Nach ersten beruflichen Erfahrungen als ZFD-Juniorfachkraft mitarbeiten

AGIAMONDO bietet jüngeren Menschen mit akademischen Abschlüssen und ersten Berufserfahrungen einige Stellen als ZFD-Juniorfachkraft an. Wenn sie eine Stelle erhalten, können sie – begleitet durch Mentoring – im Bereich Friedensförderung mitarbeiten. Susann Gihr arbeitet seit Februar 2021 in Kenia bei der ZFD-Partnerorganisation IRDIS (Institut für Interreligiösen Dialog und Islamstudien am Tangaza College) in Nairobi. Welche Voraussetzungen sie mitbrachte, wie sie unterstützt wird und wie ihre konkrete Arbeit aussieht, erzählt die Soziologin im Interview.

Wie war es für Sie, nach ersten Berufserfahrungen in Deutschland ins Arbeitsleben im Ausland einzusteigen?

Nach meinem Studium der Sozialwissenschaften und dem Masterabschluss in Sociology and Sociology Research an der Universität zu Köln war es ein spannender Berufseinstieg in ein tolles Team. Meine Erfahrungen aus dem Studium, aus meinen Praktika und Tätigkeiten in verschiedenen Organisationen der internationalen Zusammenarbeit kann ich gut einbringen.

 

Das Team von IRDIS: Fr. Innocent Maganya, Matthias Eder, Milkah Bosibori, Susann Gihr, Debra Nyakundi, Fr. Adrien Sawadogo Abdallah Leboi (von links)
Susann Gihr steht vor dem Eingang des Tangaza University College (TUC)
Mitglieder des IRDIS-Teams: Matthias Eder, Susann Gihr, Debra Nyakundi, Milkah Bosibori, Fr. Adrien Sawadogo (von links)
Susann Gihr während eines Trainings im Rahmen des Interreligiösen Dialogs (IRD) in Embulbul

Welche Erfahrungen haben es Ihnen Ihrer Meinung nach ermöglicht, ZFD-Juniorfachkraft zu werden?

Die Mischung aus unterschiedlichen Erfahrungen war vermutlich entscheidend. Zu den Stellen als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik und Engagement Global kamen Praktika, beispielsweise bei der GIZ und im ZFD von AGIAMONDO, hinzu. Im Bereich der Bildungszusammenarbeit habe ich in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet. Eine Aktivität war im Rahmen des Globalen Lernens bei Bildung trifft Entwicklung (Engagement Global). Und im vergangenen Jahr habe ich in Anlehnung an meine Masterarbeit im Sektorvorhaben Bildung bei der GIZ mit Schwerpunkt auf Bildung und Gender, Bildungschancen in Indien mit Blick auf Ethnie und Gender untersucht. Bei meinem Praktikum im ZFD-Team von AGIAMONDO kam ich mit dem Interreligiösen Dialog (IRD) in Kontakt und konnte bei einer Dienstreise nach Nairobi das Team von IRDIS kennenlernen, wobei das Institut ein halbes Jahr später gegründet wurde. Dort erlebte ich, wie der Interreligiöse Dialog als Mittel der Konflikttransformation auf friedliche Weise wirken kann. Zudem habe ich als frühere Leistungssportlerin im Wildwasserrennsport gelernt meine Ziele langfristig zu verfolgen. Diese Fähigkeit ist, neben der Offenheit, mich auf Neues einzustellen ebenso wichtig, denke ich.

 

Ich finde es gut, dass AGIAMONDO jüngeren Menschen mit ersten Berufserfahrungen so facettenreiche Möglichkeiten bietet.

Welche Art von Mentoring gibt es für Sie als ZFD-Juniorfachkraft, was bedeutet das konkret und wer leistet die Unterstützung?

Als Mentor unterstützt mich Matthias Eder, der ebenfalls bei IRDIS mitarbeitet. Er ist ZFD-Fachkraft für den Interreligiösen Dialog. Das Mentoring ist flexibel und bedarfsorientiert und deckt Kenntnisse im Bereich Finanzen und Projektmanagement, aber auch Soft Skills, wie die Moderation von Veranstaltungen, ab. Dieses Wissen kam sofort zur Anwendung: Schon nach einer Woche wurde ich „ins kalte Wasser geworfen“. Vieles lerne ich auch während ich mit meinem Kolleg*innen zusammen an Prozessen arbeite. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich als Juniorfachkraft mehr Fortbildungen als reguläre Fachkräfte machen kann. Aktuell nehme ich an einem Swahili-Sprachkurs teil. Das ist gerade für Trainings, die wir als Institut mit Frauen machen, sehr hilfreich, weil diese Kurse oft bilingual stattfinden.

Was sind Ihre Aufgaben am IRDIS?

Wir setzen uns hier im Institut mit Fragen zu Gender im interreligiösen Kontext auseinander. Es geht z. B. darum, wie bedeutsam es ist, dass Frauen und Minderheiten im interreligiösen Dialog genauso repräsentiert sind und Prozesse und Entscheidungen gestalten und leiten. Dieses Thema kontextsensibel anzugehen und alle Menschen mitzunehmen, ohne einen Dualismus zwischen Frauen und Minderheiten und Männern auf der anderen Seite entstehen zu lassen, ist zentral in unserer Arbeit.

