Womit befassen Sie sich als Trainee für Friedenspädagogik bei AGIAMONDO?
Jakob Königshof: Meine Aufgabe als Trainee bei AGIAMONDO ist es, die friedenspädagogische Arbeit der Fachkräfte von AGIAMONDO und ihren Partnern kennenzulernen, zu untersuchen und zu konzeptualisieren. Wir wollen unsere gemeinsame Arbeit besser verstehen lernen und sie weiterentwickeln. Dazu setzen wir uns zunächst mit den verschiedenen Perspektiven auseinander, die sich in Wissenschaft und Praxis mit Friedenspädagogik verbinden. Im Feld der Entwicklungszusammenarbeit verstehen wir darunter allgemein eine Erziehung, die auf die friedliche Bearbeitung von Konflikten ausgerichtet ist. Wie diese Erziehung aussieht, ist jedoch von unterschiedlichen Faktoren abhängig. In Deutschland geht es meist um die Vermittlung von Sachkompetenz. In AGIAMONDOs Partnerländern kommen weitere Themen hinzu. Beziehungsarbeit, Vertrauensbildung oder der Umgang mit Heterogenität sind hier zentrale Ziele.
Florian Schöpperle: Im Prozess der Konzeptentwicklung wollen wir klären, inwiefern wir Friedenspädagogik als einen Ansatz nutzen, sprich als eine konkrete, strukturierte Herangehensweise, in deren Rahmen wir unsere Zusammenarbeit gestalten. Überdies wollen wir friedenspädagogische Methoden identifizieren und analysieren, die wir in der direkten Projektarbeit einsetzen. Diese Unterscheidung spielt sowohl bei der Gestaltung der inhaltlichen Friedensarbeit als auch bei der Beantragung von Projektgeldern eine Rolle.
Wie sieht die friedenspädagogische Arbeit in den Partnerländern aus?
Jakob Königshof: Auf dem Weg zu nachhaltigem Frieden ist es wichtig, dass Betroffene zu Beteiligten werden, dass sie ihre Bedarfe selbst identifizieren und sich über gemeinsame Herangehensweisen verständigen. Da die Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten je nach Kontext unterschiedlich sind, ist auch das Vorgehen unserer Partnerorganisationen im Bereich Friedenspädagogik unterschiedlich. Besteht in einem Partnerland eine fragile Waffenruhe, steht die friedenspädagogische Arbeit vor anderen Herausforderungen als in einer Situation, in der Konfliktparteien unbewaffnet sind. Ebenso spielt Zeitlichkeit eine Rolle. Unmittelbar nach einem gewaltsamen Konflikt stellen sich andere Aufgaben als in einer Situation ohne vorherigen Gewaltausbruch.
Florian Schöpperle: Diese Kontextbezogenheit stellt auch eine Herausforderung für unsere Konzeptarbeit dar. Wir können nicht so einfach sagen: Unsere friedenspädagogische Arbeit sieht so oder so aus. Denn wir definieren nicht, was Frieden für unsere Partner bedeutet und wie er zu erreichen ist. Vielmehr begleiten wir sie bei ihren Ideen und beraten mit dem Blick von außen.
Jakob Königshof: In Timor-Leste etwa unterstützen wir Hochschulen bei der Ausgestaltung ihrer Studiengänge zu Friedensförderung, aber auch in der Kommunikation mit dem Bildungsministerium, das diese akkreditieren muss. In verschiedenen Projektkontexten nutzen wir zudem Friedenstheater, in denen Menschen auf kreative Weise Traumata aufarbeiten oder Tabus aufbrechen, damit konstruktiver Austausch wieder möglich wird.
Warum braucht AGIAMONDO ein Konzept für Friedenspädagogik und warum jetzt?
Jakob Königshof: Der Zeitpunkt ist sicher zu einem Teil den aktuellen weltpolitischen Gegebenheiten geschuldet. Auch wenn es prominente Ausnahmen gibt, passieren immer mehr gewaltsame Konflikte nicht zwischen zwei Staaten, sondern innerhalb von Gesellschaften. Für deren Bearbeitung ist das klassische diplomatische Instrumentarium ungeeignet. Auch militärische Interventionen sind keine Alternative. Vielmehr braucht es zivilgesellschaftliche Ansätze, die nah an den Lebenswirklichkeiten derer sind, die der Konflikt tatsächlich betrifft.
Florian Schöpperle: Der Zugang zu Begegnungs- und Austauschräumen ist hierbei besonders wichtig.
AGIAMONDO sieht seine Aufgabe darin, diese Räume zu schaffen, um das Verständnis von Friedensbedingungen zu schärfen und eine konstruktive und gewaltfreie Konfliktkultur zu fördern. Welche Formate sich wo gut eignen, darüber wollen wir konkreter nachdenken. Gerade weil wir Partnerorientierung leben, ist der programmatische und konzeptionelle Blick auf unser Handeln so wichtig. Wir wollen erfassen, wie sich unser friedenspädagogisches Engagement auf die Arbeit unserer Partner auswirkt, was ihnen wichtig ist, was uns wichtig ist, was gut funktioniert. So können wir sie langfristig besser unterstützen. Außerdem möchte AGIAMONDO besser verstehen, inwiefern gerade eine christlich ausgerichtete Friedenspädagogik einen positiven Mehrwert für die zivile Friedensarbeit darstellt.
Welchen besonderen Beitrag kann AGIAMONDO als katholischer Dienst leisten?
Jakob Königshof: AGIAMONDO ist als katholischer Träger des Zivilen Friedensdienstes mit einem weltweiten Netzwerk an lokalen Organisationen und Einrichtungen verbunden, wodurch wir sehr nah an den Menschen und ihren Bedürfnissen arbeiten können. Dabei orientieren wir uns an den Grundprinzipien der Christlichen Soziallehre. Der Mensch steht immer im Mittelpunkt, seine Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, aber auch die Förderung des Gemeinwohls und des solidarischen Miteinanders sind für uns handlungsleitend.
Florian Schöpperle: In der Praxis bedeutet das, dass AGIAMONDO seine Partner in ihrem Engagement für Frieden unterstützt. Wir tun dies im Dialog mit ihnen. Die Kommunikation nach außen liegt dabei bei den Partnerorganisationen. Gleichwohl stehen wir klar zu bestimmten Werten, zum Beispiel Gewaltfreiheit. Wir wollen Menschen dabei begleiten, ihre Interessen und Normen besser zu erkennen, und Debatten in konstruktive Bahnen lenken.
Wo steht AGIAMONDO in der Profilarbeit und was sind die nächsten Schritte?
Jakob Königshof: Die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Positionen und die Analyse unserer eigenen friedenspädagogischen Arbeit in den Partnerländern werden wir noch einige Zeit fortsetzen. Näher betrachten wollen wir AGIAMONDOs Zusammenarbeit in Jordanien und in Timor-Leste, weil hier die meisten Partner Projekte zum Thema durchführen. Deshalb werde ich Ende des Jahres nach Amman und später auch nach Dili reisen, um unsere Konzeptarbeit vor Ort gemeinsam mit den lokalen Teams und anderen Fachkräften zu vertiefen.
10.01.2023
Interview: Eva-Maria Helm
Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 3/2022. Zum Download der Gesamtausgabe.