizipativen Methoden eigene eingetragene Landgemeinschaften (Communal Land Associations, CLA) zu gründen und begleitet sie bei der Landdokumentation und dem Erwerb eines Zertifikats für den Gewohnheitsbesitz. Ganz besonders empowert das Team dabei Frauen. Mit Erfolg: Inzwischen konnte der Land Desk die Landbesitzrechte von 1.500 Hirtenfamilien dauerhaft sichern. "Das ist viel!", analysierte AGIAMONDO-Fachkraft Irmgard Kurte, die das Projekt mit ihrem Team des Land Desk live per Videokonferenz vorstellte. "Und wir sind sehr stolz darauf, es erreicht zu haben", ergänzte sie im aufbrandenden Applaus der Gäste in Köln. Die Jury sei von dem Konzept, über die Sicherung von Rechtstiteln die Lage der Menschen zu verbessern und sie bei ihrem Kampf um Landrechte wirksam zu empowern, schnell überzeugt gewesen, berichtete Wolfgang Altenrath.

Boxer stärkt Jugendliche aus sozialem Brennpunkt in Kolumbien

Ebenfalls ein aussichtsreicher Kandidat war die Stiftung "No me rendiré" (Ich werde mich nicht aufgeben) des ehemaligen Boxers Jhon Jairo Mina aus Cali in Kolumbien. AGIAMONDO-Fachkraft Claudia Witgens hatte sie für den Ehrenamtspreis vorgeschlagen und stellte sie per Video vor. Jhon Jairo Mina will mit Sportangeboten Kinder und Jugendliche in einem der schwierigsten sozialen Brennpunkte der Stadt Cali zusammenbringen und stärken.

Der Stifter selbst kam vor acht Jahren als Binnenflüchtling in das von Kriminalität, Gewalt und Armut geprägte Viertel Llano Verde. Über 95 Prozent der Menschen sind aus kulturell sehr verschiedenen Regionen Kolumbiens dorthin geflohen, leben unter prekären Bedingungen und leiden unter den unsichtbaren Grenzen, die das friedliche Zusammenleben erschweren. Laudatorin Christel Wasiek berichtete von den bedrückenden Impressionen einer Reise, die sie selbst einmal nach Cali gemacht hatte. Sie frage sich häufig, warum es manche Menschen aus der Armut herausschafften, andere dagegen nicht. Jhon Jairo Mina gehöre jedenfalls zu denen, die die Kraft hatten, aus den schwierigen Verhältnissen herauszukommen. Jetzt setze er sich dafür ein, dass es andere junge Menschen auch schafften, ihren Weg zu gehen.

Mina und seine Teamkolleg*innen trainieren an fünf Abenden in der Woche ehrenamtlich rund 150 Kinder und Jugendliche in einem Park des Viertels in Boxkampf und traditionellem Tanz. So können die Teilnehmenden aufgestaute Aggressionen und Frust in produktive Bahnen umlenken. Sie machen die jungen Menschen dabei auch mit Ritualen eines respektvollen Umgangs und religiösen Werten bekannt, damit sie lernen, in Dialog zu treten und Konflikte auf der Straße verbal statt mit Gewalt zu lösen. Inzwischen hat das Projekt, neben den sozialen auch sportliche Erfolge zu verzeichnen: Zwei Mädchen sind nationale Meisterinnen geworden, ein Jugendlicher, den der Stifter von der Straße in das Training geholt hatte, arbeitet jetzt als Profiboxer in Italien, berichtete AGIAMONDO-Fachkraft Claudia Witgens.  

Christel Wasiek, Gründerin der Stiftung Seniorenhilfe weltweit, ist eine der Jurorinnen.
Birgit Mock, Dr. Claudia Lücking-Michel, Christel Wasiek und Wolfgang Altenrath (von links)
Nach der Preisverleihung hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, sich auszutauschen.
Spanische und südamerikanische Lieder der Gruppe La Diva Caprichosa bereicherten die Veranstaltung.
Birgit Mock, Mitglied des AGIAMONDO-Vorstands und Geschäftsführerin des Hildegardis-Vereins, gibt die Gewinnerin bekannt. Die Nominierten sind im Hintergrund per Video zugeschaltet.

