Was bedeutet Erfahrungslernen für die personelle Entwicklungszusammenarbeit?
Wir sprechen hier vom weltweiten Lernen. Dabei geht es immer um die Begegnung von Menschen in anderen Kulturen und von anderen Kulturen, also um wechselseitiges Lernen. Nicht nur die Partnerorganisationen und Zielgruppen vor Ort lernen durch die Zusammenarbeit, sondern auch die Fachkräfte von den Partnern, der Zielbevölkerung und untereinander.
Was braucht es, damit gemeinsames Lernen gelingt?
Unsere Studien zeigen, dass die Partnerorganisationen, wenn es um den Mehrwert der personellen Zusammenarbeit geht, die sogenannten Soft Skills genauso hoch gewichten wie das fachliche Wissen. Tugenden wie Verlässlichkeit, aber auch strukturiertes Arbeiten und vor allem Respekt und Vertrauen, spielen eine große Rolle beim gemeinsamen Lernen. Genauso entscheidend ist die Offenheit, sich auf Neues einzulassen, ohne gleich zu urteilen. Eine nach Sambia entsandte Lehrerin zum Beispiel war zunächst befremdet vom Frontalunterricht und Auswendiglernen vor Ort. Doch bei genauem Hinsehen erkannte sie, dass es bei 60 Kindern ohne Pult und Schreibmaterial in einer Klasse dafür durchaus Gründe gab – vor allem aber braucht gegenseitiges Lernen Zeit.
Wie werden die Fachkräfte darauf vorbereitet?
Bei uns gibt es dazu mehrere Phasen. Beim Assessment etwa werden die Bewerber*innen mit Fallbeispielen konfrontiert, für die sie konstruktiv auch im Team Lösungen finden müssen. Daraus ergibt sich ein Bild der persönlichen, sozialen, fachlichen und methodischen Kompetenzen. In den Ausreisekursen versuchen wir dann, die Fachkräfte darauf vorzubereiten, welche Herausforderungen, wie etwa Korruption, auf sie zukommen könnten.
Woran lassen sich Lernerfahrungen festmachen?
Das geschieht stufenweise. Nach den ersten drei Monaten sind die Fachkräfte aufgerufen, sich ein Bild zu machen und mit den Partnern zu besprechen: Wo stehe ich? Was habe ich wahrgenommen? Wohin möchte ich? Stimmt das mit den Projektzielen überein? Zudem gibt es regelmäßige Dreiergespräche mit der Landesprogrammleitung und der Partnerorganisation, bei denen das Projekt und der Einsatz ausgewertet werden. Aber auch, wie sich die Person ins Team integriert hat, welche interkulturelle Kompetenz sie erworben hat, und ob es gelungen ist, einen kreativen Schub auszulösen, durch den beide Seiten zu neuem Wissen und Erfahrungen gelangen können.
Wie fließen diese in die Arbeit der Partner und von Comundo ein?
Das hängt vom jeweiligen Projekt ab. Wenn es zum Beispiel darum geht, die Finanzverwaltung oder andere Kapazitäten zu stärken, dann ist es die Aufgabe der Fachkräfte, zu überlegen, wie sie das Wissen für die Partnerorganisation und Zielbevölkerung aufbereiten können, um einen Multiplikationseffekt zu erzielen. Ob durch Medien, wie ein Video, ein Handbuch oder ein Event. In Kenia ermöglicht der Ansatz "Borrow a co-worker" Partnerorganisationen, sich untereinander für bestimmte Zeit eine Fachkraft für ihr Projekt auszuleihen.
Für den "Einsatz nach dem Einsatz" haben wir ein Alumni-Programm aufgelegt. Damit wollen wir ehemaligen Fachkräften die Möglichkeit geben, sich auszutauschen und in die Sensibilisierungsarbeit im Norden und die politische Lobbyarbeit von Comundo einzubringen.
Interview: Angelika Söhne
Dezember 2021
Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 3/2021. Die Gesamtausgabe und die PDF-Version des Artikels finden Sie hier zum Download.