Zur Zukunft der Personellen Zusammenarbeit

Rendel Freude

Dr. Markus Demele ist für die kommenden drei Jahre wieder als Vorstandsvorsitzender von AGIAMONDO gewählt worden. Wir sprachen mit ihm darüber, was ihn dazu motiviert hat sich zur Wahl zu stellen und vor welchen Herausforderungen die Personelle Zusammenarbeit steht.

Sie sind gerade noch einmal für die nächsten drei Jahre zum Vorstandsvorsitzenden des AGIAMONDO e.V. gewählt worden. Was hat Sie motiviert, sich erneut zur Wahl zu stellen?

Da ist zuallererst die gute und intensive Zusammenarbeit im gesamten Vorstandsteam mit der Geschäftsführung und den engagierten Kolleginnen und Kollegen in der Geschäftsstelle. Hier wird gelebt, was personelle Zusammenarbeit kennzeichnet: Leidenschaft, sich nicht mit ungerechten Umständen zufrieden zu geben, sondern gemeinsam an einer besseren Welt für alle zu bauen. Entwicklungszusammenarbeit lebt stark von Begegnungen und der Motivation der handelnden Akteurinnen und Akteure. Personelle Zusammenarbeit – so wie sie AGIAMONDO als Personaldienst fördert – brauchen wir heutzutage nötiger denn je. Ich bin davon überzeugt, dass die direkte Begegnung und Interaktion von Menschen mit unterschiedlichen Geschichten, Ausbildungen und Erfahrungen Potenziale und Lernräume eröffnet, die wir für die anstehenden großen Transformationsprozesse und die Lösung von gesellschaftlichen Problemen, dringend brauchen. Voraussetzung ist, dass sich die Akteure mit einer großen Ernsthaftigkeit, Sachkenntnis aber auch als Personen direkt begegnen. Das möchte ich als Vorstandsvorsitzender von AGIAMONDO weiter begleiten und unterstützen, denn damit sind wir dem Gründunggedanken von AGIAMONDO treu.

Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für die Personelle Zusammenarbeit?

Schon seit mehreren Jahren sind die Vermittlungen von Fachkräften in den Entwicklungsdienst rückläufig. In 2023 waren nach Erhebungen der AGdD bei allen Diensten insgesamt nur noch 830 Personen nach Entwicklungshelfergesetz (EhfG) tätig, während es 2020 noch 1.041 Personen waren. Wir brauchen starke Partner, um das Instrument EhfG mit all seinen Chancen für die internationale Zusammenarbeit zu erhalten und zu nutzen. Das gilt auch für den Zivilen Friedensdienst (ZFD), der mittlerweile seit 25 Jahren und mit beachtlicher Wirkung Friedensfachkräfte und lokale Partnerorganisationen im Engagement für gewaltfreie Konfliktlösungen, Krisenprävention und langfristige Friedenssicherung zusammenbringt. Wie dringlich diese Aufgabe heute ist, erfahren wir täglich beim Blick in die Konfliktregionen der Welt. Das berührt auch uns in Deutschland. Nicht zuletzt möchten wir gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Dienste (AGdD) nach dem Vorbild des ZFD einen Internationalen Klimadienst (IKD) etablieren, der über die Vermittlung von EhfG-Fachkräften, lokale Organisationen dabei unterstützt, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Hier braucht es dringend mehr persönliche Begegnungen und strukturierten Austausch, der über die allgegenwärtige internationale Vernetzung unserer Welt hinausgeht. Hierfür sollen auch alternative Geldgeber gewonnen werden. Zudem ist AGIAMONDO natürlich auch durch die zunehmenden Mittelkürzungen des BMZ für die Entwicklungszusammenarbeit betroffen, nicht zuletzt auch durch die Kürzungen der kirchlichen Mittel.

Was sind die dringendsten nächsten Schritte?

AGIAMONDO muss leider weiter Ausgaben auf den Prüfstand stellen und Kosten einsparen. Dafür wurde eine umfassende Umstrukturierung der Organisation eingeleitet, die bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. Trotz der bisherigen Straffung von Abläufen und Verfahren, mussten wir an der Qualität unserer Leistungen keine Abstriche machen. Das habe ich selbst bei einer Personalvermittlung für Kolping international auch so erlebt und das ist sehr erfreulich. Darüber hinaus muss AGIAMONDO seine Eigenmittel dringend erhöhen, um die Personalvermittlung im Non-Profit-Bereich zu subventionieren. Geplant ist, Personaldienstleistungen inklusive Trainings und Seminare auf dem freien Markt anzubieten. Grundsätzlich müssen wir sowohl in der Fachöffentlichkeit als auch in der Kirche deutlich machen, dass personelle Zusammenarbeit kein entwicklungspolitischer Restposten ist. Sie ist auch nicht obsolet, weil Menschen immer internationaler denken und agieren. Im Gegenteil, der etwas altbacken anmutende Begriff „Völkerverständigung“ muss dringlich und dauerhaft mit neuem Leben gefüllt werden und durch persönliche Begegnungen und Zusammenarbeit zu besserem gegenseitigen Verständnis führen, zu mehr gegenseitiger Wertschätzung und dem Abbau von Vorurteilen. Die wachsenden globalen Herausforderungen brauchen Menschen, die sich in kulturell unterschiedlich geprägten Räumen und Kontexten angemessen und sicher bewegen können. Das bieten AGIAMONDO Fachkräfte auch weit über ihren Dienst vor Ort hinaus.

Wie muss sich Personelle Zusammenarbeit verändern, um weiterhin nachgefragt zu bleiben?

Die Vermittlung von Nord nach Süd sollte aus den oben genannten Gründen weiter bestehen bleiben, aber dringend ergänzt werden durch vom BMZ anerkannte und geförderte Süd-Nord-Vermittlungen. Denn auch im globalen Norden gibt es den Bedarf, anstehende gesellschaftliche Veränderungsprozesse aus der interkulturellen Perspektive zu begleiten. Sowohl die Nachhaltigkeitsziele der UN als auch die Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus betonen zu Recht, dass wir soziale und ökologische Probleme nur als vernetzt agierende Weltgemeinschaft lösen können. Zum Glück haben nur noch wenige Menschen die Vorstellung, dass Europäer im globalen Süden Entwicklungsprozesse anstoßen, zu denen wir hier im Globalen Norden selbst nicht in der Lage sind. Es ist also eine Frage von Glaubwürdigkeit, nicht nur den globalen Süden bei notwendigen Transformationen zu unterstützen, sondern dies auch der eigenen Gesellschaft mit dem Instrument Personeller Zusammenarbeit zu ermöglichen. In vielerlei Hinsicht ist dies die Bedingung dafür, viele weitere politische Initiativen zur globalen Gestaltung des sozial-ökologischen Wandels besser umsetzen zu können. AGIAMONDO wirkt daran prominent und mit unglaublich viel Erfahrung mit.

Das Interview führte Katharina Engels

22. 08. 2024