Transfer beruflicher Erfahrungen: Arbeitschwerpunkt Interreligiöser Dialog

Matthias Eder, Florian Kopp, Fotomontage Ursula Radermacher/AGIAMONDO

Matthias Eder arbeitet seit März 2024 als Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) beim Centre for Society and Religion in Sri Lanka. Sein Schwerpunkt: Interreligiöser Dialog. Auch in Kenia stand dieses Thema für ihn im Mittelpunkt.

 

Seit zwölf Jahren widmet sich Matthias Eder diesem Thema in Ländern West- und Ostafrikas, nun erstmals in Asien. Im Gespräch mit AGIAMONDO erzählt der Politikwissenschaftler, welche verbindende Rolle Religion in der Zusammenarbeit spielen kann und wie sein Berufsbild mit der Familie vereinbar ist.

Das Thermometer zeigt über 40 Grad, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 90 Prozent. Auf der To-Do-Liste: Ein Haus und eine Schule  für die Kinder finden, Behördengänge machen und Ankommen in Colombo. Die ersten Wochen in Sri Lanka seien für die Familie herausfordernd gewesen, sagt Matthias Eder. Seit März 2024 arbeitet er als ZFD-Fachkraft für Interreligiösen Dialog beim Centre for Society and Religion (CSR), einer ordensbasierten NGO, die sich für Gerechtigkeit und Frieden in Sri Lanka einsetzt. Mit ausgereist sind seine Frau und die beiden Kinder, zwölf und acht Jahre alt. Einige Wochen später ist die Hitzeperiode vorüber, Haus und Schule sind gefunden, erste Kontakte geküpft. "Als Familie war es wichtig, schnell einen neuen Alltag zu etablieren", sagt Matthias Eder.

 

Das Essen in Sri Lanka ist sehr würzig und vielfältig. Eines der Ankommensrituale von Familie Eder war, möglichst viele Gerichte bei abendlichen Garküchen-Besuchen kennenzulernen. Ihr Fazit: "Scharf und lecker!"
Matthias Eder, seine Frau Franziska und ihre beiden Kindern sind im März nach Sri Lanka ausgereist. und inzwischen gut in dem asiatischen Land angekommen. Hier schauen sie sich die Feierlichkeiten des buddhistischen Perahera Festivals in Kandy an.
Vesakh ist der höchste buddhistische Feiertag. Er findet immer am ersten Vollmond des Monats Mai statt und erinnert an die Geburt, Erleuchtung und Tod Buddhas. Es ist ein Fest der guten Vorsätze und der guten Taten. In Sri Lanka feiern es die Menschen mit vielen bunten Lichtern.
Jayani Fernando (links) ist eine Kollegin von Matthias Eder und Fachfrau für PME (Planning, Monitoring, Evaluation)

Multireligiöses Sri Lanka

Der neue Alltag bedeutet für ihn konkret: Er wird in der Hauptstadt Colombo beim CSR als Trainer für gewaltfreie Kommunikation und interreligiösen Dialog tätig sein. Der Politikwissenschaftler mit einem Master in Advanced International Studies greift dabei auf viele Jahre Arbeitserfahrung in Ländern West- und Ostafrikas zurück, wo er Organisationen dabei unterstützte, Menschen religionsübergreifend zusammenzubringen, zum Beispiel mit Mediationen für Alltagskonflikte zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgruppen. 

Um Gerechtigkeit und Frieden zu fördern, arbeitet das CSR mit benachteiligten Menschen unabhängig von religiöser oder politischer Zugehörigkeit zusammen. Die Folgen des 40 Jahre andauernden Bürgerkriegs, der 2009 endete, prägen Sri Lanka immer noch stark. Ethnische und religiöse Gruppen sind polarisiert, das Misstrauen innerhalb der Gesellschaft sitzt tief. Eder betreut bereits laufende Projekte der CSR, bildet Trainer*innen für interreligiöse Arbeit aus und stärkt die Netzwerke des CSR generell – eine Mischung aus Projektmanagement und Organisationsentwicklung. Seine Erfahrung aus Kenia kann er hier gut einbringen.

Hilfreicher Blick von außen

Dort baute er als AGIAMONDO Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes das Institut für Interreligiösen Dialog und Islamische Studien (IRDIS) an der Katholischen Universität in Nairobi mit auf. Es bietet akademische Programme für Menschen, die in multireligiösen Kontexten arbeiten, organisiert Konferenzen und etabliert Partnerschaften zwischen katholischen und muslimischen Organisationen.

