Apartheid und Gewaltgeschichte des Kolonialismus
Johannesburg, wo die Schatten der Apartheid noch deutlich spürbar sind, erwies sich als geeigneter Ort für das erste Treffen der DVS-Leiter*innen, die auch AGIAMONDO-Fachkräfte sind. Es gab Projektbesuche zu städtischer Entwicklung in Informellen Siedlungen, Stadtführungen und die Besichtigung des Apartheid-Museums, um die Themen zu vertiefen. Misereor trägt als christliche Organisation der internationalen Entwicklungszusammenarbeit die Last der Gewaltgeschichte des Kolonialismus, in der auch die Kirche eine unheilvolle Rolle spielte, mit. Die Muster dieser Vergangenheit prägen bis heute das Handeln. Und so stellt sich für die DVS-Leiter*innen von Misereor die Frage, wie die partnerschaftliche Zusammenarbeit gestaltet und entkolonialisiert werden kann. Eine mögliche Unterstützung der Dialog- und Verbindungstellen in diesem Prozess ist angedacht. An der hybriden Veranstaltung nahmen Mitarbeitende von Misereor und von AGIAMONDO teil. Außdem waren Adriano Martins/Brasilien und Mervyn Abrahams/Südafrika als Kolleg*innen von Partnerorganisationen sowie die Expertin für Frauenrechte Françoise Mukuku aus der DR Kongo teil. Moderiert wurde die Veranstaltung von Tessa Dooms aus Südafrika.
Den Fokus in der Entwicklungszusammenarbeit verschieben
Die UN-Agenda 2030 sieht Entwicklungspotenzial nicht nur bei den Ländern des Globalen Südens. Der Begriff "Entwicklungshelfer*in" ist nicht mehr zeitgemäß. Ebenso steht die Bezeichnung "Entwicklung" auf dem Prüfstand. Daraus entstanden folgende Fragen und Gedanken: "Wäre es nicht passender, anstelle über Entwicklung von sozialer Gerechtigkeit oder globaler Solidarität zu sprechen? Und würde der Blick auf reiche Menschen anstatt auf arme Menschen nicht eher zu Änderungen führen? Welche Veränderungen gäbe es, wenn die Entwicklungszusammenarbeit ihren Fokus dahingehend verschieben würde?" Gastredner Mervyn Abrahams von der NGO Economic Justice and Dignity Group aus Pietermaritzburg meint dazu: "Das Problem liegt an der Zentrierung des Reichtums in wenigen Händen". Kritisiert wurde, dass im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der Status Quo der Welt eher fixiert statt verändert würde. Als aktuelle Beispiele für die weitere neo-koloniale Ausbeutung wurden die geplante Produktion von grünem Wasserstoff in Namibia u. a. für Deutschland genannt. Auch der CO2-Ausgleich, der die Übernutzung von Ressourcen bei gleichzeitiger Erreichung der Klimaziele kompensiert, zementiere die Verhältnisse.
Die Auseinandersetzung mit Dekolonialisierung und der sozial-ökologischen Transformation ist ein Prozess, der das Verlassen der eigenen Komfortzone erfordert. Die DVS-Leiter*innen wollen sich diesem Prozess im engen Austausch mit Misereor und ihren Partnerorganisationen stellen.
Text: Julia Krojer
21.02.2023