Jugendlichen eine Bühne geben

Silvia Mazzocchin

Jordanien nimmt seit Jahrzehnten sehr viele Flüchtlinge auf. Deren Lebenslage ist schwierig, nur die wenigsten können ihren Kindern Perspektiven und Bildung ermöglichen. Um sie aufzufangen, bietet der Jesuiten Flüchtlingsdienst JRS in Amman Musik-projekte, Theater, Tanz und Sport für Kinder und Jugendliche an. Sie sollen positive Erfahrungen vermitteln, aber auch Fähigkeiten, die später für einen Beruf nützen können.

 

Im Juli wird es so weit sein. Dann kommen die rund 75 Kinder und Jugendlichen, die sich jede Woche in den Räumlichkeiten des Jesuiten Flüchtlingsdienstes treffen, zusammen auf die Bühne. Es wird dynamisch werden, schwungvoll, informativ und bunt. Es wird ein Musical werden, in dem jede und jeder der 10- bis 17-Jährigen seine Rolle und seinen Platz hat. Dafür proben die Kids schon seit Längerem in verschiedenen Kursen. Dorthin bringen sie ihre eigenen Stärken mit, aber auch eine Erfahrung, die alle teilen – die der Flucht und des Sich Zurechtfindens in einem anderen Land.

Soziale Inklusion durch Kunst

Inmitten einer von Kriegen und Konflikten geprägten Region ist das Königreich Jordanien im Nordwesten der Arabischen Halbinsel für Viele ein Ort der Zuflucht geworden, zumindest vorübergehend. Während Syrer*innen und Palästinenser*innen die größten Flüchtlingsgruppen darstellen, gehören Menschen aus dem Irak, dem Jemen, Eritrea oder dem Sudan zu den Minderheiten. Mit Letzteren arbeitet der JRS zusammen, „da viele Jugendliche hier besonders von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sind“, sagt ZFD-Fachkraft Mara Giordano. Gemeinsam mit ihren jordanischen Kolleg*innen betreut sie das Kunst- und Sportprogramm des JRS, in dessen Rahmen auch das Musical vorbereitet wird. „Wir wollen Kreativität und Bewegung dazu nutzen, um soziale Inklusion und den Frieden zu fördern“, sagt Giordano. Dies beziehe sich vor allem auf die Geflüchtetengruppen untereinander, aber auch auf die Gastgemeinden, in denen sie aufgenommen wurden und leben. Damit das funktioniert, kümmert sich das JRS-Team intensiv darum, Menschen zu finden, die mitmachen.

 

Silvia Mazzocchin
Silvia Mazzocchin
Husam Hasan

In einem anderen Kurs lernen Kinder traditionelle jordanische Tänze, in einem weiteren Skateboardfahren. Die meisten Aktivitäten werden von Freiwilligen aus den Geflüchtetengruppen angeboten. Auch die Handlung des Musicals stammt aus der Feder eines sudanesischen Schriftstellers, der nach Jordanien geflohen ist. Mara Giordano kümmert sich darum, dass alle, die sich an den Aktivitäten beteiligen wollen, gut vorbereitet sind, um gemeinsam aktiv und kreativ zu sein. Dazu gehört, dass sie Kursangebote mit plant, neue Trainer*innen ausfindig macht, Schulungen für sie organisiert und so sicherstellt, dass Lehrkompetenzen vorhanden und Lehrmethoden aktuell und passend sind.

Psychosoziale Beratung ist wichtige Komponente

Weil es viele Kinder und Jugendliche gibt, die auf der Flucht angstvolle Erfahrungen gemacht haben, ist bei allen Aktivitäten psychosoziale Beratung durch Sozialarbeiter*innen integriert. „Und auch die Kunst selbst kann eine heilsame Unterstützung sein“, sagt Mara Giordano. Hierfür stelle der JRS Raum und Kapazitäten zur Verfügung. „Unsere Angebote sind oft die einzige Perspektive für jugendliche Geflüchtete – auch im Hinblick auf ihre berufliche Entwicklung“, sagt Giordano. Da Geflüchtete in Jordanien nur geduldet sind und nicht arbeiten dürfen, ist es für die junge Generation kaum möglich, sich beruflich zu orientieren, geschweige denn Fähigkeiten zu erlernen, die im späteren Berufsleben wichtig sein könnten. Auch hier möchte der JRS unterstützen. Für das nächste Halbjahr sind daher Kurse geplant, die Kunst und Musik mit Sprachunterricht auf Englisch verbinden.

Es braucht Geduld, bis Vertrauen entsteht

Bei der Planung bringt ZFD-Fachkraft Mara Giordano auch Methodenkenntnisse ein, die sie bei vorherigen Einsätzen in Südamerika und Indien kennengelernt hat. Diese mit ihren jordanischen Kolleg*innen für den lokalen Kontext zu reflektieren, empfindet sie dabei als Herausforderung und Bereicherung zugleich. „Wenn unterschiedliche Lebensweisen, Sprachen und Vorstellungen zusammenkommen, braucht es Geduld und Offenheit, bis Vertrauen entsteht und man gemeinsam Neues versuchen kann“, sagt sie. Das gelte auch für die Arbeit im Programm und brauche sensible Kommunikation unter allen Beteiligten. Der freudige Enthusiasmus der Kids bei den Musical-Proben zeige ihr, so Mara Giordano, dass sie auf dem richtigen Weg sind.

 

19.06.2024


Text: Eva Maria Helm, Mara Giordano