Partnerschaft auf dem Stachelschweinhügel

Sr. Celestine Amongin, Regionaloberin der Little Sisters of Sanct Francis in Ostuganda, Markus Leineweber, Hausoberer und Vorsitzender des Direktoriums des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier, und Generaloberer Peter Berg, Regionalleiter für die Gesundheitseinrichtungen der Barmherzige Brüder Trier gGmbH, bei einem Fest in Ococia (von rechts).

Mit dem Programm "Dialog und lebendige Partnerschaft" (DLP) können auch weniger finanzstarke Organisationen ein Fachkraftengagement über Bundesmittel kofinanzieren. Mit Hilfe von AGIAMONDO gelang es dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier, so die Verbindung mit dem Health Center in Ococia im Osten Ugandas zu stabilisieren.

AGIAMONDO-Fachkraft Alfred Pfeifer ist im besten Sinne ein Mann für alle Fälle.  Der Münchner war einmal Karosserie- und Fahrzeugbauer, schulte auf Krankenpfleger um und arbeitet seit 1989 für unterschiedliche Hilfsorganisationen in Afrika. Seit 2004 ist er in Ococia (das ist Ateso für "Stachelschweinhügel"), einem Dorf in Ostuganda tätig. Zuerst half er im Auftrag der Organisation Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte e. V., das von Truppen der Lord Resistance Army (LRA) zerstörte Gesundheitszentrum neu aufzubauen. Seit 2017 ist Alfred Pfeifer der Repräsentant des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier und Motor ihrer Partnerschaft mit den ugandischen Franziskanerinnen. Die Schwestern leiten auf dem "Stachelschweinhügel" das St. Clare Orungo Health Center sowie ein Schulzentrum für 1.200 Kinder. Im Moment organisiert Alfred Pfeifer die Renovierung von baufälligen Gebäuden des Zentrums.

Das Programm "Dialog und lebendige Partnerschaft" hat eine Ermöglicherfunktion. Es ermöglicht es kleineren Organisationen, eine Fachkraft zu finanzieren. Was eben sonst nicht passieren könnte.

Carsten Klink, Personalreferent AGIAMONDO

Zufälliges Treffen begründet die Partnerschaft

Alfred Pfeifer ist Koordinator, Bauleiter, Pfleger, Betreuer, Fundraiser, Finanzverwalter und Netzwerker in Personalunion. Ein Glücksfall für den Theologen Markus Leineweber, der ihn per Zufall während einer Reise in Kampala kennenlernte. Markus Leineweber ist Hausoberer und Direktoriumsvorsitzender des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier. Alfred Pfeifer nahm ihn spontan in das Gesundheitszentrum in Ococia mit und Leineweber zeigte sich beeindruckt. Das Treffen bereitete die Basis für eine Partnerschaft zwischen dem Brüderkrankenhaus in Deutschland und dem Health Center in Uganda.

AGIAMONDO-Fachkraft Alfred Pfeifer arbeitet mit zwei Schülerinnen im Internat für Kinder mit Lernbehinderung.
Medikamentenlager des Health Centers in Ococia. Diese Zentren sind wichtige Elemente der Gesundheitsversorgung in Uganda, die jedoch ohne ständige ärztliche Betreuung auskommen müssen.
AGIAMONDO-Fachkraft Alfred Pfeifer im Gespräch mit Sr. Celestine, Regionaloberin der Little Sisters of Sanct Francis in Ostuganda.
Bei der Eröffnungsfeier des Internats freuen sich die Kinder über ein Fahrrad.
Sr. Celestine leitet das St. Clare Orungo Health Center in Ococia. Die Franziskanerinnen betreiben außerdem eine Schule, eine HIV-Klinik und ein Internat für Kinder mit Behinderung.
Markus Leineweber, Vorsitzender des Direktoriums des Krankenhauses in Trier, Robert Odongo, Compound Worker, und Peter Berg, Regionalleiter für die Gesundheitseinrichtungen der Barmherzige Brüder Trier gGmbH (von rechts).

Blick für die Not in der Welt behalten

Als Hausoberer gehört es zu Leinewebers Aufgaben, das Profil des Brüderkrankenhauses zu schärfen und dafür zu sorgen, dass neben der Wirtschaftlichkeit auch christliche Werte und Ethik im Klinikalltag eine Rolle spielen können. "Wir müssen uns hier in Trier großen Herausforderungen widmen", sagt er. "Aber für mich als Christ ist es auch immer eine Aufgabe, den Blick für die Not in der Welt offen zu halten." Aus dieser sozialen Verantwortung heraus gründete die Klinik auf Leinewebers Initiative hin 2011 fraternitas international e. V., einen Verein zur Förderung internationaler Partnerschaften im Gesundheits- und Sozialwesen. So konnte die Klinik Partnerschaften mit Gesundheitseinrichtungen in Bolivien und Uganda beginnen und Spenden für diese Arbeit akquirieren. "Mir ist es wichtig, eine Partnerschaft auf Augenhöhe hinzubekommen und nicht so aufzutreten, als ob wir alles besser wüssten", betont Markus Leineweber. "Wir können dort viel lernen. Etwa, wie man mit knappen Ressourcen, Ärztemangel oder für uns ungewöhnlichen Krankheitsbildern umgeht." 