Auch in Sri Lanka wird Matthias Eder seine Partnerorganisation darin stärken, den Austausch mit anderen Organisationen auszubauen, die den gleichen Ansatz haben wie das CSR. Er geht mit einer offenen Haltung auf andere zu, nimmt sich Zeit und probiert Dinge aus. Bei Workshops habe er zum Beispiel oft die sogenannten Goldenen Regeln der Nächstenliebe vorgestellt, die in allen Weltreligionen zu finden sind. Zunächst als unkommentierte Sätze: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, seid freundschaftlich mit allen verbunden, wünschet anderen nichts, was ihr nicht für euch selbst wünschet. Dann mit der Zuordnung zu den jeweiligen Religionen. Die Wirkung dieser kleinen Übung – dass wir Menschen uns ähnlicher sind, als wir uns zutrauen – sei enorm, sagt Eder.

In Zeiten, in denen Religionen oft benutzt würden, um Konflikte zu befeuern, sehe er sich als Brückenbauer. "Tatsache ist: Wenn 85 Prozent der Menschen weltweit einer Religion angehören, kommen wir um Religion nicht herum." Um Vertrauen aufzubauen, erzähle er von eigenen Erfahrungen und denen aus anderen Ländern. Sobald eine gewisse Offenheit füreinander da sei, fülle sich der Raum schnell mit allen möglichen Themen, die Menschen in Deutschland, Kenia oder Sri Lanka bewegen: Familie, Arbeit, Gerechtigkeit. Die Religion rücke dann in den Hintergrund, Gemeinsamkeiten in den Vordergrund.

"Ich komme mit einem Blick als Außenstehender", sagt Eder. Das erlaube ihm, nachzufragen, Dinge anders zu sehen. Wo andere nur Trennlinien zwischen den Religionen sehen, sieht er auch Orte für Begegnungen, zum Beispiel in buddhistischen Tempeln, in denen auch hinduistische Götter angebetet werden dürfen.

 

Father Rohan und Franziska Eder (von links) schauen sich die Ausstellung zu Religion und Umwelt mit Beiträgen von 400 Kindern aus der Region an. Sie ist vom CSR initiiert, um mittels interreligiösem Dialog Frieden zu fördern. Die Veranstaltung findet jährlich mit wechselnden Themen statt und wird unter anderem von AGIAMONDO unterstützt.
Die Ausstellung wird von einem Rahmenprogramm begleitet. Bei dieser Aufführung geht es um Konflikte zwischen Menschen und Natur und den Respekt für ein friedliches Miteinander.
Das CSR stärkt benachteiligte Menschen. Matthias Eders Kollegin Dilini Perreira und eine Trainerin arbeiten mit einer Frauengruppe in Moratuwa im Süden der Hauptstadt. Es geht um Frauenrechte, den Umgang mit Trauma und Religion und die Stärkung der eigenen Identität in sozial prekären Verhältnissen.
Innerhalb eines Kirchengebäudes ist eine Gedenkstätte für die Opfer des Bürgerkriegs. Der Jesuit Pater Pieris, einer der führenden asiatischen Befreiungstheologen, hat die Gedenkstätte begründet. Sie wird stark kritisiert, weil sie allen Opfern des Bürgerkriegs gleichermaßen gewidmet ist und keine Position für eine bestimmte Gruppe bezieht.
Zu interreligiösem Dialog arbeitete Matthias Eder (Mitte) sechs Jahre als ZFD-Fachkraft in Kenia. Zusammen mit seiner Partnerorganisation und seinen Kolleg*innen Milkah Bosibori und Kiboi Abdallah Leboi (von links) baute er das Institut für Interreligiösen Dialog (IRDIS) auf.
Die European Academy of Religion in Kenia führte Trainings zu interreligiösem Dialog mit lokalen Schwestern durch. Der Schwerpunkt von Matthias Eders Arbeit war dort der Aufbau von Netzwerken und Partnerschaften. Auch in Sri Lanka wird er die Netzwerke seiner Partnerorganisation und damit die Friedensarbeit im Land stärken.

Genug Zeit einplanen

Matthias Eder plant mindestens drei Jahre für die Zeit in Sri Lanka ein, das komme der Arbeit und der Familie nur zu Gute. "Zu viele Ortswechsel in kurzer Zeit würden unsere Kinder nicht mitmachen." Über die Internationale Schule haben sie schnell Kontakte knüpfen können zu Familien, die ebenfalls für eine begrenzte Zeit im Ausland sind, sogar ein Fußballverein ist bereits gefunden. Um den Kindern ein gutes Ankommen zu ermöglichen, haben die Eders wie schon in Kenia in den ersten Wochen einige Ausflüge gemacht, ans Meer und zu einer Schildkrötenfarm, und pflegen gemeinsame Rituale wie das Kennenlernen der lokalen Küche, "scharf und lecker!"

28.08.2024

Text: Eva Tempelmann