Im Takt der Sonne: Künstlerische Bildungsarbeit in Brasilien

Als AGIAMONDO-Fachkraft zur Förderung von Kindern und Jugendlichen ist Stefan Siemons auch für die musikialische Weiterbildung der Lehrer*innen verantwortlich. Der gelernte Baumeister für Metallblasinstrumente unterrichtet Jugendliche unter anderem im Löten und Schweißen, um ihre Arbeitsmarktchancen zu verbessern.

Als Gründer und Mitwirkender des Vereins "Clave de Sol" in Brasilien schlägt Stefan Siemons' Herz für kreatives Lernen mit Musik, Kunst und Gemeinschaftssinn. Hier berichtet er, wie er genau das als AGIAMONDO-Fachkraft zur Förderung von Kindern und Jugendlichen im Großraum São Paulo unterstützt.

 

Der gemeinnützige Verein "Clave de Sol" (Deutsch: Violinschlüssel) in Itapecerica, São Paulo, bietet sozialpädagogische und künstlerische Aktivitäten für Kinder und Jugendliche von 6 bis 17 Jahren an. Unser Schwerpunkt ist Musik. Es gibt Unterricht für Blas- und Streichinstrumente, Gitarre, Percussion oder Keyboard. Außerdem unterstützen wir die Kids beim Lesen- und Schreibenlernen. Wir wollen erreichen, dass sie sicher heranwachsen, Autonomie entwickeln und starke, gesunde Beziehungen knüpfen können. Dazu gehört auch, Verantwortung zu übernehmen, zum Beispiel für die Umwelt. Bei "Clave de Sol" trennen und recyceln wir Müll, was in Deutschland selbstverständlich, in Brasilien jedoch Neuland ist, und arbeiten plastikfrei in allen Bereichen der Organisation.

Das staatliche Schulsystem in Brasilien ist leider sehr schlecht ausgestattet. Es fehlt an Geld, Materialien und gut ausgebildetem Personal. Gleichzeitig ist die soziale Ungleichheit eklatant. Die wenigsten Familien können sich eine Privatschule leisten. Oft können Kinder selbst in der 5. Klasse noch nicht lesen, schreiben oder rechnen. Später finden sie dann keine Jobs oder nur solche, die illegal oder schlecht bezahlt sind. Mit unserem Bildungsangebot bietet Clave de Sol ihnen eine Perspektive. Leider wird unsere Arbeit vom brasilianischen Staat kaum gefördert, 80 Prozent aller Kosten decken wir mit Spenden und Drittmitteln aus Deutschland.

Aktuell betreuen wir 175 Kinder und Jugendliche in unserer Einrichtung. Auch Erwachsene können an Computer- oder Musikworkshops teilnehmen. Die Nachfrage nach unseren Angeboten ist sehr groß. Mittelfristig würden wir gerne mehr anbieten, dafür brauchen wir aber neue Räumlichkeiten, müssten Gebäude erweitern, mehr didaktisches Material anschaffen. Auch möchten wir einen kleinen Fußballplatz einrichten, damit sich die Kinder auch sportlich betätigen können. Das alles erfordert zusätzliche Mittel sowie viel Zeit und Engagement.

Stefan Siemons (Mitte, hinten) mit seiner Familie und den Familien seiner Freunde. Er fühlt sich in Brasilien sehr wohl. In seiner Freizeit spielt er im Orchester der Kirchengemeinde und macht Sport.
Oft können Kinder selbst im 5. Schuljahr noch nicht schreiben und rechnen. Das liegt am schlecht aufgestellten staatlichen Schulsystem mit seinem extremen Mangel an Geld, Materialien und gut ausgebildetem Personal. Mit seinem Bildungsangebot bietet Clave de Sol Kindern und Jugendlichen eine Perspektive.
Gute pädagogische Arbeit macht einen Unterschied im Leben der Kinder und Jugendlichen des Landes. Dafür ist es wichtig, dass Lehrer*innen z. B. durch unsere Fortbildungen in Musik Selbstvertrauen gewinnen und ihnen bewusst wird, dass ihr Beruf wertvoll ist.
Musiik macht den Schwerpunkt der sozialpädagogischen und künstlerischen Aktivitäten für Kinder und Jugendliche von Clave del Sol aus. Neben dem Unterricht für Blas- und Streichinstrumente, Gitarre, Percussion oder Keyboard gibt es Unterstützung beim Lesen- und Schreibenlernen. Kinder sollen in ihrer Autonomie gestärkt werden.
Aktuell betreut der Verein 175 Kinder und Jugendliche. Um der großen Nachfrage nach den Angeboten entsprechen zu können, wären neue Räumlichkeiten bzw. Gebäudeerweiterungen und mehr didaktisches Material nötig. Ein besonderer Wunsch ist ein kleiner Fußballplatz für sportliche Aktivitäten der Kinder.

Zu meinen Aufgaben zählt vor allem die Aus- und Weiterbildung unserer Lehrer*innen. Als gelernter Baumeister für Metallblasinstrumente unterrichte ich die Jugendlichen aber auch selbst, zum Beispiel im Löten und Schweißen. So haben sie mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem organisiere ich die Zusammenarbeit mit den Schulen aus der Umgebung und schreibe Projektanträge, um neue Finanzquellen für unsere Einrichtung zu erschließen. 2020 konnten wir so genug Gelder einwerben, um ein neues Informatiklabor einzurichten. Seitdem haben alle Schüler*innen die Möglichkeit, auch am Computer zu lernen. Unter anderem unterstützt der Verein Kulturwerkstatt für Kinder Clave de Sol, Brasilien e.V. die brasilianische NGO.

Mein Glaube an Jesus Christus war immer meine Motivation, mich für andere Menschen einzusetzen. Dass mich mein Lebensweg nach Brasilien geführt hat, betrachte ich als großes Geschenk. Ich habe mich hier von Anfang an wohl gefühlt, vor allem, weil ich Menschen begegnet bin, die mich inspiriert haben, ich selbst zu sein. Meine Arbeit macht mir Spaß und ich kann etwas bewegen. Außerdem habe ich meine Frau hier kennengelernt und wir haben zusammen drei fantastische Kinder. Wir führen ein gutes, einfaches Leben und sind in der Kirchengemeinde sehr engagiert. Ich spiele dort im Orchester. In meiner Freizeit treibe ich gerne Sport oder wir treffen Freunde, die auch Kinder haben, und verbringen gemeinsam Familienzeit.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Gesellschaft erkennt, wie wichtig gute pädagogische Arbeit für die Kinder und Jugendlichen des Landes ist. Und wie sehr sie einen Unterschied im Leben der jungen Leute machen kann. Wenn Lehrer*innen durch unsere Fortbildungen Selbstvertrauen gewinnen und ihnen bewusst wird, dass ihr Beruf wertvoll ist, bereitet mir das große Freude. Ich hoffe, dass sie diese Einstellung mitnehmen, wohin auch immer sie gehen.

30.06.2023

Text: Eva Maria Helm, Stefan Siemons

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 1/2023. Zum Download der Gesamtausgabe.