Brasilianische Exporte verschärfen Landkonflikte

Fachkraft Maria Oberhofer und José Moacir dos Santos schildern wie IRPAA bei der an das Klima angepassten Landwirtschaft unterstützt und gegen Landenteignung kämpft.

Auf einer Veranstaltung für AGIAMONDO-Mitarbeiter*innen am 12. September stand Brasilien im Mittelpunkt. Fachkraft Maria Oberhofer und José Moacir dos Santos, der neue Präsident der brasilianischen NGO IRPAA, berichteten über ihr Engagement gegen Landenteignung im trockenen Nordosten des Landes. Zu den aktuellen Themen der NGO gehören auch Konflikte mit Erzeugern von Solarenergie und Windkraft.

 

Das regionale Institut für angepasste Kleinbauernlandwirtschaft und Tierhaltung (IRPAA) unterstützt im semiariden Nordosten Brasiliens die einheimische Bevölkerung bei einer an das Klima angepassten Bewirtschaftung und Lebensweise. Außerdem engagiert sich die NGO gegen Landraub/Landgrabbing. Die Caatinga, so der indigene Name dieser trockenen Region, weckt trotz einer langen Geschichte der Degradierung durch die eigene Regierung ein immenses Interesse an Landaneignung. Es geht – über die Köpfe der lokalen Bevölkerung hinweg – um Ausbeutung von Rohstoffen und um die Erzeugung erneuerbarer Energien. Die Menschen in der Caatinga betreiben traditionell Weidewirtschaft mit Ziegen auf Gemeinschaftsflächen, zusätzlich besitzen sie privates Land.  Die Tiere suchen freilaufend ihr Futter und kehren abends zurück in die heimischen Ställe. Die Obstbäume werden gemeinschaftlich genutzt, um beispielsweise Marmeladen für den Verkauf herzustellen. Relativ neu ist das Interesse einheimischer und ausländischer Energiekonzerne, das Land der indigenen Gemeinschaften für Felder mit Sonnenkollektoren oder Windräder zu nutzen.

IRPAA ist nicht gegen den Ausbau erneuerbarer Energien, wehrt sich jedoch gegen die intransparente Aneignung von Land. Die Vorgehensweise der Konzerne funktioniert nach dem Prinzip "Teile und Herrsche": Einzelne Bauern werden angesprochen, einem Verkauf von eigenem und Gemeinschaftsland zuzustimmen. Gekoppelt ist dieses Angebot an eine Schweigeverpflichtung; bei Vertragsverletzung drohen hohe Strafen. Zusätzlich wird ein Job in Aussicht gestellt. So tragen die Konzerne direkt zur Zerstörung traditioneller Gemeinschaften bei und die Bauern machen einen schlechten Handel. Denn diese wenigen Jobs sind in der Regel nicht gut bezahlt, das Land wird eingezäunt und betoniert, damit es ohne jeden Bewuchs pflegeleicht zu handhaben und für die Gemeinschaften nicht mehr nutzbar ist. Zudem fallen Bäume dem Bau von Zugangsstraßen zum Opfer. Von den erzielten Gewinnen erhält die Bevölkerung nur einen kleinen Teil, was jedoch aufgrund von Intransparenz nicht nachvollzogen werden kann. Ermöglicht wird diese Praxis durch die brasilianische Regierung, die eine neoliberale Wirtschaftspolitik mit dem Export von Rohstoffen wie Erzen und landwirtschaftlichen Produkten wie Soja, Palmöl und Fleisch sowie nun auch die Produktion von erneuerbaren Energien verfolgt.

IRPAA organisiert Rechtsberatung, Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung für die ländlichen Gemeinden. Die NGO stärkt diese bei öffentlichen Protesten und Aktionen. Wichtig für die Rechtsdurchsetzung ist das Übereinkommen 169 der ILO (Internationalen Arbeitsorganisation) für das Recht auf Anhörung und Information von Landgemeinden. Die NGO kann Erfolge mit gewonnenen Prozessen von Gemeinden oder Landtiteln vorweisen, die nachteilige Projekte für die lokale Bevölkerung verhinderten. Ein langwieriger aber durchaus erfolgreicher Weg, der den Familien ermöglicht, auch weiterhin in den Landgemeinden zu bleiben.

Ein weiteres Anliegen von IRPPA ist die internationale Vernetzung, die es aktuell nur mit betroffenen NGOs in Mexiko gibt und die ausgeweitet werden soll. Denn die Konzerne sind weltweit vernetzt, die betroffenen Bevölkerungsgruppen jedoch meist nicht. Auch die Zukunft hat die NGO im Blick: Sie bestärkt und informiert Jugendliche, damit sie auf dem Land bleiben bzw. nach der Ausbildung oder dem Studium wiederkommen. Denn ein gutes und eigenständiges Leben ist auf lange Sicht nur mit der traditionellen Bewirtschaftung und der eigenen Nutzung der Flächen zu erzielen, nicht mit dem Verkauf von Flächen.

26 .09.2022

Text: Ursula Radermacher

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