Nachhaltigkeit ist mehr als Ökologie

Claudia Witgens und Mardoqueo Quvedo López von der Land- und Präventionsdiakonie übergeben Hygieneartikel an einen Mitarbeiter des Altenheims Cottolengo im Kreis Jamundi (von links).

Nachhaltigkeit ist in der Erzdiözese Cali/Kolumbien ein großes Thema. Neben ökologischen Aspekten gehören auch Selbstfürsorge und Spiritualität dazu. Die Erzdiözese möchte die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern, indem die Menschen selbst aktiv werden. Als AGIAMONDO-Fachkraft für sozial-ökologische nachhaltige Entwicklungsprojekte arbeitet Claudia Witgens, gelernte Fachwirtin im Sozial- und Gesundheitswesen, seit 2019 bei der Erzdiözese mit.

In welchem Bereich der Erzdiözese arbeiten Sie?

Claudia Witgens: In der Sozialpastoral der Erzdiözese Cali leite ich das Team "Land- und Präventionspastoral", übernehme Teamkoordination, Vernetzung und Kontaktpflege. Wir unterstützen 15 Pfarreien im städtischen Umfeld bei der Katechese, z. B.  beim Kommunionunterricht. Dort sprechen wir mit Kindern und Jugendlichen über Nachhaltigkeit im Alltag und führen mit ihnen u. a. Baumpflanzungen, Aktionen zur Mülltrennung und die Verschönerung von Parks durch.

Warum ist Nachhaltigkeit für Ihre Partnerorganisation wichtig?

C. W.: Die Erzdiözese Cali nimmt die Verantwortung für das "Gemeinsame Haus" im Sinne der Enzyklika Laudato si' von Papst Franziskus sehr ernst. Sie gründete deshalb die Land- und Präventionsdiakonie als Teil der Sozialpastoral. Zudem ist der Klimawandel in Cali stark spürbar. Immer wieder führt Starkregen zu Überschwemmungen, der komplette Hänge mit Häusern und Menschen wegspült. Wir können Nachhaltigkeitsthemen gut voranbringen, weil die katholische Kirche in allen Bevölkerungsschichten präsent ist. Hier unterstützt auch die Kolumbienpartnerschaft des Bistums Aachen mit der Erzdiözese Cali hinzu, die auch durch die Enzyklika Laudatio si' geprägt ist.

Der Klimawandel führt zu schweren Regenfällen, die Erdrutsche und Überschwemmungen verursachen. Auch die Gemeinde Siloé, die das Team der Sozialpastoral besucht, ist davon betroffen.
Zwei Vertreterinnen der Pfarrei San Matías Apostol, Claudia Witgens, Pablo Castaño und Mayra Ibarbo (von links) von der Land- und Präventionsdiakonie sichten die Schäden nach schweren Regenfällen und Erdrutschen Gemeinde.
Claudia Witgens ist gelernte Fachwirtin im Sozial- und Gesundheitswesen. Als Fachkraft für sozial-ökologische nachhaltige Entwicklungsprojekte unterstützt sie die Erzdiözese Cali seit 2019.
Padre José Eugenio Hoyos, Leiter der Sozialpastoral der Erzdiözese Cali
In der Pfarrei Santos Esposos de Belén überreichen Claudia Witgens und ein Vertreter der staatlichen Umweltbehörde Bescheinigungen an die Teilnehmer*innen der Fortbildung zur Pflege von Gemeinschaftsgärten.
Fernando Leudo arbeitet im Bereich Öffentlichkeitsarbeit in der Sozialpastoral. Er unterstützt das Team in diesem Bereich unter anderem als Fotograf und gestaltet Publikationen.

Wie wurde entschieden, wie das große Thema Nachhaltigkeit mit Leben gefüllt wird?

C. W.: Ursprünglich wollten wir mit Gemeindemitgliedern sprechen, was durch die Corona-Pandemie unmöglich wurde. Und so tauschten wir uns mit den Pfarrern aus, die die Bedürfnisse ihrer Gemeindemitglieder gut kennen. Die Anliegen der Gemeinden finden sich in den drei großen Themen der Enzyklika wieder: Selbstfürsorge (Autocuidado), Religiosität (Espiritual) und Umweltschutz (Ambiental). Bei Selbstfürsorge geht es darum, sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern bzw. darum, Überlastung zu vermeiden. Nur so entsteht die Kraft, sich anderen zu widmen. In Kursen für Kinder und Jugendliche bedeutet Selbstfürsorge auch die Prävention vor sexualisierter Gewalt (mehr Infos: Bundesministerium Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Viele Pfarrer erwähnten die hohe Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die häufig mit Einverständnis der Eltern oder der Mutter – oft sind es Alleinerziehende – Missbrauchsopfer werden. Auslöser ist meist eine finanzielle Notsituation, wenn z. B. das Geld für die Grundversorgung nicht reicht. Wenn dann der neue Freund der Mutter die Lebensmittel finanziert, kann es vorkommen, dass sie wegsieht, wenn ihr Freund Tochter oder Sohn sexualisierte Gewalt zufügt.

