In Beziehung bleiben ist das Wichtigste - Austausch lässt sich für AGIAMONDO-Beraterin auf Zeit, Dr. Friederike Repnik, nicht allein über virtuelle Wege gestalten.

AGIAMONDO

Der Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit und Versöhnung ist ein sensibles Themenfeld. Deshalb ist Dr. Friederike Repnik mehrmals im Jahr in den Projektländern, um Partner und Fachkräfte persönlich zu treffen und Erfahrungen auszutauschen. Was die coronabedingte Umstellung auf digitale Kommunikation für ihre Arbeit bedeutet, berichtet sie AGIAMONDO im Interview.

Wie hat sich Ihre Arbeit durch die zunehmenden virtuellen Formate verändert?

Meine Arbeit lebt von Begegnung. Als Beraterin auf Zeit begleite ich Partner und Mitarbeiter*innen von AGIAMONDO bei Fragen im Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit und fördere den Austausch. Kommunikation als Vertrauen schaffendes Miteinander, aus dem tragfähige Beziehungen entstehen, ist dabei zentral. Mit Video-Konferenzen ist das viel schwerer umsetzbar, weil das zwischenmenschliche „Beieinandersein“ fehlt. Vor allem, wenn man sich zum ersten Mal trifft.

Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch?

In der Auseinandersetzung mit Gewalt sind wir häufig mit schmerzhaften Erfahrungen konfrontiert. Für die Fachkräfte kann das belastend sein. Über den Bildschirm lässt sich dies jedoch nicht immer gleich erkennen, geschweige denn angemessen auffangen. In den Partnerländern wiederum geht es viel darum, Menschen zu stabilisieren, damit sie Vertrauen in sich und andere neu aufbauen können. In beiden Fällen ist eine enge fachliche Begleitung wichtig, bei der die persönliche Begegnung im Mittelpunkt steht. Virtuelle Verbindungen können das nicht ersetzen.

Welche Lösungen haben Sie gefunden?

Am wichtigsten ist mir, Beziehungen aufrecht zu erhalten. Dazu nutze auch ich digitale Formate. Zum Beispiel ist aus dem Bedürfnis nach solidarischer Verbundenheit mit Partnern und Fachkräften weltweit eine WhatsApp-Gebetsgruppe entstanden, in der wir jeden Tag einen spirituellen Impuls teilen. Auch haben wir ein Netzwerk-Treffen mit Partnern aus den verschiedenen Ländern digital umgesetzt. Und es gibt zwei Online-Fokusgruppen mit Fachkräften und Koordinator*innen, in denen wir ein bis zwei Mal im Monat Aspekte des Schwerpunktthemas vertiefen. Durch die Regelmäßigkeit und die gleichbleibenden Teilnehmer*innen ist es gelungen, vertrauensvolle Räume für den Austausch sensibler Themen zu schaffen. Was wir aus den Gesprächen mitnehmen, findet dann seinen Platz in der Zusammenarbeit mit den Partnern.

Wie geht es weiter?

In der Versöhnungsarbeit ist es wichtig, leidvolle Erfahrungen zuzulassen. Erst wenn wir verstehen, was passiert ist, können wir Wege suchen, die wir weitergehen wollen. Übertragen auf unsere Kommunikation in der Pandemie glaube ich: Wir müssen nicht sofort für alles eine Lösung anbieten und virtuelle Wege schaffen, die persönliche Begegnung vermeintlich ersetzen. Wir sollten uns zugestehen, die spürbare Veränderung anzuerkennen, bevor wir gedanklich schon bei den nächsten Schritten sind. Das ist für mich eine Grundvoraussetzung, um gemeinsam Lernprozesse zu gestalten.

 

Text: Eva Maria Helm

01.12.2020