"Konfliktbearbeitung braucht mehr zivilgesellschaftliche Ansätze"

Die Trainee-Stelle, die Jakob Königshof (rechts) inne hat, wurde innerhalb des ZFD von AGIAMONDO geschaffen. In diesem Rahmen sei eine Auseinandersetzung mit der eigenen friedenspädagogischen Arbeit gut möglich, berichtet ZFD-Referent Florian Schöpperle (links).

Trainee Jakob Königshof, seit dem 1. Juli 2022 bei AGIAMONDO, und ZFD-Referent Florian Schöpperle sprechen über AGIAMONDOs Profilarbeit zum Thema Friedenspädagogik.

 

AGIAMONDOs Fachkräfte setzen sich weltweit auf vielfältige Weise für den Frieden ein. Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen schaffen sie Räume für selbstbestimmtes Lernen, Aktivitäten entlang geteilter Interessen und Gemeinschaft, damit sich Menschen am Aufbau eines gewaltfreien Miteinanders beteiligen können. Um dieses Engagement zu verstetigen, aber auch stärker zu definieren, welchen besonderen Beitrag AGIAMONDO als katholischer Personaldienst leisten kann, findet derzeit eine intensive Profilarbeit zum Thema Friedenspädagogik statt. Wie diese aussieht und welche Ergebnisse angestrebt werden, berichten Florian Schöpperle und Jakob Königshof im Interview.

Auf welche Weise ist AGIAMONDO im Bereich Friedenspädagogik aktiv?

Florian Schöpperle: Genau das ist es, was wir für uns definieren und besser verstehen möchten. Aktuell arbeiten zahlreiche Partnerorganisationen in verschiedenen Landes- und Projektkontexten daran mit, friedliche Gemeinschaften aufzubauen und Gewalt entgegenzuwirken. Sie begleiten Mediations- und Aufklärungsprogramme, unterstützen den Aufbau demokratischer Strukturen, fördern Wissensvermittlung und gewaltfreie Konfliktbearbeitung. Häufig wird das sehr vielfältige Engagement verallgemeinernd als "friedens-pädagogische Arbeit" dargestellt, aber was bedeutet das eigentlich? Wie verstehen wir friedenspädagogische Arbeit tatsächlich? Welche Herangehensweisen, Ansätze oder Strategien nutzen wir? Was hat sich besonders bewährt? Und woraus können wir lernen? Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine Trainee-Stelle innerhalb des Zivilen Friedensdienstes von AGIAMONDO geschaffen, in deren Rahmen wir uns mit unserer eigenen friedenspädagogischen Arbeit auseinandersetzen.

 

ZFD-Referent Florian Schöpperle arbeitet im Team Ziviler Friedensdienst in der AGIAMONDO-Geschäftsstelle in Köln. Als konkrete Beispiele für Friedenspädagogik nennt er Hochschulen, die Studiengänge zu Friedensförderung anbieten oder Friedenstheaterprojekte, die einen konstruktiven Austausch anregen.
Jakob Königshof und Florian Schöpperle diskutieren in einem der Seminarräume von AGIAMONDO über eine genaue Definition von Friedenspädagogik. Die meisten friedenspädagogischen Projekte werden derzeit von Partnerorganisationen in Timor Leste und Jordanien durchgeführt.
Seit dem 1. Juli 2022 ist Jakob Königshof Trainee für Friedenspädagogik bei AGIAMONDO.

Womit befassen Sie sich als Trainee für Friedenspädagogik bei AGIAMONDO?

Jakob Königshof: Meine Aufgabe als Trainee bei AGIAMONDO ist es, die friedenspädagogische Arbeit der Fachkräfte von AGIAMONDO und ihren Partnern kennenzulernen, zu untersuchen und zu konzeptualisieren. Wir wollen unsere gemeinsame Arbeit besser verstehen lernen und sie weiterentwickeln. Dazu setzen wir uns zunächst mit den verschiedenen Perspektiven auseinander, die sich in Wissenschaft und Praxis mit Friedenspädagogik verbinden. Im Feld der Entwicklungszusammenarbeit verstehen wir darunter allgemein eine Erziehung, die auf die friedliche Bearbeitung von Konflikten ausgerichtet ist. Wie diese Erziehung aussieht, ist jedoch von unterschiedlichen Faktoren abhängig. In Deutschland geht es meist um die Vermittlung von Sachkompetenz. In AGIAMONDOs Partnerländern kommen weitere Themen hinzu. Beziehungsarbeit, Vertrauensbildung oder der Umgang mit Heterogenität sind hier zentrale Ziele.

Florian Schöpperle: Im Prozess der Konzeptentwicklung wollen wir klären, inwiefern wir Friedenspädagogik als einen Ansatz nutzen, sprich als eine konkrete, strukturierte Herangehensweise, in deren Rahmen wir unsere Zusammenarbeit gestalten. Überdies wollen wir friedenspädagogische Methoden identifizieren und analysieren, die wir in der direkten Projektarbeit einsetzen. Diese Unterscheidung spielt sowohl bei der Gestaltung der inhaltlichen Friedensarbeit als auch bei der Beantragung von Projektgeldern eine Rolle.

Wie sieht die friedenspädagogische Arbeit in den Partnerländern aus?

