Synergie ist unsere Stärke

Christoph Seelbach

Qualitätsentwicklung und politische Interessenvertretung spielen im Tätigkeitsfeld der FID eine immer größere Rolle. Gemeinsam mit den Trägern die Qualität internationaler Freiwilligendienste sicherzustellen, zählt zu den Hauptaufgaben der Fachstelle internationale Freiwilligendienste (FID). Was diese Arbeit ausmacht, wie sich das Tätigkeitfeld entwickelt hat und was für die Zukunft wichtig ist, berichten die Leiterin der FID, Barbara Kerime, und ihre Kolleginnen Vanessa Krüger und Agnes Fröhlich im Interview.

Was zeichnet die Qualität eines Freiwilligendienstes aus?

Barbara Kerime: Wenn ein junger Mensch für einen freiwilligen Lerndienst ins Ausland geht oder aus dem Ausland zu uns nach Deutschland kommt, bringt dies Verantwortung mit sich – für die Freiwilligen selbst, aber auch für die Träger und deren Partnerstrukturen. Sie alle müssen sich darüber bewusst sein, welche Schritte zu gehen sind, damit der Dienst eine bereichernde Zeit wird. Hierfür braucht es Rahmenbedingungen, die gewährleisten, dass die Freiwilligen gut vorbereitet und begleitet werden und dass sie wissen, wohin sie sich in Krisensituationen wenden können. Auch müssen sie sozial abgesichert sein. Von den entsendenden Trägern und ihren Partnern erfordert das eine gute Zusammenarbeit sowie umfangreiche Leistungen und Kenntnisse – zur pädagogischen Begleitung, zu Reise- und Sicherheitsfragen und, seitdem es die Förderprogramme gibt, auch immer mehr buchhalterisches Wissen. All diese Voraussetzungen machen ein gutes Angebot aus. Um die Träger dabei zu unterstützen, ist die FID seit 30 Jahren aktiv.

Inwieweit haben Förderprogramme wie „weltwärts“ oder „IJFD“ die Qualität der Freiwilligendienste verändert?

Barbara Kerime: Schon bevor 2008 „weltwärts“ und 2011 der IJFD eingeführt worden sind, haben die Träger Qualitätskriterien entwickelt und gelebt. Im ehemaligen FID-Trägerkreis haben die Träger der freiwilligen internationalen Dienste gemeinsam überlegt, was inhaltlich, strukturell und im Dialog mit den Partnern für einen qualitativ guten Freiwilligendienst wichtig ist. Durch die Förderprogramme haben diese Kriterien einen staatlichen Rahmen bekommen, an dem sich nun alle beteiligten Akteure orientieren müssen, und der gewisse Regeln vorgibt. Das hat Freiheiten geschmälert, aber auch Vorteile gebracht. Absprachen zu einem gemeinsamen Partnerverständnis etwa – also mit welchem Ziel die Freiwilligen in den Dienst kommen – können im Rahmen von Partnerkonferenzen verbindlicher ausgehandelt werden. Natürlich hat man sich hierüber vorher auch verständigt, oft aber nur über Mail oder Telefon.

Agnes Fröhlich: Und es wurden mehr Gelder bereitgestellt. Vorher mussten die Freiwilligen für die meisten Kosten selbst aufkommen, das hat vielen den Dienst schon im Voraus unmöglich gemacht. Jetzt kann sich eigentlich jede und jeder einen Freiwilligendienst leisten. 

Vanessa Krüger: Neben den genannten formalen und finanziellen Veränderungen hat aber auch ein inhaltlicher Wandel stattgefunden. Seitdem es mehr öffentliche Förderung für Freiwilligendienste gibt, hat sich die Trägerlandschaft stark verändert. Gleichzeitig treten in letzter Zeit kommerzielle Anbieter für Kurzzeitdienste zunehmend prominent auf. Nicht bei allen stehen Lernen, Begegnung und Gemeinnützigkeit im Vordergrund, sondern andere Dinge, wie etwa der individuelle Lebenslauf oder das Abenteuer Ausland. Die Qualität des FIJ, des Freiwilligen Internationalen Jahres, das unsere Träger als gemeinnützige, staatlich anerkannte Organisationen anbieten, ist es aber gerade, sich für eine längere Zeit zu verpflichten und einen gemeinnützigen Dienst zu leisten.

Christoph Seelbach
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Worum geht es der FID und den Trägern bei ihren Angeboten zum FIJ?