In beiden Welten zu Hause

In Uganda hat das Brüderkrankenhaus eine „Dreiecksbeziehung“ aufgebaut, erklärt Leineweber. Hier arbeitet man mit dem Bistum Soroti zusammen, der Bischof ist Dienstgeber von Fachkraft Alfred Pfeifer. In erster Linie ist man aber mit den Franziskanerinnen verbunden, die in Ococia ein Gesundheitszentrum mit 88 Betten, eine HIV-Klinik, eine Schule für 1.200 Kinder und ein kleines Internat für Kinder mit Lernbehinderung betreiben.

Das ist wirklich Gold wert, dass es jemanden vor Ort gibt, der weiß, worauf es ankommt. Der Dinge organisiert, für die man verlässlich sagen kann: Ok, die Hilfe kommt an und wird umgesetzt.

Markus Leineweber, Hausoberer und Vorsitzender des Direktoriums des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier

Multitalent Pfeifer ist als Fachkraft der Verbindungsmann vor Ort. "Das ist ein großer Vorteil für uns, denn er kennt beide Welten", sagt Markus Leineweber. "Er kennt unsere Strukturen und Zwänge, er kennt aber auch schon seit Jahren die Situation vor Ort und die Sprache." Auch Sr. Celestine Amongin schätzt die langjährige Zusammenarbeit mit der deutschen Fachkraft: "Unsere Partnerschaft mit den Barmherzigen Brüdern in Trier ist erfolgreich und fruchtbar", erzählt sie. "Unser Koordinator, Administrator und technischer Berater Alfred Pfeifer hat uns geholfen, zueinander zu finden – und unsere Arbeit mit den Barmherzigen Brüdern wird durch seine Anwesenheit gestärkt."

Beidseitiger Austausch von Freiwilligen

Alfred Pfeifer hat vor Ort verschiedene operative wie strategische Aufgaben: Dazu gehört auch der Kontakt zu Spender*innen in Deutschland – um beispielsweise ein Ultraschallgerät, regelmäßige Operationen von einem externen Augenarzt oder auch wichtige Baumaßnahmen finanzieren zu können. Er betreut auch deutsche Freiwillige, die dank der Partnerschaft nach Ococia kommen sowie Einheimische, die umgekehrt von Uganda aus nach Trier gehen. Darunter sind Mediziner*innen, Krankenschwestern und vor allem junge Erwachsene im Freiwilligen Sozialen Jahr, deren Austausch über SoFiA, die Stelle des Bistums Trier für den sozialen Friedensdienst im Ausland, organisiert wird.

Alfred Pfeifer ist aber auch für Bauprojekte zuständig, die er plant und ausführt. Besonders freut ihn der Aufbau eines Internats für 15 Kinder mit einer Lernbehinderung, das vor vier Jahren eröffnet wurde und das zu einem Schwerpunkt der Partnerschaft geworden ist. "Es bietet ähnliches an wie eine Schule für lernbehinderte Kinder in Deutschland. Wir haben dafür ein kleines Gebäude errichtet", berichtet er. "Es gibt hier nichts Vergleichbares, denn Kinder mit einer Lernbehinderung sind ein Tabuthema", so Pfeifer weiter. Regionaloberin Sr. Celestine beschreibt es so: "Sie werden sowohl von der Gesellschaft als auch von der Familie abgelehnt. Ihnen wird alles verweigert, was ein Kind braucht, einschließlich Bildung."

 

Wissenswert

Mit dem Programm "Dialog und lebendige Partnerschaft" (DLP) unterstützt AGIAMONDO kirchliche und andere nichtstaatliche Organisationen und Initiativen bei ihrer internationalen solidarischen und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Dazu gehören die Beratung zu Finanzierungs- und Programmfragen und die Vermittlung einer großzügigen Kofinanzierung. Auftraggeber werden bei der Vertragsgestaltung, bei Versicherungen und der sozialen Absicherung der Fachkraft und ihrer Familien entlastet. AGIAMONDO organisiert die Auswahl von Personal und bietet der ausgewählten Fachkraft eine individuelle Qualifizierung und Vorbereitung auf ihre Mitarbeit in dem Partnerprojekt. Die Begleitung der Fachkraft während ihrer Dienstzeit und nach der Rückkehr sind ebenfalls Bestandteil der Leistungen. Fachkraft und Auftraggeber werden bei Notfällen und Sicherheitskrisen unterstützt.

Die Evaluierung des DLP-Programms 2021 ergab, dass die Relevanz der Projekte des DLP grundsätzlich sehr hoch ist. Die Mitarbeit einer Fachkraft unterstützt die Verbesserung des Lebens der Zielgruppe vor Ort, z. B. durch die Einrichtung einer medizinischen Grundversorgung. Rund zwei Drittel der DLP-Projekte erreichen Wirkungen über die eigentlichen Ziele hinaus, weil Projekte erweitert werden, ein Bewusstsein für Querschnittsthemen entsteht oder weitere Bedarfe entwickelt werden.

