Gemeinsam laufen, um Unterschiede zu überwinden

CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje

In Burundi haben das Netzwerk Justitia et Pax Burundi und AGIAMONDO einen Ansatz zur Förderung einer Friedenskultur entwickelt, der Schulungen mit Sport verbindet.

 

Jahrzehnte der Unterdrückung und des Krieges haben in Burundi dazu geführt, dass viele Menschen noch nie wirklich erlebt haben, was Frieden eigentlich bedeutet. Konfrontiert mit Armut und Ausbeutung führt das oft zu weiterer Gewalt. Um diese schwierige Situation zu überwinden, setzen das Netzwerk Justitia et Pax Burundi und AGIAMONDO auf ein Gegenbeispiel, das Motivation, Erfolgserlebnisse und Gemeinschaft fördert: den Sport.

Hochkonzentriert, die Startnummer auf dem Trikot, den Blick nach vorn gerichtet, stehen die Teilnehmer*innen des Geländelaufs "Course pour la Paix" an der weißen Torlinie des Fußballfelds von Bururi. "Auf die Plätze…" tönt es von der Tribüne herüber, "fertig", die Spannung steigt, "LOS!". Kaum ist das Startsignal gefallen, bricht sich geballte Energie Bahn. Und wo eben noch 150 Jugendliche und junge Erwachsene nebeneinander in Position gestanden haben, sind einen Augenblick später die ersten Läufer*innen bereits um die erste Kurve der sechs Kilometer langen Strecke in Richtung Dorfplatz abgebogen. Auf der Tribüne neben dem Fußballplatz applaudieren die Zuschauer*innen und feuern ihre Favorit*innen an – sie alle sind an diesem 10. Dezember aus Bururi und Umgebung hergekommen, um bei dem Ereignis dabei zu sein.

 

CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje
CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje
CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje
CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje

Sport: Säule des Friedens

ZFD-Fachkraft Jonathan Zaragoza Cristiani freut sich sehr über die rege Beteiligung und das Interesse aus der Bevölkerung. Zusammen mit seinen Kolleg*innen von der Bischöflichen Kommission Justitia et Pax (CEJP) Burundi und der Diözesankommission Justitia et Pax (CDJP) Bururi, hat er diesen Lauf unter dem Motto "Sport: Säule des Friedens" lange vorbereitet und mit Unterstützung der Charles-Nkazamyampi-Stiftung organisiert.

"Im Sport gibt es Enthusiasmus, Teamgeist und den Wunsch, die eigene Leistung zu steigern, damit man gemeinsam bessere Ergebnisse erzielt", sagt der Sozialwissenschaftler, der als Fachkraft im Zivilen Friedensdienst seit 2021 bei der CEJP-Burundi arbeitet. Diese Werte seien die gleichen Werte, die auch Frieden förderten. "Wir wollen sie in der Gemeinschaft erlebbar machen und soziale Bindungen festigen", so Zaragoza Cristiani. Sportliche Zusammentreffen seien hierfür wunderbar geeignet, weil sie genau das ermöglichten. Sie legten den Fokus auf körperliche Leistung und Spaß – etwas, das jede und jeder mitbringen und teilen könne. "Deshalb haben wir den Friedenslauf ins Leben gerufen."

Sanfte Hügel, harte Realität

In Burundi gibt es viele junge Menschen, die in ihrem Leben noch nie eine Zeit erlebt haben, in der Gewalt nicht Teil ihres Alltags war. Seit seiner Unabhängigkeit 1962 hat das kleine Land östlich des Tanganjikasees, dessen Landschaft von sanften grünen Hügeln, von Teeplantagen und Kaffeesträuchern geprägt ist, immer wieder politisch-ethnische Krisen erlebt. Deren Ursachen gehen nicht zuletzt auf die jahrzehntelange Einflussnahme und Übervorteilung europäischer Machthaber seit Ende des 19. Jahrhunderts zurück, auch deutscher. Bis heute kommt es zu Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, die schon mehrfach in Gewalt eskalierten. Die Folgen für die Bevölkerung: schwere Traumata, ein zerrüttetes Sozialgefüge, Misstrauen, Ausgrenzung, Armut und schlichtweg Unkenntnis, wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können.

CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje
CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje
CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje
CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje
CEJP-Burundi/Jean Marie Ndayambaje

Soziale Kompetenz beim Sport erproben

"Sehr oft sehen wir Jugendliche, die sich streiten, ohne zu wissen, wie sie ihre Auseinandersetzung durch Dialog und ohne Gewalt bewältigen können", sagt der junge Burundier Dieudonné, der heute ebenfalls am Friedenslauf in Bururi teilnimmt. Zusammen mit rund 60 jungen Erwachsenen hat er im Vorfeld der Sportveranstaltung eine friedenspädagogische Schulung besucht, die das Team der CDJP-Bururi gemeinsam mit Jonathan Zaragoza Cristiani konzipiert und durchgeführt hat.

