Welche Maßnahmen in El Salvador trafen Sie persönlich besonders?
Das erste, was sich für meine Familie und mich durch Corona grundlegend veränderte, war die Schließung der Schulen und Kitas, die der salvadorianische Präsident Nayib Bukele am 11. März in einer Ansprache an das Volk mit sofortiger Wirkung anordnete. Das löste bei meinem Mann und mir Gedanken an die nahe bevorstehende Geburt unseres dritten Kindes aus, die nun ohne die vertraute Betreuungshilfe für unser drei- und sechsjähriges Kind zu organisieren war. Nachdem am 18. März die letzten Parks und Grünflächen geschlossen und am 21. März eine strenge Ausgangssperre verhängt wurden, fiel uns die Aufgabe zu, die Kinderbetreuung in den eigenen vier Wänden täglich neu kreativ zu lösen. Belastend waren für uns die wöchentlichen Einkaufswege, die oft an Militärpatrouillen vorbei und durch rigide Polizeikontrollen führten. Am 3. April kam unser Baby in San Salvador während der Ausgangssperre auf die Welt. Gott sei Dank ging alles gut.
Wie wirkten sich die Einschränkungen auf die gesellschaftliche Situation aus?
Wer in El Salvador gegen die strikten Regeln verstieß, konnte schnell verhaftet und für 30 Tage oder länger in eines der berüchtigten Quarantäne-Lager verwiesen werden. Diese entpuppten sich aufgrund mangelnder hygienischer Bedingungen in vielen Fällen als Ansteckungsherde. Die Regierung setzte vor allem Waffen ein, um die Einhaltung der Anordnungen zu erzwingen, statt mit medizinischer Expertise sowie professioneller Beratung gegen das Virus vorzugehen. Das verängstigte die Menschen eher. Für die meisten war das Zuhause bleiben leichter gesagt als getan. Besonders die im informellen Sektor tätigen Menschen hatten plötzlich keinen Verdienst mehr. Viele Frauen und Kinder, die unter häuslicher Gewalt leiden, waren nun mit ihrem Aggressor eingesperrt. Häufig war die Wasserversorgung nicht gesichert, wodurch die notwendigen Hygienemaßnahmen nicht umgesetzt werden konnten. Angesichts dieser bedrohlichen Lebensrealitäten waren die von der Regierung veranlassten punktuellen Geldzahlungen und die Lebensmittelverteilung ein Tropfen auf den heißen Stein – ein Tropfen, der rasch verdunstete und das Land auf lange Zeit noch höher verschuldete.
Rückblickend kann gesagt werden, dass die harten Maßnahmen der Regierung einen massiven Ausbruch der Pandemie nicht verhindern konnten. So stehen seit Anfang Juli Krankenhäuser vor dem Kollaps und besonders Ärzte, Ärztinnen und Pflegepersonal zählen zu den Todesopfern.