 

Einer der Ansprechpartner für das DLP-Programm ist AGIAMONDO-Referent Carsten Klink: carsten.klink@agiamondo.org

Im Gesundheitszentrum in Ococia übernehmen gut ausgebildete Krankenschwestern und Hebammen pflegerische und ärztliche Aufgaben.
AGIAMONDO-Fachkraft Alfred Pfeifer renoviert mit Kollegen den Konvent für die Franziskanerinnen.
Im Health Center stehen 88 Betten bereit. Es ist üblich, dass Angehörige die Erkrankten betreuen und dort auch übernachten.
Bei der Eröffnung des Internats für Kinder mit einer Lernbehinderung wird die Heilige Messe gefeiert.
Kinder während der Eröffnungsfeier des Internats
Die Köchin des Internats (links) und die Freiwillige Kathrin Ringeisen befassen sich mit dem Geigenspiel. Die Freiwillige sang auch im einheimischen Chor mit.

Tabu Behinderung gebrochen

Anfangs sei die Schulinitiative, die von einer 77-jährigen holländischen Freiwilligen ausging, auf Unverständnis der Nachbarn gestoßen, aber "mittlerweile sind die Leute sehr offen, begrüßen es und sehen, dass es eine gute Sache ist", sagt Alfred Pfeifer. "Für mich ist es das Schönste, dass dieses Tabu hier gebrochen ist und man darüber redet, dass diese Kinder ein Recht haben, zur Schule zu gehen." Das Internat ist organisatorisch an die Primary School der Franziskanerinnen angeschlossen und wird von einer Ordensschwester geleitet. Nach einer langen Coronapause ist es seit einigen Wochen wieder geöffnet.

Durch die Barmherzigen Brüder hatten wir Freiwillige, die mit den Schwestern im Konvent wohnten. Das wenige Geld, das sie dafür beisteuerten, hat geholfen, die Schwestern zu versorgen – besonders vor und während des Covid-19-Lockdowns.

Regionaloberin Sr. Celestine Amongin

Koordinator Pfeifer ist im regelmäßigen Austausch mit den sechs Franziskanerinnen und dadurch ein wichtiger Motor der Partnerschaft. Seine Anstellung war aus arbeitsrechtlichen Gründen für die Brüderklinik schwierig, denn es ist nicht erlaubt, einen Angestellten dauerhaft an einem anderen Ort zu beschäftigen. Deshalb sorgte Markus Leineweber mit Hilfe von AGIAMONDO für einen Entwicklungshelfervertrag, den die Klinik mit maßgeblicher Unterstützung der Brüderstiftung Peter Friedhofen Schweiz und dem Verein fraternitas international allein finanzierte. "Es ist für uns eine große Hilfe, dass es mit AGIAMONDO eine Organisation gibt, deren Kerngeschäft es ist, solche Arbeitskräfte zu vermitteln und von der Versicherung bis hin zu Haftungsfragen alles zu organisieren", betont Markus Leineweber.

DLP ermöglicht die Mitarbeit von Fachkräften

Seit zwei Jahren läuft Alfred Pfeifers Engagement über das Programm "Dialog und lebendige Partnerschaft" (DLP). Das Brüderkrankenhaus erhält damit eine Bundesförderung über die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE) und Beratungsleistungen bei AGIAMONDO.

Wer in einem anderen Land mitgearbeitet hat, kommt verändert zurück. Das weitet den eigenen Horizont und ist für die Entwicklung der Persönlichkeit eine wichtige Erfahrung. Deshalb würde ich den gegenseitigen Austausch in Zukunft gerne stärker fördern.

Markus Leineweber, Hausoberer und Vorsitzender des Direktoriums des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Trier

"Das DLP-Programm ist für kleinere Organisationen eine Möglichkeit, an eine Bundesförderung für eine Fachkraft mit entwicklungspolitischem Auftrag zu kommen und so die Ziele der Partnerschaft etwas strukturierter anzugehen", erklärt Carsten Klink, Referent Personalvermittlung und Ansprechpartner für DLP-Fragen bei AGIAMONDO. "Kirchliche Krankenhäuser, die eine Partnerschaft aufbauen wollen oder sie schon haben, können wir zu dieser Möglichkeit beraten."

Regionaloberin Sr. Celestine Amongin, die auch selbst bereits in Trier zu Besuch war, kann eine solche Partnerschaft im kleinen Rahmen empfehlen: "Die Arbeit des Konvents wäre ohne die Barmherzigen Brüder nicht auf diesem Niveau", sagt sie. "Über die Jahre ist das gegenseitige Vertrauen gewachsen und ich glaube, es ist nicht leicht, es wieder zu brechen."

15.04.2022

Text: Carmen Molitor