Landgrabbing in Uganda verhindern

Als Länderreferent im Zivilen Friedensdienst (ZFD) bei AGIAMONDO ist Jonas Rüger Ansprechpartner für ZFD-Fachkräfte und Koordinator*innen. Und er steht im Kontakt mit Partnerorganisationen von AGIAMONDO. Bei seiner Reise in Uganda traf er Partner, die die lokale Bevölkerung in ihren Landrechten stärken.

 

Warum bist du im Februar gereist und welche Partnerorganisationen hast du besucht?

Anlass war der ZFD-Workshop zur länderübergreifenden Trägerstrategie, bei dem neben AGIAMONDO auch andere Träger des ZFD wie GIZ, Eirene und Kurve Wustrow teilnahmen. Gemeinsam haben wir die zukünftige Schwerpunktsetzung des ZFD in Uganda weiterentwickelt.
Außerdem war meine Reise eine Art Antrittsbesuch als neuer Länderreferent, der neben Uganda für Kolumbien und Zentralamerika Ansprechpartner ist, zum gegenseitigen Kennenlernen mit den Partnerorganisationen. Besucht habe ich das Landreferat (Land Desk) und die Justita et Pax-Kommission der Diözese Moroto, die Justitia et Pax-Kommission Kotido Teso Religious Leaders Effort for Peace and Reconciliation (TERELEPAR) in Soroti und Facilitation for Peace and Development (FAPAD) in Lira.

Welche Arbeit einer Partnerorganisation hat dich besonders beeindruckt?

Die Begegnungen mit Fachkräften, den Kolleg*innen bei den Partnerorganisationen und den Gemeinden waren allesamt sehr bewegend. Besonders beeindruckt hat mich die Arbeit zum Thema  Landgrabbing und Landrechten des Landreferats der Diözese Moroto in der Region Karamoja im äußersten Nordosten des Landes. Das Landreferat unterstützt Gemeinden dabei, selbstorganisiert ihre Landrechte offiziell anerkennen zu lassen. Das ist der einzige Schutz vor Landgrabbing. Zum Verständnis: Es gibt zwei Formen von  Landrechten in Uganda.  Der traditionelle kollektive Landbesitz (Customary Ownership) hat zwar auch gesetzliche Gültigkeit, Nutzungsrechte sind aber selten schriftlich dokumentiert, sondern vor allem im mündlich weitergegebenen kollektiven Gedächtnis oder im Wissen traditioneller Autoritäten verankert. Dem gegenüber stehen offizielle Eintragungen im öffentlichen Kataster. Vor allem in ländlichen Gebieten ist Customary Ownership weiterhin das vorherrschende Modell, unter anderem weil Wissen über Registrierungsprozessen fehlt und die staatlichen Stellen wenig Vertrauen genießen. Seit Land immer mehr zur knappen Ressource wird und zum Beispiel Funde von Mineralienvorkommen das Interesse finanzkräftiger nationaler und internationaler (zurzeit in Karamoja v. a. chinesischer) Investor*innen erwecken, reicht Customary Ownership nicht mehr aus, um Landgrabbing abzuwehren. Die Investor*innen sind meistens auf politischer Ebene gut vernetzt und nutzen diese Kontakte, um sich Unterstützung von Regierungsseite zu sichern und die Gemeinden unter Druck zu setzen.

Faustine Langole, Koordinator des Landreferats der Diözese Moroto in der Region Karamoja, spricht über die Herausforderungen des kollektiven Landmanagements in der Gemeinde Lorengedwat.
Landstraße in Norduganda. Die Landschaft Karamojas ist von rotem Sand und kargem Buschland geprägt.
Fitsum Teddla (links) ist ZFD-Fachkraft von AGIAMONDO und arbeitet als Sozialwissenschaftler für Friedensarbeit in Pfarrgemeinden der Diözese Moroto bei der Justitia et Pax-Kommission. Hier diskutiert er mit Jonas Rüger über die Folgen der bewaffneten Konflikte in Karamoja.
Fitsum Teddla, ZFD-Fachkraft bei der Justitia et Pax-Kommission der Diözese Moroto, und ZFD-Landeskoordinatorin Karolin Loch tauschen sich über den Umgang mit der gewaltbelasteten Vergangenheit in Karamoja aus.
Fitsum Teddla, ZFD-Fachkraft bei der Justitia et Pax-Kommission der Diözese Moroto, und Jonas Rüger zu Gast bei einer Versammlung traditioneller Autoritäten in der Gemeinde Lorengedwat.
Faustine Langole, Koordinator des Landreferats der Diözese Moroto in der Region Karamoja (links) und sein Kollege Kenseth Emoru bei einer Besprechung im Büro des Landreferats. Sie planen das nächste Treffen mit den Kommunalen Landvereinigungen, die sie bei der Anerkennung ihrer kollektiven Landtitel unterstützen.
Esther Maina (links), ZFD-Fachkraft von AGIAMONDO bei der Justitia et Pax-Kommission Gulu diskutiert beim Workshop für die Erarbeitung einer trägerübergreifenden ZFD-Länderstrategie mit Kolleg*innen von EIRENE und GIZ. Mit dabei sind Augusta Muhimpundu/EIRENE-Referentin Internationale Friedenskooperationen und Inigo Bombin Artola/GIZ-APME-Experte (von links).

Wie arbeitet das Landreferat gegen Landgrabbing und wie stärkt es die Bevölkerung in ihren Rechten?