Beeindruckende interreligiöse Zusammenarbeit für friedliche Wahlen in Kenia

Trotz dieser starken Konkurrenz machte letztendlich ein Projekt aus Kenias Küstenregion das Rennen, wie Birgit Mock nach ein paar Minuten höchster Spannung verkündete. Gewinnerin 2022 ist die "Faith for Safe Elections Initiative" des Coast Interfaith Council of Clerics Trust (CICC). Die Initiative setzte sich bei der jüngsten Parlamentswahl im Land sehr wirksam dafür ein, dass der Wahlverlauf weitgehend friedlich blieb – unter anderem dadurch, dass lokale religiöse Autoritäten aus unterschiedlichen Religionen als ausgebildete offizielle Wahlbeobachter tätig waren.

"Wahlen waren in der Küstenregion Kenias immer begleitet von Gewalt und Ausschreitungen, welche durch die ethnischen und religiösen Spannungen und durch Unverständnis füreinander angeheizt wurden", erläuterte Laudatorin Birgit Mock. Doch 2022 gelang es, in Kenia größtenteils friedliche, freie und demokratische Wahlen ohne flächendeckende Unruhen durchzuführen. "Ohne den Einsatz des CICC mit ihrer Initiative Faith for Safe Elections wäre das sicherlich nicht möglich gewesen", betonte Mock. "Die langjährige Strategie der Initiative, die auf eine Kombination von Prävention, Früherkennung und Bildung setzt und hierzu auch die digitale Vernetzung der Religionsvertreter*innen nutzt, ist aufgegangen." Leider gebe es zahlreiche andere Fälle, bei denen Religionen Konflikte eher anheizen, anstatt sie zu befrieden. "Der CICC ist dagegen ein Beispiel dafür, dass Religionen vor allem auch die Kraft haben, echten Frieden und Versöhnung untereinander zu stiften", so Mock.

Die Anerkennung der Jury verdiene der Coast Interfaith Council of Clerics Trust vor allem deshalb, weil es ihm gelinge, eine breite Koalition von unterschiedlichen Führungspersönlichkeiten monotheistischer, polytheistischer und indigener Religionen zu schmieden, die "dabei die gemeinsamen Werte, die sie teilen in den Vordergrund stellen, anstatt die Unterschiede zu betonen und für gesellschaftliche Spaltung zu sorgen". Wegweisend sei der CICC auch, weil er weibliche Religionsvertreter*innen ausdrücklich einbeziehe und so für die Gleichstellung von Frauen sorge. "Herausragend" fand die Jury, dass es sich um eine breite Initiative handelt. Denn sie beziehe, so Mock, auch die unteren lokalen Ebenen der Religionsgemeinschaften und deren lokale Anführer*innen ein. So sei eine Tiefenwirksamkeit möglich. "Sie haben durch ihre Beharrlichkeit geschafft, ein Zeichen der Hoffnung zu setzen für die Demokratiebewegung in der Welt. Dies ist ein Beispiel für gelungenen interreligiösen Dialog sowie ein Vorbild für die religiöse Friedensbewegung.", fasste die AGIAMONDO-Vorständin zusammen.

Königsfigur auf dem Weg nach Mombasa

Neben dem von der Pax-Bank gestifteten Preisgeld von 2.500 Euro gehört zum Preis traditionell auch eine hölzerne Königsfigur, die Diakon Ralf Knoblauch erneut eigens für diesen Anlass schnitzte. Er versteht sie als Symbol der unantastbaren Würde, die jeder Mensch hat. "Als König*innen tragen wir alle Verantwortung für uns selbst und für andere", sagte der Künstler. Daran solle die Figur erinnern. Bald auch in Mombasa.

18.11.2022

Text: Carmen Molitor