Sichere Wahlen, friedliche Gesellschaft: Gewinner des AGIAMONDO-Engagementpreises kommt aus Kenia

In Kisauni geben religiöse Führer*innen öffentlich ein gemeinsames Friedensgelöbnis ab.

Der AGIAMONDO-Engagementpreis geht in diesem Jahr an den Coast Interfaith Council of Clerics Trust in Kenia. Dies gab die Jury heute bei der Preisverleihung in Köln bekannt.

 

Ein wichtiges Entscheidungskriterium sei gewesen, dass der Coast Interfaith Council of Clerics Trust (CICC) sich mit der Initiative "Faith for Safe Election" gemeinsam mit Geistlichen und Führungspersonen unterschiedlicher Glaubensrichtungen dafür eingesetzt hatte, dass die diesjährigen Parlamentswahlen in Kenias Küstenregion friedlich und fair gestaltet wurden.

Gegründet wurde der CICC Trust 2001 aus der Erfahrung heraus, dass Geistliche und religiöse Führungspersonen in Kenia besonders geeignet dafür sind, politische und gesellschaftliche Konflikte zu befrieden. Das hatte sich in der Küstenregion in den 90er Jahren während gewalttätiger politischer Ausschreitungen gezeigt: Die Menschen suchten vor allem in Kirchen und Moscheen Schutz. Sie misstrauten Politik und Verwaltung, brachten aber ihren lokalen religiösen Führer*innen großes Vertrauen als neutrale Vermittler*innen entgegen. Diese schlossen sich zusammen und erreichten bald eine Beruhigung der Situation.

In einem Dialogforum für junge Frauen und Mädchen hören sich Sheikh Mwinyi Ali (vorn) und weitere Geistliche die Beschwerden der Jugendlichen, die Motorradtaxi fahren, an.
Eine Gemeindeversammlung, die religiöse Führer*innen der CICC organisierten, um die Bevölkerung für die Bedeutung des Friedens rund um die Wahlen zu sensibilisieren.
Ein interreligiöser Gebetstag in Likoni für Frieden und Stabilität während der Wahlperiode. Der Tag wurde ebenfalls vom CICC Trust organisiert.

Seitdem hat es sich der Coast Interfaith Council of Clerics Trust mit Hauptsitz in Mombasa zur Aufgabe gemacht, die Vernetzung von lokal einflussreichen Geistlichen und religiösen Führungspersonen unterschiedlicher Glaubensrichtungen zu fördern, um Konflikten innerhalb der Gesellschaft vorzubeugen oder sie zu bearbeiten. Die Organisation ist in allen Bezirken der Küste, Garissa und Nairobi, vertreten. Eine Hauptaufgabe sieht die interreligiöse Organisation darin, die Vertrauenspersonen intensiv zu schulen und für ihre vermittelnde Rolle in politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu sensibilisieren.

Die Mitglieder des CICC Trust stammen aus islamischen, christlichen, hinduistischen und traditionellen afrikanischen Glaubensgemeinschaften. Ihr Vorstand setzt sich aus hochrangigen Geistlichen und religiösen Führungspersonen zusammen. Die Organisation engagiert sich für Bürgerbeteiligung und bürgernahe Regierungsführung, Ernährungssicherheit, friedliche Koexistenz und harmonisches Zusammenleben. Darüber hinaus ist sie im Kinderschutz, bei der Prävention und Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und mit friedensfördernden Programmen tätig. Der CICC hat Bezirks-, Wahlkreis- und Gemeindeausschüsse, die sich jeweils aus sechs religiösen Führungspersonen der Mitgliedsorganisationen zusammensetzen. Diese Ausschüsse bereiten die CICC-Projekte maßgeblich vor und setzen sie um.

Eines der erfolgreichsten Projekte war die "Faith for Safe Election Initiative" anlässlich der Parlamentswahlen im August 2022. Nach den Wahlen 2017, die extreme Gewalt auslösten und Menschenleben kosteten, hatte der CICC Trust diesmal einen Dialogprozess ins Leben gerufen, um die religiösen Führer*innen für eine sichere Wahlperiode zu gewinnen. Während des Wahltags engagierten sich 63 Kleriker*innen als offiziell akkreditierte Wahlbeobachter*innen. In der Stichwahl des Gouverneurs in Mombasa waren zusätzlich 40 Kleriker*innen aktiv. Sie wollten damit als Garanten für faire Wahlprozesse dienen.

