Kamerun trifft Japan - Papiertheater als Türöffner und kreatives Werkzeug in der Friedensarbeit

Die Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden in mehreren kamerunischen Diözesen arbeiten schon seit langem mit Schüler*innen in Friedensclubs katholischer Schulen u.a., um deren Kompetenzen zur Förderung gewaltfreier Konfliktlösungen stärken. Sie haben sich jetzt in einer Weiterbildung mit einer neuen Methode für ihre Bildungsarbeit befasst, dem japanischem Papiertheater Kamishibai. Auch in der Erwachsenenbildung gibt es dafür gute Einsatzmöglichkeiten. ZFD-Fachkraft Frauke Dißelkötter stellt das Angebot vor.

Das Kamishibai ist ein kleines Theater, das eine erzählte Geschichte mit Bildern illustriert. Es besteht aus einem Holzrahmen, in dem Papierbilder gezeigt werden. Während eine Geschichte erzählt wird, veranschaulichen sie deren wichtigste Aspekte. Durch das parallel laufende Erzählen und das Betrachten der Bilder soll die Vorstellungskraft der Zuschauer*innen beflügelt und ihre Dialogbereitschaft angeregt werden. Frauke Dißelkötter zeigt mit kleinen Vorführungen, wie das Papiertheater gehandhabt wird und welchen pädagogischen Nutzen es hat.

Wir arbeiten vor allem mit Schüler*innen zu Friedensthemen und konnten, unterstützt durch Frauke Dißelkötter, eine Kultur des Friedens stärken und unsere Organisationstrategie entwickeln.

Ferancide MASSA, Koordinatorin Friedens- und Gerechtigkeits-Kommission Bafoussam

Ferancide Masse, Koordinatorin der Friedens- und Gerechtigkeitskommission Bafoussam
Materialtisch für die Gestaltung von Kamishibai-Bildern
Viviane Lontsi, Kollegin von Frauke Dißelkötter, öffnet die Tür des Theaters.
Noch ist der Vorhang geschlossen.
Der Countdown läuft.
Diese Vorführung erzählt die Schöpfungsgeschichte.
In dieser Erzählung geht es um eine große und eine kleine Laterne, die sich zusammentun und so heller und stärker sind.

Den Auftakt machte eine Geschichte über Solidarität und Stärke. Im Anschluss gestaltete jede/r Teilnehmer*in ein Bild, das sein/ihr Leben repräsentiert und der Gruppe vorgestellt wurde. Das Erzählen der eigenen Geschichte vor vielen Menschen mit dem neuen Medium war für viele eine wichtige Erfahrung. Später erarbeiteten die Teilnehmer*innen in Gruppen die Vorteile des Theaters für die Friedensarbeit, dessen Einsatzmöglichkeiten und Aspekte für die Durchführung. Danach entwickelten sie organisationsintern Kamishibai-Geschichten und stellten diese im Plenum vor. Am Ende hatten alle beteiligten Organisationen ihr eigenes Papiertheater im Gepäck, frisch angefertigt von einem lokalen Schreiner in Bafoussam. Nun steht der Theaterarbeit in den Diözesen nichts mehr im Weg.

Wissenswert

Das Kamishibai entwickelten ursprünglich buddhistische Mönche in Japan. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nutzten es in seiner jetzigen Form fliegende Händler, die Kinder mit ihren Geschichten anlockten, um ihnen nach der Erzählung Süßigkeiten zu verkaufen. Die Kamishibai-Männer, wie die Händler genannt wurden, hatten einen mobilen Laden mit einer kleinen Bühne auf ihren Rädern aufgebaut. Die Entwicklung neuer technischer Medien verdrängte das Papiertheater aus dem öffentlichen Leben. Seit den 1970er Jahren wird es wieder in der Pädagogik eingesetzt. In Deutschland wird das Kamishibai überwiegend für die Entwicklung von Kreativität, Fantasie und Sprache bei Kindern unterstützend eingesetzt.

Die CDJP's in den Diözesen engagieren sich stark für eine Kultur des Friedens auf Gemeindeebene. Dafür bauen sie in den Gemeinden vor Ort Friedens- und Gerechtigkeits-Komitees auf, die ein friedliches Zusammenleben unterstützen. In den katholischen Schulen initiierten sie Friedensclubs, in denen sich die Schüler*innen über soziale Werte austauschen können und Kompetenzen für die gewaltfreie Lösung von Konflikten lernen.

Diese Arbeit könnte vom Erzähltheater profitieren. Auch für die Erwachsenenbildung ist der Weg des Kamishibai schon vorbereitet: Im kamerunischen Alltag oder in der Kirche werden oft Gleichnisse und Sprachbilder benutzt. Gute Geschichten erleichtern den Einstieg in ein Thema, fesseln die Aufmerksamkeit und durch die Verbindung visueller und auditiver Reizen entsteht eine nachhaltige Wirkung. Zudem ermöglicht ein empathisches Erleben der Erfahrungen eines anderen Menschen den Austausch über Emotionen und Werte, wie es in einer Kultur des Friedens notwendig ist.

Die Männer und Frauen in den Gemeindekomitees haben sehr unterschiedliche Bildungsniveaus. Durch die Kamishibai können wir nun einfacher komplexe Themen und Ungerechtigkeiten mit ihnen bearbeiten, um den Frieden in unserer Diözese weiter zu fördern.

Jean Paul MOMO, Ressource Person, CDJP Nkongsamba

Das Erzählen der eigenen Geschichte mit ihren möglichen Ungerechtigkeiten kann – ganz in Anlehnung an das Forumtheater von Augusto Boal – zur gemeinsamen Suche nach Lösungen für Konflikte und zu Impulsen für eigenes Handeln führen. Nicht zuletzt ermöglicht die Methode Menschen mit unterschiedlichen Bildungsniveaus und Sprachen einen Austausch miteinander und ist als Arbeitsinstrument auch in einem Land mit vielen Stromausfällen zuverlässig verfügbar.

Text: Frauke Dißelkötter/Ursula Radermacher

23.08.2021