 

Claudia hat Führungsqualitäten und man spürt ihre Leidenschaft für das, was sie tut. Außerdem verfügt sie über ein Gespür für die Bedürfnisse der Menschen, mit denen sie in Kontakt ist.

Padre Juan Pablo Castaño Cárdenas, Priester und ehemaliger Seminarist im Team der Sozialpastoral

Wie unterstützen Sie die Kinder darin "Nein" zu sagen und zu erkennen, wo Missbrauch beginnt?

C. W.: Anhand eines Posters, das einen Mädchen- und einen Jungenkörper abbildet, nennen die Kinder die korrekten Namen der verschiedenen Körperteile. Wir besprechen mit ihnen, welche Körperteile nur sie selbst berühren dürfen. Mittels eines Videos mit Handpuppen ermuntern wir die Kinder, eine Vertrauensperson anzusprechen, wenn ihnen etwas Verunsicherndes widerfährt. Sie sollen eine Basis haben, um eine Situation einzuschätzen, damit umzugehen und sich zu trauen, darüber zu sprechen.  

Was machen Sie zu den Themen Spiritualität und Umweltschutz?

C. W.: Im religiösen Bereich sensibilisieren wir die Kinder und Jugendlichen für den Schutz unseres "Gemeinsamen Hauses" und bestärken sie, sich für das von Gott geschaffene "Gemeinsame Haus" verantwortlich zu fühlen und dies täglich zu leben. Im Umweltbereich praktizieren wir – neben Gesprächen – Aktionen zu Wiederaufforstung, üben Mülltrennung im Hinblick auf Recycling oder legen Gemeinschaftsgärten an.

Cristián Rebellón (links) von der Land- und Präventionsdiakonie wird von Kindern eines Stadtviertels umringt. Er besuchte das Viertel in Cali anlässlich des Wettbewerbes "Ökologische Krippen".
Jugendliche der Pfarrei San Ambrosio de Milán beteiligten sich an der Verschönerung des Parks. Mayra Ibarbo/Land- und Präventionsdiakonie und eine Vertreterin der staatlichen Umweltbehörde (erste Reihe, von links) begleiteten sie dabei.
Im Rahmen der Aktionswoche "Laudato si" überreichen Claudia Witgens und ihr Kollege Mardoqueo Quevedo (rechts) den Juristen der Sozialpastoral eine Pflanze als Symbol für ihr Büro.
Mitglieder der Pfarrei San Ambrosio de Milán und Anwohner des Stadtviertels Vallado in Santiago de Cai befreien einen Park von Müll und Unkraut und setzen neue Pflanzen.
Eindruck vom "Ökologischen Krippenwettbewerb" der Diözese. Für den Bau der Krippe sollte nur recyceltes Material verwendet werden.
Mardoqueo Quevedo López und Francia García während eines Besuches des Altenheimes Cottolengo in Jamundi. Mit dabei ist die Beschäftigungstherapeutin Jessica Paz (von links).

Lässt sich eine Wirkung Ihrer Mitarbeit in der Sozialpastoral, beispielsweise bei den Kursen, feststellen?

C. W.: Unsere Nachhaltigkeitsseminarekurse für Kolleg*innen aus der Sozialpastoral und der Erzdiözese sind stark nachgefragt. In den Pfarreien nehmen mehr Kinder und Jugendliche am Erstkommunions- oder Firmungsunterricht teil. Und Kinder und Erwachsene kooperieren stärker. Letztere begleiten die Kinder zum Kommunionunterricht und hören währenddessen oder hinterher von Umweltthemen. Die Kinder wiederum achten in den Familien streng auf Mülltrennung. So verstetigt sich Nachhaltigkeit im Alltag. In vielen Seminaren sind bis zu 160 teilnehmende Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Eine echte Herausforderung, die wir als Team gut lösen können.

Was hat sich bei den Menschen vor Ort und bei Ihren Kolleg*innen konkret verändert?

C. W.: In den Büros der Sozialpastoral wird auf Recycling und Stromverbrauch geachtet. Die Mülltrennung hat sich in den Gebäuden der Sozialpastoral und dem Verwaltungsgebäude der Erzdiözese – auch durch Plakate mit Anleitungen von uns – verbessert. Viele Pfarreien wünschen sich eine Baumpflanzaktion oder das Anlegen eines Gemeinschaftsgartens mit unserer Hilfe.

 

Unsere Gemeinde ist nun sehr aktiv: Jura-Studenten unterstützen Familien beim Recht auf Trinkwasser. Trauernde und Jugendliche werden begleitet. Gemeinschaftsgärten fördern Verantwortung. Das Team "Land- und Präventionspastoral" fördert dies stark.

Padre Jorge Humberto Zapata, Pfarre Santos Esposos de Belén

Welche Nachhaltigkeitsziele hat die Erzdiözese erreicht?

C. W.: Vollständig erreicht haben wir keines der sogenannten Sustainable Development Goals (SDG) der 2030-Agenda der Vereinten Nationen (UN). Aber wir arbeiten permanent zu den Themen Gesundheit und Wohlergehen, Sauberes Wasser, Kein Hunger und Keine Armut sowie zu Maßnahmen zum Klimaschutz – allesamt Teil der insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele, für die sich auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung engagiert.

14.10.2022

Text: Ursula Radermacher