Transfer beruflicher Erfahrungen: Arbeitschwerpunkt Interreligiöser Dialog

Seit März 2024 ist Colombo der neue Wohn- und Arbeitsort von Matthias Eder und seiner Familie. Colombo ist die Hauptstadt des Inselstaates Sri Lanka. Noch immer prägen die Folgen des 40 Jahre andauernden Bürgerkrieges, der 2009 endete, das Land stark.

Matthias Eder arbeitet seit März 2024 als Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) beim Centre for Society and Religion in Sri Lanka. Sein Schwerpunkt: Interreligiöser Dialog. Auch in Kenia stand dieses Thema für ihn im Mittelpunkt.

 

Seit zwölf Jahren widmet sich Matthias Eder diesem Thema in Ländern West- und Ostafrikas, nun erstmals in Asien. Im Gespräch mit AGIAMONDO erzählt der Politikwissenschaftler, welche verbindende Rolle Religion in der Zusammenarbeit spielen kann und wie sein Berufsbild mit der Familie vereinbar ist.

Das Thermometer zeigt über 40 Grad, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 90 Prozent. Auf der To-Do-Liste: Ein Haus und eine Schule  für die Kinder finden, Behördengänge machen und Ankommen in Colombo. Die ersten Wochen in Sri Lanka seien für die Familie herausfordernd gewesen, sagt Matthias Eder. Seit März 2024 arbeitet er als ZFD-Fachkraft für Interreligiösen Dialog beim Centre for Society and Religion (CSR), einer ordensbasierten NGO, die sich für Gerechtigkeit und Frieden in Sri Lanka einsetzt. Mit ausgereist sind seine Frau und die beiden Kinder, zwölf und acht Jahre alt. Einige Wochen später ist die Hitzeperiode vorüber, Haus und Schule sind gefunden, erste Kontakte geküpft. "Als Familie war es wichtig, schnell einen neuen Alltag zu etablieren", sagt Matthias Eder.

 

Das Essen in Sri Lanka ist sehr würzig und vielfältig.
Matthias Eder, seine Frau Franziska und ihre beiden Kindern schauen sie sich die Feierlichkeiten des buddhistischen Perahera Festivals in Kandy an.
Vesakh ist der höchste buddhistische Feiertag. Er findet immer am ersten Vollmond des Monats Mai statt und erinnert an die Geburt, Erleuchtung und Tod Buddhas.
Jayani Fernando (links) ist eine Kollegin von Matthias Eder und Fachfrau für PME (Planning, Monitoring, Evaluation)

Multireligiöses Sri Lanka

Der neue Alltag bedeutet für ihn konkret: Er wird in der Hauptstadt Colombo beim CSR als Trainer für gewaltfreie Kommunikation und interreligiösen Dialog tätig sein. Der Politikwissenschaftler mit einem Master in Advanced International Studies greift dabei auf viele Jahre Arbeitserfahrung in Ländern West- und Ostafrikas zurück, wo er Organisationen dabei unterstützte, Menschen religionsübergreifend zusammenzubringen, zum Beispiel mit Mediationen für Alltagskonflikte zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgruppen. 

Um Gerechtigkeit und Frieden zu fördern, arbeitet das CSR mit benachteiligten Menschen unabhängig von religiöser oder politischer Zugehörigkeit zusammen. Die Folgen des 40 Jahre andauernden Bürgerkriegs, der 2009 endete, prägen Sri Lanka immer noch stark. Ethnische und religiöse Gruppen sind polarisiert, das Misstrauen innerhalb der Gesellschaft sitzt tief. Eder betreut bereits laufende Projekte der CSR, bildet Trainer*innen für interreligiöse Arbeit aus und stärkt die Netzwerke des CSR generell – eine Mischung aus Projektmanagement und Organisationsentwicklung. Seine Erfahrung aus Kenia kann er hier gut einbringen.

Hilfreicher Blick von außen

Dort baute er als AGIAMONDO Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes das Institut für Interreligiösen Dialog und Islamische Studien (IRDIS) an der Katholischen Universität in Nairobi mit auf. Es bietet akademische Programme für Menschen, die in multireligiösen Kontexten arbeiten, organisiert Konferenzen und etabliert Partnerschaften zwischen katholischen und muslimischen Organisationen.

Auch in Sri Lanka wird Matthias Eder seine Partnerorganisation darin stärken, den Austausch mit anderen Organisationen auszubauen, die den gleichen Ansatz haben wie das CSR. Er geht mit einer offenen Haltung auf andere zu, nimmt sich Zeit und probiert Dinge aus. Bei Workshops habe er zum Beispiel oft die sogenannten Goldenen Regeln der Nächstenliebe vorgestellt, die in allen Weltreligionen zu finden sind. Zunächst als unkommentierte Sätze: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, seid freundschaftlich mit allen verbunden, wünschet anderen nichts, was ihr nicht für euch selbst wünschet. Dann mit der Zuordnung zu den jeweiligen Religionen. Die Wirkung dieser kleinen Übung – dass wir Menschen uns ähnlicher sind, als wir uns zutrauen – sei enorm, sagt Eder.

In Zeiten, in denen Religionen oft benutzt würden, um Konflikte zu befeuern, sehe er sich als Brückenbauer. "Tatsache ist: Wenn 85 Prozent der Menschen weltweit einer Religion angehören, kommen wir um Religion nicht herum." Um Vertrauen aufzubauen, erzähle er von eigenen Erfahrungen und denen aus anderen Ländern. Sobald eine gewisse Offenheit füreinander da sei, fülle sich der Raum schnell mit allen möglichen Themen, die Menschen in Deutschland, Kenia oder Sri Lanka bewegen: Familie, Arbeit, Gerechtigkeit. Die Religion rücke dann in den Hintergrund, Gemeinsamkeiten in den Vordergrund.

"Ich komme mit einem Blick als Außenstehender", sagt Eder. Das erlaube ihm, nachzufragen, Dinge anders zu sehen. Wo andere nur Trennlinien zwischen den Religionen sehen, sieht er auch Orte für Begegnungen, zum Beispiel in buddhistischen Tempeln, in denen auch hinduistische Götter angebetet werden dürfen.

 

Matthias Eder
Matthias Eder
Matthias Eder
Matthias Eder
Florian Kopp
Florian Kopp

Genug Zeit einplanen

Matthias Eder plant mindestens drei Jahre für die Zeit in Sri Lanka ein, das komme der Arbeit und der Familie nur zu Gute. "Zu viele Ortswechsel in kurzer Zeit würden unsere Kinder nicht mitmachen." Über die Internationale Schule haben sie schnell Kontakte knüpfen können zu Familien, die ebenfalls für eine begrenzte Zeit im Ausland sind, sogar ein Fußballverein ist bereits gefunden. Um den Kindern ein gutes Ankommen zu ermöglichen, haben die Eders wie schon in Kenia in den ersten Wochen einige Ausflüge gemacht, ans Meer und zu einer Schildkrötenfarm, und pflegen gemeinsame Rituale wie das Kennenlernen der lokalen Küche, "scharf und lecker!"

28.08.2024

Text: Eva Tempelmann