Weltdienst - Globale Gerechtigkeit erwünscht

Foto: Ursula Radermacher/ AGIAMONDO

Süd-Nord-Fachkraft Stella Matutina spricht an, was die Philippinen und Deutschland verbindet. Seit September 2018 lebt Stella Matutina in Deutschland. Sie ist eine der ersten Süd-Nord-Fachkräfte im Programm Weltdienst von AGIAMONDO und arbeitet seit über einem Jahr bei Missio Aachen.

Im Rahmen dieses Personalprojektes arbeiten Fachkräfte aus dem Globalen Süden in deutschen kirchlichen und gemeinnützige NROs, wo sie ihr Expert*innenwissen einbringen und so zu einem Perspektivwechsel beitragen. Stella Matutina lebte von 1989 bis 2016 als Ordensschwester der Missions- Benediktinerinnen von Tutzing  in Mindanao/ Philippinen, wo sie 1968 geboren wurde. Im Auftrag des Ordens hielt sie sich mehrere  Jahre in Bulgarien und Tansania auf. Als  Expertin aus dem Globalen Süden  verbindet Stella Matutina die Lebensrealitäten der Philippinen  und  des Globalen Nordens.  Mit ihrer Arbeit für Missio möchte sie bei Menschen in Deutschland ein Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen beiden Lebensrealitäten schaffen.

Stella Matutina ist alles andere als eine zurückhaltende, vergeistigt wirkende Ordensfrau.  Sehr lebhaft, schnell und mit großer Leidenschaft spricht sie über Brisantes, wie die politische, ökologische und wirtschaftliche Situation in den Philippinen. Und trotz der Schwere der Thematik spürt man ihre sprühende Lebensfreude in Gesten und Lachen. „Mein zweites Leben und spirituelles Erwachen begann 2009“, sagt sie, „als nachts Militär ins Kloster eindrang und ich aufwachend in einen Gewehrlauf schaute.“ Ein weiterer Impuls waren der gewaltsame Tod eines Pfarrers und Umweltaktivisten, der sich gegen Großplantagen engagiert hatte, sowie die Verfolgung von Indigenen, die sich gegen Agrobusiness und Rohstoffausbeutung wehren. Stella Matutina entschied sich, Menschenrechtsverteidigerin zu werden.

„Gegen die eigene Bevölkerung wird in den Philippinen ein Krieg mit Morden und Vertreibungen geführt“, berichtet Stella Matutina. Besonders gewalttätig sei er in der Region Mindanao, wo 18 verschiedene indigene Bevölkerungen leben. Dort vorhandene Rohstoffe wie Silber, Gold, Lithium und die Erträge der Plantagen mit Bananen, Palmöl, Kaffee und Kakao würden größtenteils exportiert.  Es seien überwiegend internationale Großkonzerne aus den USA, Kanada, China, Japan, Australien und Europa, die das Minen- und Agrargeschäft betreiben. „Die Folgen für die Menschen vor Ort sind Armut, Verlust von Land und verschmutztes Trinkwasser“, betont Stella Matutina, „und als sei das nicht genug, kommen die Müllexporte aus reichen Ländern in die Philippinen dazu.“

Mit ihrer Arbeit für Missio schlägt Stella Matutina eine Brücke zwischen der lebensbedrohlichen Situation der Menschen in den Philippinen und den Menschen hier im reichen Deutschland. Sie besucht Schulen, Youth-Camps und diskutiert mit  Schüler*innenn und Studierenden und schildert wie Ausbeutung und Leid der Menschen in den Philippinen mit dem Wohlstand in Europa zusammenhängen. Dabei regt sie spielerisch die Fantasie der jungen Menschen an und entwickelt mit ihnen Zukunftsszenarien zum  Thema „Good world, bad world“. Für Stella Matutina ist  Papst Franziskus Enzyklika „Laudato si“ über ein gutes Leben für alle und die  damit verbundenen sozial-ökologischen Fragen von größter Bedeutung. Auch sie fließt in ihre Arbeit mit den jungen Menschen ein.

Ihre Bildungsarbeit bezieht auch Erwachsene mit ein: Mit angehenden Goldschmied*innen der Fachhochschule Pforzheim sprach sie über die Bedingungen im Goldabbau in den Philippinen und über fair gehandeltes Gold. Für Missio, wo sie im Presse-, Auslands- und theologischen Bereich,  sowie der Bildungsabteilung mitarbeitet, macht sie in 18 Diözesen Bildungsarbeit. Privat engagiert sie sich für Arbeitskräfte aus den Philippinen und die philippinische Diaspora in Deutschland.

Stella Matutina zu erleben, ist beeindruckend. Sie berührt mit verbaler Wucht ohne ihren Zuhörer*innen moralisierende Vorhaltungen zu machen: „Die Entwicklung hier im Norden geht auf Kosten der fehlenden Entwicklung im Süden. Euer Reichtum ist unsere Armut.“ 

Text: Ursula Radermacher