Das Landreferat unterstützt die Gemeinden in der Diözese bei der Selbstorganisation, Dokumentation und Registrierung traditioneller Landtitel sowie bei Verhandlungen über Landverkäufe, Verpachtungen und Entschädigungszahlungen.  Ergänzend zur Arbeit des Landreferats unterstützt die Justitia et Pax-Kommission der Diözese die Gemeinden bei der Bearbeitung von Konflikten, bildet lokale Konfliktschlichter*innen aus und begleitet vor allem benachteiligte Gruppen wie Frauen und Jugendliche dabei, ihre Interessen zu vertreten und Zukunftsvisionen zu entwickeln. Die Wertschätzung der Menschen für diese Unterstützung ist enorm. Die Schatzmeisterin einer mit Unterstützung des Landreferats gegründeten kommunalen Landvereinigung (Communal Land Association) brachte die Bedeutung dieser Arbeit eindrucksvoll auf den Punkt: "Vorher haben Regierung und Investor*innen uns einfach übergangen und nicht gefragt. Jetzt kennen wir unserer Rechte und verhandeln mit diesen Leuten." So hat z. B. eine Gemeinde, die Land für ein Tagebauprojekt an eine große Zementfirma verpachtet, dafür eine Entschädigungssumme in zweistelliger Millionenhöhe erhalten, eine astronomisch hohe Summe in Karamoja. Die Vertreter*innen der Gemeinde sind sich sicher: Da der Investor die persönliche Unterstützung von Präsident Museveni hatte, wären sie ohne die Begleitung durch das Landreferat einfach entschädigungslos enteignet worden. "Hättet ihr nicht etwas früher auftauchen können, als die Straße gebaut wurde?", wirft ein anderer Gemeindevertreter, gerichtet an Kolleg*innen des Landreferats und der Justitia et Pax-Kommission, augenzwinkernd ein.

Vor der Unterstützung durch das Landreferat haben Regierung und Investor*innen uns einfach übergangen. Jetzt kennen wir unsere Rechte und verhandeln mit diesen Leuten.

Schatzmeisterin einer Communal Land Association

Wie stark sind Frauen an diesen Themen beteiligt?

Ich war positiv überrascht davon, dass nicht nur ungefähr die Hälfte der bei unserem Treffen anwesenden Gemeindemitglieder Frauen waren, sondern dass diese Frauen auch wichtige Positionen in den Organisationsstrukturen innehatten und mit großem Selbstvertrauen auftraten. Auch die Redezeiten waren gleichmäßig verteilt. Das ist nicht nur in Uganda alles andere als selbstverständlich!
Die nächsten großen Fragen werden sein, wie Gelder aus Entschädigungen, Verkäufen und Verpachtungen verwendet werden sollen und was das alles für das alltägliche Leben und die Landnutzung durch die Gemeinden selbst bedeutet.

Warum ist die traditionelle Landnutzung jetzt gefährdet?

Das traditionelle Landnutzungskonzept im extrem kargen und trockenen Karamoja ist völlig anders als z. B. in Europa. Die Böden sind für eine dauerhafte landwirtschaftliche Nutzung kaum geeignet.  Viele Gemeinden leben deshalb halbnomadisch. Sie lassen sich an einer Stelle auf ihrem Territorium nieder, bauen auf dem umliegenden Land Hirse und andere Nahrungsmittel an und weiden ihr Vieh. Nach etwa fünf Jahren, ziehen sie weiter und bauen anderswo ein neues Dorf auf, sodass sich Böden und Vegetation am vorherigen Standort erholen können. Das hat jahrhundertelang gut funktioniert, erfordert aber viel Raum und ein Bewusstsein dafür, dass zurzeit brachliegendes Land nicht ungenutzt ist, sondern eine notwendige Regenerationsphase durchläuft.

Inzwischen wird das in dieser Form nutzbare Land durch den fortschreitenden Klimawandel und zunehmende Präsenz externer Investor*innen z. B. mit großflächigen Bergbau-Projekten immer knapper.  Das bringt auch die bisherigen Lebensgrundlagen und Landnutzungskonzepte ins Wanken und schafft großes Konfliktpotential.

Frieden muss nicht mit Freund*innen, sondern mit Feind*innen gemacht werden.

Jonas Rüger, ZFD-Referent bei AGIAMONDO

Was hat dich besonders beschäftigt? Gab es schwierige Erlebnisse?

Bei den Treffen, dem Zusammensitzen im Kreis, waren natürlich auch Menschen dabei, die im Rahmen der bewaffneten Konflikte der Vergangenheit andere schwer verletzt oder gar getötet haben. Menschen, die Gewalt ausgeübt haben, die Täter, aber meistens auch selbst Opfer waren oder heute noch sind. Das berührt und beschäftigt mich bei unserer Arbeit immer wieder. Es ist nicht leicht, diesen Menschen unvoreingenommen gegenüber zu treten. Wichtig finde ich dabei das Prinzip: "Nicht den Menschen kritisieren, sondern seine Taten". Für unsere Partnerorganisationen gehören solche Auseinandersetzungen zum Alltag – sie sind die Voraussetzung für ein weiteres Zusammenleben. Besonders bewegt hat mich die Begegnung mit einer Gruppe junger ehemaliger bewaffneter Viehdiebe, die von der Justitia et Pax-Kommission der ebenfalls in Karamoja gelegenen Diözese Kotido bei der Wiedereingliederung und der Entwicklung neuer Lebensperspektiven begleitet werden. Das sind sensible und für alle Beteiligten schwierige Prozesse. Einer der ehemaligen Viehdiebe fasste die ihnen innewohnenden schmerzhaften Erfahrungen aber auch die hoffnungsstiftenden Erfolge so zusammen: "All das wofür wir früher Blut vergossen haben und gestorben sind, haben wir jetzt hier." Und grundsätzlich gilt: "Frieden muss nicht mit Freund*innen, sondern mit Feind*innen gemacht werden."

02.05.2025

Interview: Ursula Radermacher/AGIAMONDO