"Die Schulung ist Teil eines von uns entwickelten Bildungsansatzes", erklärt Zaragoza Cristiani, "und sieht eine dreitägige Ausbildung in Friedenserziehung vor." Diese wird anschließend durch eine Sportveranstaltung wie den Friedenslauf verstärkt und abgeschlossen. Die Idee dahinter: "Wir glauben, dass Menschen durch Sport leichter zueinanderfinden und so den Frieden sichern können, der ein Grundpfeiler für nachhaltige Entwicklung ist", sagt Zaragoza Cristiani. Die vorherige Ausbildung vermittle Kenntnisse über Friedenserziehung, Gewalt und Konflikt, aber auch Konfliktlösungstechniken mithilfe von Präsentationen, Gruppen- und Einzelübungen und Diskussionen. Das soll die Jugendlichen dabei unterstützen, sich auszutauschen und besser kennenzulernen. Mitinitiator des Ansatzes, Abbé Novat Ndayishimiye von der CDJP-Bururi, ergänzt: "Durch den Sport und das Teilen eines positiven und dynamischen Moments wird diese Verbindung dann gefestigt und friedliche Interaktion ermöglicht."

Wirksame Öffentlichkeit

Vor der Tribüne von Bururi sieht es so aus, als hätte das gut funktioniert. Mittlerweile ist es sehr warm geworden. Als die ersten Läufer*innen verschwitzt und außer Puste den Hügel hinaufkommen und auf die Zielgerade entlang des Fußballfelds einbiegen, springen viele Zuschauer*innen auf, klatschen und pfeifen motivierend. Neben Freunden und Angehörigen der Teilnehmer*innen sind auch Passant*innen stehen geblieben, um das Ereignis mitzuverfolgen. Eine Aktivistin des örtlichen Komitees für partizipative Regierungsführung, das von der Bischöflichen Kommission Justitia et Pax (CEJP-Burundi) unterstützt wird, gibt ihnen einen kleinen Infozettel, den alle Anwesenden heute erhalten. Auf ihm wird zu Gewaltfreiheit aufgerufen, zu Dialog, Respekt und zur Achtung der olympischen Werte des Sports.

Damit diese wichtige Botschaft so viele Menschen wie möglich erreicht, unterstützen auch prominente Persönlichkeiten wie der Gouverneur von Bururi und Bischof Salvator Niciteretse die Veranstaltung durch ihren Besuch. Das Nationale Fernsehen RTNB hat einen Journalisten geschickt, der den Lauf zur Übertragung dokumentiert.

 

Wissenswert

Die Bischöfliche Kommission Justitia et Pax Burundi (CEJP-Burundi) mit Sitz in Bujumbura wurde 1999 von der burundischen Bischofskonferenz gegründet und engagiert sich unter anderem für gewaltfreie Konfliktlösung und eine Kultur des Friedens innerhalb der burundischen Bevölkerung. Im Fokus stehen dabei vor allem die Jugendlichen, da sie bisher kein Leben ohne Konflikt in ihrer Heimat kennen und soziale Interaktion neu erfahren müssen. Durch Schulungen lernen sie, was Frieden bedeutet und welches Verhalten diesen unterstützen kann. Seit 2003 engagiert sich auch die Diözesankommission Justitia et Pax aus Bururi in diesem Bereich, eine von insgesamt acht CDJPs, die im Land aktiv sind. 2013 hat AGIAMONDO die Kooperation mit der CDJP-Bururi aufgenommen. Gemeinsam mit den örtlichen Pfarreien werden auf lokaler Ebene zahlreiche Projekte zur Konfliktprävention und Friedensförderung durchgeführt, zum Beispiel auch in Schulen. Mehrere hundert von ihnen arbeiten bereits mit sogenannten Justiz- und Friedensclubs, in denen Jugendliche zu Friedensstifter*innen ausgebildet werden. Unter anderem lernen sie dort, wie sie Konflikte besser bearbeiten und auch andere zu konstruktiven Lösungen ermutigen können.

Eine Medaille für den Frieden

Für Abbé Charles Karorero, ständiger geschäftsführender Sekretär der CEJP-Burundi, ist das Ereignis ein gelungenes Beispiel für Toleranz, Zusammenhalt und Einheit – und "für das gemeinsame Engagement der CEJP-Burundi, der CDJP-Bururi und AGIAMONDO zur Förderung des Friedens", betont er in seiner Rede. Drei junge Männer und drei junge Frauen konnten sich darüber besonders freuen: Als schnellste Athlet*innen des Friedenslaufs erhalten sie Medaillen, kleine Geschenke, und – was für Jonathan Zaragoza Cristiani am wesentlichsten ist – die Anerkennung und den Applaus des Publikums. "Frieden ist viel mehr als die Abwesenheit von Krieg", sagt er zufrieden über das gelungene Projekt. "Frieden ist die Achtung unserer Mitmenschen, ist Gleichheit, Dialog und Respekt." Das ist es was zählt – im Alltag ebenso wie auf dem Sportplatz.

10.01.2023

Text: Jonathan Zaragoza Cristiani

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 3/2022. Zum Download der Gesamtausgabe.