Jakob Königshof: Auf dem Weg zu nachhaltigem Frieden ist es wichtig, dass Betroffene zu Beteiligten werden, dass sie ihre Bedarfe selbst identifizieren und sich über gemeinsame Herangehensweisen verständigen. Da die Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten je nach Kontext unterschiedlich sind, ist auch das Vorgehen unserer Partnerorganisationen im Bereich Friedenspädagogik unterschiedlich. Besteht in einem Partnerland eine fragile Waffenruhe, steht die friedenspädagogische Arbeit vor anderen Herausforderungen als in einer Situation, in der Konfliktparteien unbewaffnet sind. Ebenso spielt Zeitlichkeit eine Rolle. Unmittelbar nach einem gewaltsamen Konflikt stellen sich andere Aufgaben als in einer Situation ohne vorherigen Gewaltausbruch.

Florian Schöpperle: Diese Kontextbezogenheit stellt auch eine Herausforderung für unsere Konzeptarbeit dar. Wir können nicht so einfach sagen: Unsere friedenspädagogische Arbeit sieht so oder so aus. Denn wir definieren nicht, was Frieden für unsere Partner bedeutet und wie er zu erreichen ist. Vielmehr begleiten wir sie bei ihren Ideen und beraten mit dem Blick von außen.

Jakob Königshof: In Timor-Leste etwa unterstützen wir Hochschulen bei der Ausgestaltung ihrer Studiengänge zu Friedensförderung, aber auch in der Kommunikation mit dem Bildungsministerium, das diese akkreditieren muss. In verschiedenen Projektkontexten nutzen wir zudem Friedenstheater, in denen Menschen auf kreative Weise Traumata aufarbeiten oder Tabus aufbrechen, damit konstruktiver Austausch wieder möglich wird.

Warum braucht AGIAMONDO ein Konzept für Friedenspädagogik und warum jetzt?

Jakob Königshof: Der Zeitpunkt ist sicher zu einem Teil den aktuellen weltpolitischen Gegebenheiten geschuldet. Auch wenn es prominente Ausnahmen gibt, passieren immer mehr gewaltsame Konflikte nicht zwischen zwei Staaten, sondern innerhalb von Gesellschaften. Für deren Bearbeitung ist das klassische diplomatische Instrumentarium ungeeignet. Auch militärische Interventionen sind keine Alternative. Vielmehr braucht es zivilgesellschaftliche Ansätze, die nah an den Lebenswirklichkeiten derer sind, die der Konflikt tatsächlich betrifft.

Florian Schöpperle: Der Zugang zu Begegnungs- und Austauschräumen ist hierbei besonders wichtig. 
AGIAMONDO sieht seine Aufgabe darin, diese Räume zu schaffen, um das Verständnis von Friedensbedingungen zu schärfen und eine konstruktive und gewaltfreie Konfliktkultur zu fördern. Welche Formate sich wo gut eignen, darüber wollen wir konkreter nachdenken. Gerade weil wir Partnerorientierung leben, ist der programmatische und konzeptionelle Blick auf unser Handeln so wichtig. Wir wollen erfassen, wie sich unser friedenspädagogisches Engagement auf die Arbeit unserer Partner auswirkt, was ihnen wichtig ist, was uns wichtig ist, was gut funktioniert. So können wir sie langfristig besser unterstützen. Außerdem möchte AGIAMONDO besser verstehen, inwiefern gerade eine christlich ausgerichtete Friedenspädagogik einen positiven Mehrwert für die zivile Friedensarbeit darstellt.

Welchen besonderen Beitrag kann AGIAMONDO als katholischer Dienst leisten?

Jakob Königshof: AGIAMONDO ist als katholischer Träger des Zivilen Friedensdienstes mit einem weltweiten Netzwerk an lokalen Organisationen und Einrichtungen verbunden, wodurch wir sehr nah an den Menschen und ihren Bedürfnissen arbeiten können. Dabei orientieren wir uns an den Grundprinzipien der Christlichen Soziallehre. Der Mensch steht immer im Mittelpunkt, seine Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, aber auch die Förderung des Gemeinwohls und des solidarischen Miteinanders sind für uns handlungsleitend.

Florian Schöpperle: In der Praxis bedeutet das, dass AGIAMONDO seine Partner in ihrem Engagement für Frieden unterstützt. Wir tun dies im Dialog mit ihnen. Die Kommunikation nach außen liegt dabei bei den Partnerorganisationen. Gleichwohl stehen wir klar zu bestimmten Werten, zum Beispiel Gewaltfreiheit. Wir wollen Menschen dabei begleiten, ihre Interessen und Normen besser zu erkennen, und Debatten in konstruktive Bahnen lenken.

Wo steht AGIAMONDO in der Profilarbeit und was sind die nächsten Schritte?

Jakob Königshof: Die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Positionen und die Analyse unserer eigenen friedenspädagogischen Arbeit in den Partnerländern werden wir noch einige Zeit fortsetzen. Näher betrachten wollen wir AGIAMONDOs Zusammenarbeit in Jordanien und in Timor-Leste, weil hier die meisten Partner Projekte zum Thema durchführen. Deshalb werde ich Ende des Jahres nach Amman und später auch nach Dili reisen, um unsere Konzeptarbeit vor Ort gemeinsam mit den lokalen Teams und anderen Fachkräften zu vertiefen.

10.01.2023

Interview: Eva-Maria Helm

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 3/2022. Zum Download der Gesamtausgabe.