Rausgehen und Lernen – Meilensteine und Herausforderungen aus 30 Jahren FID

AGIAMONDO-Geschäftsführerin Dr. Claudia Lücking-Michel

Raus in die Welt gehen und als Freiwillige wertvolle Erfahrungen im Ausland sammeln – dabei unterstützt die Fachstelle Internationale Freiwilligendienste von AGIAMONDO, kurz FID. In diesen Tagen feiert sie ihr 30-jähriges Bestehen. Gegründet wurde sie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz und von Justitia et Pax, um Träger von internationalen Freiwilligendiensten beim Aus- und Aufbau ihrer Dienste zu unterstützen. FID selbst vermittelt keine Freiwilligen, sondern berät die Entsende- und Aufnahmeorganisationen, damit jungen Menschen gut vorbereitet und abgesichert ihren Freiwilligendienst antreten können. Im Interview spricht AGIAMONDO-Geschäftsführerin Dr. Claudia Lücking-Michel über erreichte Meilensteine und künftige Herausforderungen.

Frau Dr. Lücking-Michel, 30 Jahre FID sind ein stolzer Zeitraum. Wie haben sich die Arbeit und die Schwerpunkte der Fachstelle seit ihrer Gründung entwickelt?

Vor 30 Jahren waren schon zahlreiche junge Leute als Freiwillige in der ganzen Welt unterwegs und es gab auch schon recht viele Träger. Dennoch haben wir Pionierarbeit geleistet. Im Mittelpunkt standen zu Beginn die Vorbereitung und Begleitung von Freiwilligen, ein Angebot zu deren sozialer Absicherung und das Notfallmanagement.

Über die Jahre haben sich die Schwerpunkte etwas verschoben und neue Aufgaben sind hinzugekommen. Vor allem das Thema Qualitätsentwicklung bekam mit der Etablierung der staatlichen Förderprogramme ab 2008 eine neue Dynamik. Die politische Interessenvertretung für Träger in enger Kooperation mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) gewann mit der Einführung des weltwärts-Programms 2008 sowie mit dem Programm Internationaler Jugendfreiwilligendienst (IJFD) immer mehr an Bedeutung. Dadurch eröffneten sich auch neue Wege des Austauschs.

Als zivilgesellschaftlicher Akteur und Vertreter der Träger haben wir uns dafür eingesetzt, dass das weltwärts-Programm um eine Süd-Nord-Komponente erweitert und so ganzheitlicher gestaltet wird. Seit zehn Jahren können nun auch ausländische Freiwillige über das Programm nach Deutschland entsendet und von Aufnahmeorganisationen begleitet werden.

Grundsätzlich hat die FID in all den Jahren immer ein gutes Gespür für die Bedarfe der Träger gehabt. Impulse aufgreifen, Eigenverantwortung fördern und die Träger dort zu unterstützen, wo es notwendig ist, ist unsere Herangehensweise. Es geht immer darum, zu schauen, was brauchen die Organisationen, die Freiwillige entsenden und aufnehmen, um gute Angebote bereitzustellen.

Was konkret kann denn jungen Menschen im Freiwilligendienst eine positive Lernerfahrung ermöglichen?

Es geht uns ja darum, die Trägerorganisationen so zu unterstützen, dass sie ihre Freiwilligenarbeit entsprechend gestalten können. Dafür setzt die FID unter anderem stark auf Vernetzung und Austausch. Wir bieten viele Möglichkeiten, bei denen sich Akteure begegnen, die im Bereich Freiwilligendienst involviert sind. Und dann gibt es regelmäßige Trägerfortbildungen, Begleitseminare für Freiwillige und Partnerworkshops mit viel Raum für Informationsaustausch und Weiterbildung. Darüber hinaus berät die FID über den Qualitätsverbund Träger zu Qualitätsfragen, vernetzt sie auf gemeinsamen Konferenzen und vertritt ihre Interessen gegenüber Entscheidungsträgern. Mit Einführung des IJFD-Förderprogramms fungiert die FID auch für die im IJFD zusammengeschlossenen Träger als zentrale Ansprechstelle. Und last but not least gibt es ein Rundumpaket zur sozialen Absicherung von Freiwilligen sowie Unterstützung im Krisenfall, übrigens vom ersten Tag der FID-Gründung an.

Was muss sich ändern, damit noch mehr junge Menschen in den Freiwilligendienst gehen?

Freiwilligendienste haben eine enorme Wirkung, aber sie brauchen mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Derzeit gibt es zwei Kampagnen, um die Freiwilligenzahlen zu erhöhen: Die Einführung der Marke „Freiwilliges Internationales Jahr“ (FIJ), an der die FID als Mitglied des Katholischen Verbunds Internationale Freiwilligendienste mit anderen Dachverbänden mitwirkte, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Sie schafft für alle Träger einen gemeinsamen Qualitätscharakter. Und vor einigen Wochen startete auch die Öffentlichkeitskampagne der Koordinierungsstelle weltwärts.

Für junge Menschen ist es wichtig, im Vorfeld entscheiden zu können, möchte ich einen sozialen Dienst im Ausland machen oder doch lieber Work and Travel in Australien. Dafür müssen wir die Vorteile und Auswirkungen eines solidarischen Lerndienstes deutlicher machen. Das FIJ steht für einen Dienst mit intensiver fachlicher Begleitung und für eine Kooperation auf Augenhöhe mit meist langjährigen Partnern. Die Freiwilligen müssen nichts bezahlen, aber verdienen auch nichts. Dafür ermöglicht das FIJ den jungen Menschen solidarisches Mitleben und auch kritische Reflexion von gesellschaftspolitischen Strukturen und Entwicklungen und der eigenen Rolle darin. Das ist weit mehr als touristisches Lernen.

Was sollte die Politik tun, um Ihre Arbeit zu unterstützen?

Wir haben viele aktuelle Herausforderungen zu meistern. Themen wie Corona und das Weltklima beeinträchtigen auch unsere Arbeit. Umso schöner ist es, dass trotz der Pandemie viele junge Menschen weiterhin Interesse an einem internationalen Freiwilligendienst bekunden.

Die Bundesregierung ebenso wie die katholische Kirche sollten diese Motivation weiter fördern und einen Freiwilligendienst als wichtigen Aspekt informeller Bildung anerkennen. Dazu gehört auch die finanzielle Ausstattung. Ganz konkret sollte sie mehr Mittel für die Süd-Nord-Komponente – sprich Incoming-Freiwillige – bereitstellen und weitere Formate fördern. Darüber hinaus könnte die Partnerarbeit gestärkt werden.

Wir brauchen jetzt Geld, das Strukturen erhält. Auch weniger Verwaltungsaufwand wäre wünschenswert. Denn wir arbeiten im Dienst unserer Kunden und wollen auch künftig noch schneller und besser unser Know-how zur Verfügung stellen. Unsere Qualitätsansprüche werden gewiss nicht geringer werden. Am Ende macht es uns besonders stolz, wenn Freiwillige sagen: Dieses Jahr war entscheidend in meinem Leben, es hat vieles verändert. 

Interview: Carola Battistini-Goldmund

28.09.2021