Brücken bauen und Horizont erweitern

Die Gruppe aus Moratuwa reiste in den ihnen unbekannten Norden von Sri Lanka. Hier stehen sie vor dem Heiligtum "Unserer Lieben Frau von Madhu", einem römisch-katholischen Wallfahrtsort im Mannar Distrikt.

In Sri Lanka lernten sich singhalesische und tamilische Teilnehmer*innen bei einem Treffen besser kennen und bauten dabei Vorurteile ab. Organisiert und begleitet wurde die Aktion von zwei AGIAMONDO-Partnerorganisationen im ZFD.

 

Seit Ende des Bürgerkrieges 2009 bemühen sich die wechselnden Regierungen in Sri Lanka in unterschiedlicher Weise, einen Versöhnungsprozess zu fördern, um interreligiöse und interethnische Bruchlininen im Land zu überwinden und mit der gewaltvollen Vergangenheit und deren Ursachen gemeinsam umzugehen.

Centre for Society and Religion bringt unterschiedliche Gruppen ins Gespräch

Begegnungen und Austausch zwischen Angehörigen verschiedener Religionen und unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen können gegenseitiges Verständnis und Versöhnung fördern. Diese Auffassung teilt die NGO Centre for Society and Religion (CSR). Mit ihrer Arbeit möchte sie den  gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Benachteiligte Bevölkerungsgruppen werden angeregt, sich aktiver ins gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben einzubringen.  ZFD-Fachkraft Matthias Eder, der Sozialwissenschaftler ist, arbeitet im CSR als Trainer für Konflikttransformation, interreligiösen Dialog und Empowermentprozesse.

Die singhalesischen Frauen aus der Stadt Moratuwa, die in der Nähe der Hauptstadt Colombo an der Westküste liegt, haben Geschenke mitgebracht.
Treffen draußen unter freiem Himmel am Abend
Der Abschied, wie hier zwischen den jugen Frauen, war herzlich. Und vielleicht entstehen aus dem Treffen Freundschaften.
In den frühen Morgenstunden gingen die Fahrten oft los. Es waren lange Tage für die Besucher*innen und ihre Gastgeber*innen.
"Milk Hoppers" sind eine traditionelle Speise zum Frühstück im Norden Sri Lankas. Sie wurde von den Besucherinnen aus Moratuwa zunächst mit Skepsis betrachtet, später aber sehr gerne gegessen.
Gruppenbild der Teilnehmerinnen mit Vertreter*innen von Caritas Valvuthyam
Die Kluft zwischen Tamilen im Norden Sri Lankas, wo Mannar liegt, und der singhalesisch geprägten Bevölkerung im Süden ist auch nach dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2009 noch sehr stark. Sich zu begegnen und kennenzulernen, machte Spaß, trotz der verschiedenen Sprachen.
Bei der AGIAMONDO-Partnerorganisation Centre for Society and Religion in Colombo/Sri Lanka ist Jayani Fernando (links) die Fachfrau für PME, Planning, Monitoring, Evaluation. Außerdem ist sie Kollegin von ZFD-Fachkraft Matthias Eder.

Erste Reise von Frauen und Kindern in den tamilischen Norden

Zusammen mit Caritas Valvuthayam organisierte CSR einen Begegnungstag für Frauen und Kinder aus singghalesischen und tamilischen Gemeinschaften. 60 Frauen und Kindern aus Moratuwa und 250 Frauen und Kinder aus Mannar nahmen teil. Für die Gruppe aus Moratuwa war es die erste Reise in ein tamilischsprachiges Gebiet im nördlichen Teil des Landes. Die Teilnehmerinnen, die aus einer armen städtischen Gemeinschaft stammten, konnten durch den Besuch eine neue Kultur kennenlernen und eine neue Perspektive gewinnen. Der Begegnungstag sollte eine intensive Erkundung der lokalen Kultur und Traditionen ermöglichen und das unbekannte „Andere“ im srilankischen Kontext entmystifizieren. Denn tatsächlich ist die Kluft zwischen Tamilen im Norden Sri Lankas und der singhalesisch geprägten Bevölkerung im Süden auch nach dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2009 noch sehr stark.