Barbara Kerime: Beim Freiwilligen Internationalen Jahr (FIJ) geht es darum, dass die jungen Leute in ein anderes Umfeld aufbrechen, in gemeinnützigen internationalen Strukturen leben, Selbständigkeit lernen und solidarisch Verantwortung für sich und andere übernehmen. Dieser Prozess des „Globalen Lernens“ passiert nicht in ein paar Wochen. Das braucht Zeit, Engagement und kann auch mal beschwerlich sein, weil man sich dafür in das Projektumfeld einbringen muss. Auch dauert es erfahrungsgemäß einige Monate, bis die Freiwilligen vor Ort richtig angekommen sind, die Strukturen kennen, die Sprache sprechen, so dass ihre Partnerorganisation auch von ihnen profitiert.

Vanessa Krüger: Wenn man die Erfahrung macht, trotz neuer Situation und ungewohnter Umgebung dranzubleiben, weiterzumachen, andere zu unterstützen und selbst Unterstützung zu erfahren, ist das nach unserer Ansicht ein Gewinn, der sehr viel zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen kann. Hierfür braucht es eine gute Begleitung durch die Träger. Nicht nur während des Dienstes selbst, sondern auch davor und danach. Gerade die Reflexion bei den Rückkehrtreffen finde ich unheimlich wichtig, wenn man sich fragt: Nach einem Jahr Freiwilligendienst – wohin will ich jetzt damit? Für mich hat das sehr viel mit Qualität zu tun, dass man die jungen Leute nicht einfach rausreißt aus ihrer gewohnten Umgebung und für ein paar Wochen in ein anderes Land schickt, sondern dass Partnerstrukturen dahinter stehen, Träger, Begleitung, Fortbildungen, die dem Ganzen einen sinnvollen und runden Rahmen geben.

Was tut die FID, um die Werte des FIJ weiterhin zu garantieren?

Barbara Kerime: Theoretische Überlegungen und praktische Erfahrung müssen auch im Bereich des Freiwilligendienstes immer wieder zusammengebracht werden. Hier agiert die FID als Vermittlerin. Im Rahmen der Förderprogramme stehen wir gemeinsam mit Trägern und anderen Verbünden in kontinuierlichem Austausch mit den Ministerien und setzen uns im Sinne eines gemeinnützigen Lerndienstes für die Interessen der Träger und die Qualitätsentwicklung der Freiwilligendienste ein. Gerade zu Beginn von „weltwärts“ gab es viele neue Auflagen, die Interessenkonflikte bei den Trägern ausgelöst haben, weil sie in der Praxis schwer umzusetzen waren oder Schwerpunkte durch sie verschoben wurden. Um dem eigenen Profil vom Freiwilligen Internationalen Jahr im engen Dialog mit den Trägern und Partnern eine Stimme zu geben, ist politische Interessenvertretung als Tätigkeitsfeld für die FID in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden.

 

Wissenswert

weltwärts wurde 2008 als Förderprogramm für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ins Leben gerufen. Im Rahmen des von zivilgesellschaftlichen Organisationen umgesetzten Programms können junge Menschen sowie Freiwillige aus dem Süden für einen Dienst nach Deutschland kommen. Im Qualitätsverbund FID, der von „weltwärts“ als Qualitätsnetzwerk anerkannt ist, begleitet die FID derzeit mehr als 60 Trägerorganisationen bei der Qualitätsarbeit und Weiterentwicklung ihrer Freiwilligendienste.

Das Programm Internationaler Jugendfreiwilligendienst (IJFD) besteht seit 2011 und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Auch hier werden junge Menschen angesprochen, die über eine anerkannte Trägerorganisationen einen Freiwilligendienst im Ausland leisten möchten. Entsendungen finden weltweit statt. Im Qualitätszusammenschluss „Zentrale Stelle IJFD“ arbeitet die FID mit rund 15 Trägerorganisationen zusammen.

Über beide Netzwerke ermöglicht die FID den Mitgliedern inhaltliche Beratung, Fortbildungsangebote und Netzwerktreffen, um gemeinsam die Qualität ihrer Angebote sicherzustellen und weiterzuentwickeln.

Welche Instrumente hat die FID für die Qualitätsentwicklung und politische Interessenvertretung und was macht diese aus?

Vanessa Krüger: Zwei wesentliche Strukturen für die Qualitätsentwicklung und den Informationsaustausch sind der Qualitätsverbund FID und die Zentrale Stelle IJFD. Beides sind Netzwerke, zu denen sich Träger zusammengeschlossen haben, um die Qualität ihrer Freiwilligendienste weiterzuentwickeln und zu verbessern. Die FID koordiniert und organisiert das Ganze. Und die Mitgliedschaft ist für die Träger auch eine Bedingung der Förderprogramme.