Zur Vorbereitung auf diese Aufgabe hatte der CICC Trust die Geistlichen in eigenen lokalen "Research Centers" in Methoden der Feldforschung sowie der Sammlung und Auswertung von Daten ausgebildet. Mittels Tablets und über WhatsApp-Gruppen schilderten die Beobachter*innen in Echtzeit, was in den örtlichen Wahllokalen geschah. So schafften sie es unter teilweise sehr schwierigen Umständen und trotz Schikanen der Behörden, Informationen über Unregelmäßigkeiten an die Mitarbeiter*innen des CICC zu übermitteln. Dank des Einsatzes von eigenen digitalen Tools konnte der CICC in kurzer Zeit einen zusammenfassenden Gesamtbericht zur Validierung der Wahl erstellen. Er dient zugleich als Basis für Strategien, um bei künftigen Wahlen noch besser mit möglichen Problemen umgehen zu können. Anders als 2017 kam es in diesem Jahr nicht zu weit verbreiteten Gewalttätigkeiten. Da der Wahlentscheid jedoch denkbar knapp ausfiel, befürchtet man beim CICC, dass der gesellschaftliche Friede nicht lange hält.

Der Coast Interfaith Council of Clerics Trust ist eine Partnerorganisation von AGIAMONDO. Der Fokus der Zusammenarbeit im Programm Ziviler Friedensdienst (ZFD) liegt auf dem Aufbau eines "Women Desk" zur Stärkung weiblicher religiöser Führungspersönlichkeiten und der Förderung von Graswurzelbewegungen gegen gewalttätigen Extremismus. Der ZFD unterstützt auch den Aufbau regionaler Research Center in den Bezirken und die "Faith for Safe Election Initiative".

Mit dem Engagementpreis zeichnet AGIAMONDO jährlich Personen oder Organisationen aus, die sich besonders für Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Teilhabe, Frieden und Nachhaltigkeit einsetzen und dabei die Ziele und Werte von AGIAMONDO teilen und leben.

In diesem Jahr gehörten der Jury an:

Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert. Die Summe wurde wie schon in den Jahren zuvor von der Pax-Bank in Köln bereitgestellt. Zudem erhielt der Preisträger eine der König*innenskulpturen des Bonner Diakons und Bildhauers Ralf Knoblauch.

Vertreter der Ältesten kartieren zusammen mit Jugendlichen traditionelles Land.
Der Bergbau der Tororo Cement Ltd. auf dem kommunalen Land der Tepeth bei Kosiroi führt zu Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen.
Abbo Fiona und Longole Faustine (von links), Mitarbeiter*innen des Land Desk, entwickeln eine Darstellung zum Thema Landproblematik.
Beim Treffen in Tapac erfuhren Gemeindemitglieder der Tepeth mehr über Landfragen und kommunale Landrechte in Bergbaugebieten.
Damian Giulio Guzzetti, Bischof der Diözese Moroto, sprach auf einer Veranstaltung mit offiziellen Vertreter*innen und Mitgliedern der Tepeth.

