Geduld und Zuversicht scheinen wichtige Faktoren in der Friedensarbeit zu sein. Haben Sie ein Beispiel dafür, wo Sie von der Wirkung Ihrer Arbeit positiv überrascht wurden?
Manfred Rink: Das Leben in Ländern wie Sierra Leone und Liberia ändert sich nicht von heute auf morgen. Es ist ein langer Weg in kleinen Schritten. Während meiner ersten Vertragszeit in Sierra Leone arbeitete ich mit ehemaligen Kindersoldaten, die in die Gesellschaft reintegriert werden sollten. Viele Familien und Gemeinschaften weigerten sich, diese Jugendlichen wiederaufzunehmen, wegen all der Gräueltaten, die sie verübt hatten. Darunter war auch eine junge Frau, die mit neun Jahren von den Rebellen gefangen genommen und als Sklavin gehalten worden war. Sie hatte Furchtbares erlebt und lief während unserer Zusammenarbeit immer wieder fort. Aber unsere Bemühungen, mit ihr ins Gespräch zu kommen, damit sie Worte für das Erlebte finden konnte, schienen irgendwann zu wirken. Eines Tages kam sie zurück und erzählte, dass es ihr bessergehe. Sie hatte wieder Kontakt zu ihrer Familie und konnte sich um ihr Kind kümmern. Solche Geschichten machen Friedensarbeit aus.
Hat sich Ihr Verständnis von Solidarität und einem Guten Leben für Alle verändert?
Manfred Rink: Ich bin fest von Gerechtigkeit in der Einen Welt überzeugt, seit ich Anfang der 90er Jahre in der Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika aktiv war. Rückblickend war ich damals sicherlich naiv. Ich hoffte, die Welt verändern zu können und sah die politische Verantwortung vor allem auf europäischer Seite. Heute sehe ich die Friedensarbeit als eine wichtige Unterstützung, aber die Verantwortung für gute Regierungsführung liegt bei afrikanischen Regimes. Länder wie Botswana oder Namibia zeigen, wie das aussehen könnte.
Ich wünschte, die Friedensarbeit könnte noch mehr bewegen, zum Beispiel durch den Austausch zwischen Friedensaktivisten vor Ort. Dennoch sehe ich diese Arbeit immer noch als großes Privileg: Teil einer Idee von einer besseren Welt zu sein, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt. Solidarität bedeutet für mich, dort zu sein, nicht wegzuschauen, zuzuhören und gemeinsam Lösungen zu finden.
Interview: Eva Tempelmann
04.03.2025