Weit weg von Europa – Bewerben für ein Stellenangebot im Ausland

ZFD-Fachkraft Florence Peschke engagiert sich bei der Commission Diocésaine Justice et Paix (CDJP) in Bukavu/DR Kongo.

Sie wollen sich bei AGIAMONDO bewerben? Wie funktioniert das genau? Was passiert beim Auswahlverfahren und in der Vorbereitungszeit bei AGIAMONDO? Und wie kann der erste Eindruck im neuen Leben sein? Die Politikwissenschaftlerin Florence Peschke, die heute als ZFD-Fachkraft in der Demokratischen Republik Kongo arbeitet, berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen mit AGIAMONDO.

Wie sind Sie auf die Stelle als Fachkraft aufmerksam geworden?

Als Analystin beim Norwegian Refugee Council in Genf tauschte ich mich regelmäßig mit Kolleg*innen von lokalen NGOs aus, die in humanitären Krisen intervenieren. Ihre Nähe zur Bevölkerung, die pragmatischen Lösungsansätze und ihr kritischer Blick auf die internationale Gemeinschaft beeindruckten mich. Daraufhin suchte ich nach Stellen in lokalen Organisationen in der DR Kongo und entdeckte so das ZFD-Programm und AGIAMONDO. Die Stelle bei der Commission Diocésaine Justice et Paix (CDJP) Bukavu sprach mich wegen der Vielfalt der Aufgaben sofort an! Ich arbeite bei der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und bei Mediationen mit und unterstütze die Organisationsentwicklung. Dabei geht es etwa um die Professionalisierung interner Abläufe und Fundraising. Schwierigkeiten lokaler Organisationen, wie die fehlende Basisfinanzierung durch Geldgeber, waren mir schon durch frühere Arbeitsstellen in Mexiko geläufig.

Wie liefen der Auswahlprozess und die Vorbereitung ab?

Nach meiner schriftlichen Bewerbung dauerte es etwa einen Monat bis zum ersten Kontakt seitens AGIAMONDO und ca. vier Wochen bis zum Vorstellungsgespräch. Die darauffolgenden Auswahltage habe ich als sehr angenehm empfunden. Die Persönlichkeiten der Bewerber*innen stehen im Vordergrund und im Laufe der Gesprächstermine hatte ich die Möglichkeit, AGIAMONDO näher kennenzulernen. Bis zur Zustimmung der Partnerorganisation musste ich mich einen weiteren Monat gedulden.  

Kurz vor dem Start meiner Vorbereitungsphase begann die Corona-Pandemie. Würde die Vorbereitung weiter stattfinden können? Würde ich überhaupt noch ausreisen können? AGIAMONDO reagierte schnell und stellte die Vorbereitung innerhalb weniger Wochen auf Online-Formate um. Aufgrund von Grenzschließungen musste meine Vorbereitungszeit verlängert werden. Dadurch konnte ich meine Swahili-Kenntnisse ausbauen und an spannenden externen Fortbildungen, wie einer Mediationsausbildung, teilnehmen.

Blick auf Bukavu
In Bukavu trainieren Projektmanager Aimé Mutayongwa und Florence Peschke psychosoziale Assistenten zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen.
Workshop mit lokalen Friedensaktivist*innen in Mulamba

Wie erging es Ihnen kurz vor der Ausreise und wie war Ihr erster Eindruck Ihres neuen Lebens?

Neben Verabschiedungen, Umzug und „Packstress“ wartete ich gebannt auf mein Einreisevisum und beobachtete die sich ständig verändernden Einreisebestimmungen in der Region, denn ich sollte über Rwanda einreisen. Die Ankunft in Bukavu (DR Kongo) war aufregend. An der Grenze zur DR Kongo änderten sich Stadtbild und Atmosphäre schlagartig. Ich brauchte einige Zeit, um mich an meinen neuen Wohnort zu gewöhnen. Die mühselige Wohnungssuche, dichter Verkehr und katastrophale Straßenverhältnisse sowie der gänzlich andere Lebensrhythmus ließen mich in den ersten Wochen am Abend stets erschöpft ins Bett fallen.

Hatten Sie ausreichend Zeit, sich einzuleben? Oder ging die Arbeit sofort los?

Meine Kolleg*innen empfingen mich an der Grenze der DR Kongo. Drei Tage später startete die Arbeit mit einem Meeting von 25 Kolleg*innen, die mir begeistert von ihren verschiedenen Projekten berichteten. Neben Konflikttransformation arbeitet die CDJP auch zu Good Governance, Menschenrechten, Empowerment von Frauen und Rohstoffgovernance (Rohstoffgovernance BMZ). Die Fülle von Informationen überwältigte mich zwar, doch so konnte ich innerhalb von wenigen Wochen mit meiner Arbeit beginnen, was mir die Eingewöhnung erleichterte. In den folgenden Wochen begleitete ich meine Kolleg*innen und lernte z.B. unsere psychosozialen Assistenten kennen. Sie bieten in abgelegenen, schwer erreichbaren Orten eine Anlaufstelle für Überlebende von sexualisierter und gender-basierter Gewalt und stellen damit grundlegende Dienste zur Verfügung, die der Staat nicht zu leisten vermag. Dazu gehören Beratung, Falldokumentation und Vermittlung von medizinischer und juristischer Unterstützung und das häufig unter prekären Arbeitsbedingungen.

Während der Regenzeit unterwegs zu einem Workshop bei Walungu. Außerhalb der Städte sind nur wenige Straßen asphaltiert.
Vortrag von Gisèle Mulengezi zu beruflicher und häuslicher Gewalt gegen Frauen während eines Netzwerktreffens mit Vertreter*innen von NGO's, Journalist*innen und Wissenschaftler*innen
Blick auf den Kivu-See auf dem Weg zu einem Arbeitstreffen in Kalehe

Und wie läuft die Begleitung durch AGIAMONDO vor Ort?

Innerhalb der ersten Monate gab es in meinem Arbeitsalltag häufiger Fragen zur Finanzadministration oder organisationsinternen Abläufen. Ich bin froh, auch noch spätnachmittags mit dem Team der Koordination in Bujumbura per Mail oder Chat kommunizieren zu können. Ein persönlicher Austausch war bisher aufgrund der Grenzschließungen leider nicht möglich. Und auch über das Angebot für Fortbildungen und Coaching im Dienstvertrag bin ich dankbar. Das Coaching-Angebot habe ich schon in Deutschland wahrgenommen und nutze es weiterhin um über Herausforderungen in meinem Alltag zu reflektieren; etwa, wie kann ich die Erwartungen an mich und meine Rolle in dieser doch ungewöhnlichen Form der personellen Zusammenarbeit managen?

Gibt es nach den ersten Monaten schon Erfolge?

Nach bürokratischen und administrativen Hürden gibt es nach fünf Monaten erste Erfolge, die mir Energie für die zahlreichen Herausforderungen geben. Ich freue mich über neue Projekte mit anderen Organisationen oder darüber, dass Fortbildungen zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen auch in anderen Projekten eingesetzt werden. Doch das ist nur der Anfang und ich blicke neugierig auf meine zukünftigen Aufgaben.

15.04.2021

Interview/Bearbeitung: Ursula Radermacher