Während des Besuchs probierten die Teilnehmerinnen zum Teil zum ersten Mal verschiedene traditionelle Speisen der jeweils anderen ethnischen Gruppe. Die singhalesische Gemeinschaft isst zum Beispiel überwiegend Reis während die Tamilen andere Grundnahrungsmittel bevorzugen. Die anfängliche leichte Skepsis wandelte sich dank der großen Offenheit der Teilnehmerinnen in Neugier, Aufgeschlossenheit und Wertschätzung.

Das Überleben der Familien zu sichern, war oft sehr ähnlich

Die Gruppen berichteten über ihre Lebenserfahrungen während und nach dem Krieg. Sie sprachen darüber, wie sie ihr Leben mit Hilfe von Caritas Valvuthayam neu organisierten konnten. Caritas sorgte für sauberes Wasser, medizinische Versorgung, Lebensmittel und sanitäre Einrichtungen. Mittels der psychosozialen Unterstützung und Schulungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Caritas, konnten die Menschen sich neue Ziele setzen und ein erfüllteres Leben führen.

Wir haben erkannt, dass es ihnen genauso geht wie uns. Ihre Probleme sind ähnlich, wenn nicht noch schlimmer wegen des Krieges. Sie sorgen sich um dieselben Dinge wie wir. Sie beten anders, aber wir beten für dieselben Dinge.

Christliche Teilnehmerin aus Moratuwa

Die Geschichten über den Verlust von Familienmitgliedern und geliebten Menschen, die verschwunden oder gestorben sind, waren für alle sehr bewegend. Die Frauen und Kinder aus Moratuwa nahmen Anteil an den Erfahrungen der Teilnehmerinnen aus Mannar und berichteten davon, wie sie sich um das Überleben im Krieg bemühten. Dazu gehörte, als Ernährerinnen das Leben in einer städtischen Umgebung zu sichern, der Umgang mit drogenabhängigen oder alkoholkranken Ehemännern und der Schutz ihrer Kinder vor Drogen, Sucht und frühen Ehen. Beide Gruppen entdeckten eine Gemeinsamkeit: Viele Frauen führen die Familien. Die Frauen aus Moratuwa stellten jedoch fest, dass die Frauen aus Mannar während und nach dem Krieg weitaus härteren Bedingungen ausgesetzt waren. Sie unterstützten und trösteten sich gegenseitig und fanden Kraft in ihrer gemeinsamen Widerstandsfähigkeit.

Sprachbarriere ist kein Hindernis beim Spiel der Kinder

Die Kinder freuten sich über die gemeinschaftlichen Aktivitäten, Spiele, Lieder, Tänze und dem Austausch von Geschenken. Trotz der Sprachbarriere gelang es ihnen, sich zu verständigen, sich gegenseitig zu respektieren und kulturelle Unterschiede, Traditionen und Werte zu schätzen. Diese Interaktion förderte den interkulturellen Dialog und sie lernten Toleranz, Offenheit und die Fähigkeit, mit Unterschieden umzugehen.

Einladung zum Gegenbesuch

Zusammen besuchten die Teilnehmerinnen historische, kulturelle und ethnische Stätten. Für viele war es eine neue Erfahrung, traditionelle Kleidung zu tragen, um Tempel zu betreten, Anbetungsmethoden zu beobachten und etwas über die Rituale zu lernen. Sie entdeckten Gemeinsamkeiten, sprachen Missverständnisse an und legten Differenzen bei. Das Treffen gab beiden Gruppen einen Raum, in dem sie interagieren, zusammenarbeiten und ihre Unterschiede anerkennen konnten.  Es förderte auch das interkulturelle Verständnis und motivierte für die Arbeit an einer nachhaltigen, friedlichen Gesellschaft. Die Frauen und Kinder aus Moratuwa haben ihre Gastgeberinnen aus dem Norden herzlich zu einem Besuch in ihre Häuser eingeladen.

Dezember 2024

Text:  Dilini Perera und Matthias Eder