Wissenswert

Nominiert für den Engagementpreise 2022: Der "Land Desk" der Diözese Moroto/Uganda, der die indigene Bevölkerung gegen Landraub schützt.
Landraub durch wirtschaftliche Investoren, lokale Eliten und die Regierung ist in Uganda ein großes Problem. Die indigene Bevölkerung ist davon besonders betroffen, weil sie meist keinen formaljuristischen Nachweis über den Besitz ihres Gemeindelandes hat. Der Land Desk, eine Beratungsstelle der katholischen Diözese Moroto, hat einen innovativen und nachhaltigen Weg entwickelt, um die Hirtengemeinschaften der Karamojong, Pokot und Tepeth in der Region Süd-Karamoja bei der juristischen Absicherung ihrer Landrechte mit Hilfe von Rechtsverfahren zu unterstützen. Seine Arbeit reicht von der Sensibilisierung der Bevölkerung für die ugandischen Landgesetze, über die Anwendung partizipativer Methoden zur Gründung von Landgemeinschaften bis hin zu technischer Hilfe bei der Landdokumentation oder der Unterstützung beim Erwerb eines Zertifikats für den Gewohnheitsbesitz. Der Land Desk ist eine Abteilung der Diözese und untersteht direkt dem Bischof. Er wurde 2017 mit der Unterstützung von zwei Fachkräften für das Programm Ziviler Friedensdienst (ZFD) eingerichtet. Zunächst konzentrierte sich das Team auf die Dokumentation von diözesanen und institutionellen Grundstücken, wie z. B. Krankenhäuser, Gesundheitszentren, Missionen oder Schulen. Seit 2018 gehört zu den Aufgaben auch der Schutz von Gemeindeland, das sich in gewohnheitsrechtlichem Besitz befindet. Seither haben sich erste Erfolge eingestellt: Mit Unterstützung des Land-Desks-Teams sind inzwischen fast 65.000 Hektar Gemeindeland in Karamoja durch ein Titelzertifikat vor Landraub geschützt und die Landbesitzrechte von rund 1.500 Hirtenfamilien dauerhaft gesichert.

AGIAMONDO-Fachkraft Caudia Witgens mit einer Teilnehmerin der Tanzkurse
Die Sportangebote an fünf Abenden sollen Kinder und Jugendliche in einem der schwierigsten sozialen Brennpunkte der Stadt Cali zusammenbringen.
Jhon Jairo Mina, Gründer der Stiftung, und seine Kolleg*innen wollen mit dem gemeinsamen Üben Kinder und Jugendliche im Viertel Llano Verde stärken.
"Ich werde nicht aufgeben" heißt die Stiftung des ehemaligen Boxers Jhon Jairo Mina, die Sportangebote als "Empowerment" anbietet.
Die jungen Menschen lernen auch, wie man sich begrüßt, miteinander redet, zuhört und so einen echten Dialog zulässt, um Konflikte verbal zu lösen.

Wissenswert

Nominiert für den Engagementpreise 2022: Stiftung "No me rendiré" aus Cali/Kolumbien Empowerment von jungen Geflüchteten aus einem Problemviertel mit Boxtraining und traditionellen Tänzen.
Der Name ist Programm: "No me rendiré" (Ich werde nicht aufgeben) hat der ehemalige Boxer Jhon Jairo Mina seine Stiftung genannt, die mit Sportangeboten Kinder und Jugendliche in einem der schwierigsten sozialen Brennpunkte der Stadt Cali zusammenbringen und empowern will. Jhon Jairo Mina selbst kam vor acht Jahren als Binnenflüchtling in das von Kriminalität, Gewalt und Armut geprägte Viertel Llano Verde. Über 95 Prozent der Menschen sind aus kulturell sehr verschiedenen Regionen Kolumbiens dorthin geflohen. "Ich will mit meiner Stiftung verhindern, dass andere durch die gleichen schlechten und schwierigen Erfahrungen gehen müssen, wie ich selbst", sagt der Ex-Boxer. Die Geflüchteten haben keine realen Chancen auf Arbeit, Gesundheitsversorgung oder Schulbildung. Jhon Jairo Mina und seine Teamkolleg*innen trainieren an fünf Abenden in der Woche ehrenamtlich rund 120 Kinder und Jugendliche in einem Park des Viertels in Boxkampf und traditionellem Tanz. Sie machen die jungen Menschen dabei auch mit respektvollen Ritualen bekannt, wie man sich begrüßt, miteinander redet, zuhört, spricht und damit einen wirklichen Dialog zulässt und so Konflikte verbal statt mit der Faust lösen kann. Die Stiftung "No me rendiré" ist Partnerorganisation von AGIAMONDO und wird von der AGIAMONDO-Fachkraft Claudia Witgens unterstützt.

18.11.2022

Text: Carmen Molitor