Wie war es? Rückblick auf die Zeit als Sozialarbeiterin in Sierra Leone

Rebecca Petz (links) macht ein Training mit dem Finanzteam.

ZFD-Fachkraft Rebecca Petz war bis Ende 2024 Sozialarbeiterin für Friedensförderung und Organisationsentwicklung bei der Jugendorganisation WAYN in Sierra Leone.

Was war Ihre Aufgabe bei WAYN und was hat sich dort durch Ihre Mitarbeit verändert?

Rebecca Petz: West African Youth Network (WAYN) ist eine Organisation von jungen Menschen für junge Menschen in Freetown. Sie engagiert sich für friedliche Konfliktlösungen, gegen Korruption und für die politische Partizipation von jungen Menschen. Es gibt viele kreative Ideen für die Stärkung von Jugendlichen. Was fehlt, sind Erfahrung und Methoden, um diese Ideen umzusetzen und interne Prozesse zu professionalisieren. Inzwischen hat sich WAYN von einer Jugendorganisation zu einer lokalen NGO entwickelt. Das beinhaltet mehr Rechte und Pflichten, z. B. die Registrierung und bestimmte interne Dokumente. WAYN hat sich einen guten Ruf für die Expertise zu Jugendlichen erarbeitet, der andere NGOs anspricht. Als Fachkraft im Zivilen Friedensdienst von AGIAMONDO durfte ich diesen Übergangsprozess moderieren und begleiten. Trainings innerhalb eines tollen Teams wie WAYN zu konzipieren und durchzuführen, hat mir viel Freude bereitet.

Aktionswoche im Friedensmuseum in Freetown. Im Erinnerungsgarten bei den Grabsteinen, die an die Toten des Bürgerkriegs erinnern, erlebten manche Jugendliche sehr emotionale Momente.
Participatory Video Workshop mit jungen Erwachsenen aus Tombo und Freetown. Die Teilnehmer*innen drehen Videos, die Konflikte in ihren Gemeinschaften thematisieren.
Netzwerktreffen von WAYN mit anderen NGOS in 2023, bei dem die gemeinsam erreichten Erfolge gefeiert wurden.

Rebecca Petz: In den drei Jahren bei WAYN begleitete ich einige Mitarbeitende und Freiwillige intensiv, deren Entwicklung mich sehr freut. Eine davon ist Fatmata (Name geändert), mit der ich an ihrem Führungsstil gearbeitet habe. Sie hat sich von einem schüchternen Mädchen mit guten Ideen zu einer eigenständigen jungen Frau entwickelt, die das, was sie will strategisch umsetzen kann. Heute ist sie als Administrative Officer bei WAYN die wichtigste Führungskraft nach dem Chef. Mich hat es sehr zufrieden gemacht, die gute Wege zu Selbstempowerment und Techniken zur eigenen Entwicklung zu vermitteln.

Was hat Sie begeistert und was hat sich bei Ihnen durch die Fachkraftarbeit verändert?

Rebecca Petz: Die Arbeit bei WAYN war als erste feste Stelle nach meinem Studium der Sozialen Arbeit und dem Master in Peace and Conflict Studies aufregend und besonders. Zusammen mit den Kolleg*innen, die mich sehr freundlich aufgenommen haben, haben wir viel erreicht. Es gab ein Peace Summit mit Vertreter*innen der Unis in Sierra Leone und Erstwählertrainings, die den Wahltag simulierten. Im Friedensmuseum führten wir eine Aktionswoche durch, die thematisierte wie Korruption den Bürgerkrieg in Sierra Leone begünstigt hat. Sie endete mit emotionalen Momenten im Erinnerungsgarten, der an die Toten des Bürgerkriegs erinnert.

Gute Teamarbeit, proaktive Kommunikation, gegenseitiges Lernen und dabei Spaß zu haben, waren prägend für meine Zeit bei WAYN. Exemplarisch dafür stehen die jährlichen Retreats der Organisation, bei denen das Team in einer Woche das letzte Jahr evaluiert und das aktuelle Jahr plant. WAYN steht für mich für lebhafte Diskussionen, in denen zu meiner Freude besonders die Frauen im Team deutlich aktiver teilnahmen.

Wissenswert

Das West African Youth Network (WAYN) wurde nach dem Bürgerkrieg mit der Absicht gegründet, zu Frieden und Demokratisierung beizutragen. Die Gründungsmitglieder wollten erreichen, dass junge Menschen an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Das ist ein zentrales Thema, da Sierra Leone eine sehr junge Bevölkerung hat. WAYN ist durch seine Arbeit und sein Netzwerk gut positioniert, um Akteure von jugendorientierten Organisationen und Stimmen von Jugendlichen zusammenzubringen. Die NGO möchte die junge Generation ansprechen, damit sie sich als aktive Bürger*innen engagieren und positiv in die Gesellschaft einbringen. WAYN bewirkt einen wichtigen Wandel in ihrer politischen Anerkennung. Als jugendgeführte Organisation strebt WAYN danach, junge Menschen mittels Peer to Peer Ansatz auf ihren Weg als Führungskräfte und Fachleute vorzubereiten. Die Organisation baut deshalb mit externer Unterstützung die Kapazitäten in den Bereichen Kompetenzentwicklung und Mentoring aus.

 

Rebecca Petz: Persönlich habe ich entdeckt, welchen Wert Diskussionen und Konfliktgespräche haben, wie sie in Sierra Leone und bei WAYN geführt werden. Die Menschen erlebte ich als sehr diskussionsfreudig. Bei Problemen in den Familien oder im Büro werden Treffen aller Beteiligten einberufen. Und für mich war neu, wie hilfreich solche Gespräche auch ohne Resultat sein können. Das nehme ich als Anregung mit: Manchmal geht es nicht um das Ergebnis, sondern um den Prozess. 

Wie geht es für Sie nach der Zeit bei WAYN weiter?

Rebecca Petz: Ich lebe weiterhin in Sierra Leone. Über die GIZ arbeite ich seit Anfang 2025 als Beraterin bei EducAid, einer Organisation, die im Bildungssektor aktiv ist. Mit den Fähigkeiten, die ich bei WAYN erworben habe, kann ich dazu beizutragen, die Organisation weiterzuentwickeln.

Interview: Ursula Radermacher

10.04.2025