Zudem arbeite ich an dem Aufbau eines Trainingprogramms in Kibera, einer der größten informellen Siedlungen Afrikas. Dabei geht es darum, vor allem Frauen unterschiedlicher Religionen ins Gespräch zu bringen und zu vernetzen. Dieses Programm ist besonders spannend, weil es auf Anregung einer unserer Teilnehmer*innen an einem unserer „Women’s Trainings“ entstand. Sie hatte bis zu Beginn des Trainings wenig Berührungspunkte zu IRD und kam nach dem Training auf IRDIS zu, da sie die Absicht hatte ein ähnliches Programm mit der Unterstützung von IRDIS in Kibera aufzubauen.

 

Mitglieder des IRDIS-Teams (v. lks.): Programmleiter Father Adrien Sawadogo, Administrationsassistent Abdallah Leboi, Administratorin Milkah Bosibori sowie ZFD-Fachkraft und Berater Matthias Eder
Mitglieder des IRDIS-Teams: Milkah Bosibori, Matthias Eder, Father Adrien Sawadogo, Abdallah Leboi (von links)
Programmleiter Father Adrien Sawadogo und Administratorin Milkah Bosibori im Gespräch.

Wie ist das Konzept des Interreligiösen Dialogs in Kenia zu verstehen?

Der IRD kann als inklusives Konzept den Blick zu anderen Religionen, Perspektiven und Meinungen öffnen und Spannungen abbauen. Dieser ist jedoch nicht vollständig, wenn er die Bedarfe von einem Großteil der Bevölkerung ignoriert. Kenia ist ein Land, in dem die Instrumentalisierung von Identitäten, allen voran Ethnie, aber auch Religion, oft zu Spannungen führt. In Anbetracht der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr ist es dafür von höchster Bedeutung, Mittel und Wege zu finden, Dialogbereitschaft und soziale Kohäsion zwischen unterschiedlichen Gruppen zu fördern. Der IRD kann dafür ein wichtiges Tool sein, auch um die Teilhabe von Frauen und Minderheiten zu fördern. 

 

Wissenswert

IRD ist ein inklusives Konzept, was den Dialog zwischen, aber auch innerhalb von Religionen fördern soll, indem vorherrschende Stereotype abgebaut, Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden und ein konstruktiver Umgang mit verschiedenen Religionen unterstützt werden soll.  Somit kann IRD ein wichtiges Instrument für sozialen Zusammenhalt und ein friedliches Miteinander sein. (IRDIS-Definition des Interreligiösen Dialog)

Sie unterstützen die Einrichtung akademischer Ausbildungsprogramme am Tangaza University College (TUC). Welche Programme sind das und was ist Ihr Anteil daran?

Meine Aufgabe ist, bereits bestehende Programme von IRDIS mit Blick auf Gender als Querschnittsthema zu ergänzen, denn die Personen, die z. B. unser Zertifikat in Islamic Studies erhalten, arbeiten später häufig als Multiplikator*innen in den Diözesen zu IRD. Für den akademischen Bereich bereite ich das Thema Gender auf, arbeite an bestehenden Trainings und baue neue interdisziplinäre Partnerschaften innerhalb der Universität auf. Weil COVID-19 auch in Kenia zu starken Einschränkungen bei Veranstaltungen geführt hat, haben meine Kolleg*innen und ich eine Webinar-Serie mit dem Titel „Transitional Justice and Trauma Healing in Eastern Africa and the Horn“ aufgesetzt.

Gibt es weitere Arbeitsbereiche, in denen Sie aktiv sind?

Im Bereich Organisationsentwicklung bin ich für Monitoring und Evaluation sowie Wissensmanagement und Public Relations verantwortlich. Außerdem unterstütze ich die Koordinatorin des ZFD-Landesprogramms bei der Planung und Durchführung eines Workshops zu Gender und Peacebuilding, der im Oktober mit allen ZFD-Partnerorganisationen stattfinden soll.

Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrer Arbeit, den Menschen, dem Land?

Mir gefällt der enge Kontakt zu unterschiedlichen Personen – soweit es die gegenwärtige Situation zulässt. Da IRDIS auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene aktiv ist, lerne ich viele interessante Persönlichkeiten und wichtige Initiativen kennen.

Beim Interreligiösen Dialog geht es darum, sich anzunähern, zuzuhören und auszutauschen. Es ist wichtig, Gemeinsamkeiten zu erkennen und Unterschiede auch als solche anzuerkennen, mit dem Ziel Spannungen abzubauen. Kenia ist sehr gespalten, weil die ethnische oder religiöse Identität von verschiedenen Seiten instrumentalisiert wird, z. B. auch von politischer Seite. Für mich ist es spannend, zu sehen, wie sich Stereotype abbauen. In den Trainings stehen sich die Frauen mit unterschiedlichen religiösen und ethnischen Hintergründen häufig zunächst mit Vorurteilen gegenüber. Sie diskutieren beispielsweise, welche Religion weniger frauenfeindlich ist. Dieser Prozess der Annäherung, in dem die kleinen Schritte wichtig sind, ist für mich besonders interessant.  

Interview: Ursula Radermacher

15.09.2021