Barbara Kerime: Wir bieten Fortbildungen an zu Themen, die den Trägern aus ihrem Arbeitsalltag wichtig sind. Wir beraten aber auch zu Qualitätsfragen, etwa wenn ein Träger wissen möchte, was er für einen Süd-Nord-Austausch alles beachten muss oder wie er seine Freiwilligen im Ausland versichern kann. Außerdem sind wir ein Teil des größeren Zusammenschlusses, des katholischen Verbundes internationaler Freiwilligendienste. So finden regelmäßig Vernetzungstreffen statt, bei denen sich die Träger austauschen und gemeinsame Anliegen erarbeiten. Diese Anliegen werden im Sprecher*innenkreis des katholischen Verbunds weiter bearbeitet und dann gegenüber den Ministerien eingebracht.

Agnes Fröhlich: Das Tolle an dem Angebot der FID ist, dass neben der inhaltlichen Arbeit und der Interessenvertretung viele weitere Bereiche stehen, die die Träger für ihre Entsendungen nutzen können. Das Seminarangebot zur Freiwilligenbegleitung zum Beispiel, das Notfallmanagement für Krisenfälle oder das Versicherungspaket der DR-Walter GmbH. Bei der FID wirkt Vieles zusammen – Know-how, Erfahrung, Expert*innen, Träger, Netzwerke. Alle fördern sich gegenseitig. Diese Synergie empfinde ich als eine besondere Stärke.

Christoph Seelbach
FIJ
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Wissenswert

Der katholische Verbund Internationale Freiwilligendienste ist ein Zusammenschluss von Akteuren, die sich im Bereich der internationalen Freiwilligendienste engagieren. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Kirche, Staat und Gesellschaft, und fördert die Qualitätsentwicklung der Trägerorganisationen. Als koordinierende Stelle der trägerbasierten Qualitätszusammenschlüsse „Qualitätsverbund FID“ und „Zentrale Stelle IJFD“ kommt  AGIAMONDO/FID eine besondere Verantwortung als begleitender und gestaltender Akteur für die Qualitätssicherung der Freiwilligendienste und die politische Interessenvertretung ihrer Träger zu. Aus dieser Verantwortung erfolgt ein fester Sitz im Sprecher*innenkreis des katholischen Verbunds. Dort werden Informationen gebündelt und im Interesse der angeschlossenen Mitglieder gegenüber Entscheidungsträger*innen kommuniziert und vertreten.

Welche Aspekte werden für die Qualitätsarbeit der FID in Zukunft wichtiger werden?

Barbara Kerime: Ganz im Verständnis des Subsidiaritätsprinzips passen wir unser Angebot fortwährend an. Bisher war es so, dass wir unser Beratungs- und Seminarangebot eng mit den Bedarfen der Träger abgestimmt haben, geschaut haben, was bieten sie selbst an und was wird noch gebraucht. Aber gerade in der Freiwilligenbegleitung zeigt sich, dass die Träger Seminare mehr und mehr selbst übernehmen. Fortbildungen gemeinsam mit Partnerstrukturen hingegen, zum Beispiel zu Querschnittsthemen wie dem Umgang mit sexualisierter Gewalt, Präventionsarbeit oder Safeguarding und Sicherheit werden stärker nachgefragt. Diesen Bereich werden wir in Zukunft ausbauen.

Vanessa Krüger: Die Nutzung digitaler Kanäle in der Beratung und Vernetzung wird weiter zunehmen. Erste Trägerfortbildungen zu digitaler Seminararbeit haben wir in der Corona-Pandemie schon gemacht. Aber auch inhaltlich verändern sich die Prioritäten. Die Mentalität der „Fridays for Future”-Bewegung hat deutlich in die Generation der Freiwilligen hineingewirkt. Viele suchen nach Aufgaben mit Bezug zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit, wollen nicht mehr fliegen oder zumindest ihren CO₂-Fußabdruck kompensieren. Auch die FID denkt den ökologischen Ausgleich als Qualitätskriterium mit – bei der Auswahl von Referent*innen aus dem Umweltbereich zum Beispiel, oder indem wir bei unseren Seminaren vegetarische Verpflegung bevorzugen. Dieser Trend ist da. Und gemeinsam mit den Trägern werden wir daran mitwirken, dass er bleibt.

Interview: Eva Helm

09.09.2021

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 2/2021. Die PDF-Version des Artikels finden Sie hier zum Download.