Gemeinsam Wege im Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit finden

Bianca Bauer

Das Thema Erinnerungsarbeit stand im Fokus eines internationalen Erfahrungsaustauschs mit 26 Fachleuten, der Ende 2023 in Kolumbien stattgefunden hat.

 

Organisiert wurde das Treffen von den AGIAMONDO-Programmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) Kolumbien und Zentralamerika im Rahmen des Schwerpunktthemas Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit und Versöhnung. Und so war es auch dieses Themenfeld, mit dem sich die Teilnehmer*innen aus Mexiko, Guatemala, El Salvador, Kolumbien und Deutschland intensiv befassten. Neben ZFD-Partnerorganisationen und Fachkräften aus Mittelamerika und Kolumbien waren Mitarbeiter*innen aus dem deutschen ZFD-Netzwerk, z. B. das Konsortium ZFD, ein Mitarbeiter der Deutschen Gedenkstätte Hohenschönhausen, einer ehemaligen Haftanstalt für politische Gefangene in der DDR, vertreten sowie die Lateinamerika-Referentin des Beauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit der Bundesregierung teil.

Ziel war der Erfahrungsaustausch zwischen den Vertreter*innen der verschiedenen Länder und Institutionen anhand des konkreten Beispiels von Kolumbien. Wie dort mit gewaltbelasteter Vergangenheit umgegangen wird, erlebten die Teilnehmer*innen bei den Besuchen verschiedener Orte, Organisationen und Gedenkstätten. Sie bewegten sich gemeinsam durch das Centro de Memoria, Paz y Reconciliación (CMPR) in Bogotá und die Häuser der Erinnerung in Tumaco bzw. in Medellín. Der Workshop sollte auch mit dazu beitragen, ein Netzwerk zu entwickeln, das eine Vertiefung des Themenfeldes ermöglicht und die breit aufgestellte Arbeit des ZFD sichtbarer macht.

 

Bianca Bauer
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Kolumbianische Partnerorganisationen geben Einblicke in ihre Arbeit

Kolumbien erlebte über 60 Jahre Bürgerkrieg und auch nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens 2016 kommt es immer wieder zu neuer Gewalt.  Wie kolumbianische Partnerorganisationen damit umgehen, erfuhren die Teilnehmer*innen als sie z. B. das Projekt "Centro Integral de Escucha (CIE)" (Integrales Zentrum des Zuhörens) der Sozialpastoral Apartadó, in dem ZFD-Fachkraft Matthias Breuer mitarbeitet, besuchten (mehr Infos zum CIE). Das CIE ist ein Ort der Begegnung, des Zuhörens, der Selbstfürsorge und des Miteinanders für Menschen aus der Region, in der individuelle und kollektive Erfahrungen von Gewalt, Konflikt, Verlust und Angst das Zusammenleben der Menschen prägen.  Das CIE arbeitet gemeinsam mit Freiwilligen aus der Bevölkerung, den sogenannten "Agentes Voluntarios de Escucha" (Freiwillige des Zuhörens) daran, Vertrauen und gesellschaftlichen Zusammenhalt aufzubauen sowie Versöhnung und die Entwicklung von Lebensprojekten zu ermöglichen.

 

Eindrücke von Teilnehmer*innen

Bei der kolumbianischen Teilnehmerin Catalina Quiroga Pardo, Friedenspädagogin der Partnerorganisation Corporación Otra Escuela, lösten die Aussagen von direkt von Gewalt Betroffenen, viele Gedanken und Emotionen aus.  Sie hofft, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit helfe, künftige Gewalt zu verhindern. Jugendliche, die den Krieg nicht miterlebt hätten, könnten dessen Folgen verstehen und dies fördere den Willen zur Versöhnung. Wichtig sei es, explizit den Zusammenhang zwischen Erinnerungsarbeit und Friedensarbeit vor Ort sichtbar zu machen. Die guatemaltekische Teilnehmerin Miriam Pixtun von der Organisation Resistencia Pacifica la Puya y Alcaldía indígena Nak’awil empfand die unterschiedlichen Arten der Gedenkstättenarbeit in Kolumbien sehr bereichernd. In Guatemala sei sie, so die Historikerin und Dozentin, in den letzten Jahren immer wieder enttäuscht worden, weil hohe Erwartungen an die Friedensprozesse durch unerfüllte Versprechungen und fortbestehende Diskriminierung zunichtegemacht worden seien. Stefan Pleisnitzer, ZFD-Koordinator von AGIAMONDO in Kolumbien, sagt: "Diese Tage waren für uns alle anstrengend und bereichernd. Die Erinnerungsarbeit in den Museen, die Opferbetreuung, die viele unserer Partner leisten und die Zeugnisse der Opfer, die wir getroffen haben, haben uns sehr bewegt". Dies sei eine gute Grundlage für einen weiteren produktiven Austausch über die Landesgrenzen hinweg.

Bianca Bauer
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AGIAMONDO
AGIAMONDO
AGIAMONDO

Zukunftsperspektive dauerhafter internationaler Austausch

Die internationale Begegnung in Kolumbien soll Auftakt für weiteren Austausch zwischen Mittelamerika, Deutschland und Kolumbien sein. Dr. Stefan Donth leitet Strategie und Zeitzeugenarchiv der Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin, die u. a. zur Auseinandersetzung mit politischer Verfolgung und Unterdrückung in der kommunistischen Diktatur anregen und über das System der politischen Justiz informieren soll. Rückblickend auf das Treffen freue er sich auf das zukünftige gemeinsame Lernen. Auch den Austausch darüber, wie man sich um junge Menschen bemühe, schätzt Dr. Stefan Donth sehr. Es gehe darum, diese zu befähigen, sich mit Menschenrechtsverletzungen auseinanderzusetzen und sich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu engagieren.  

08.01.2024

Text: Ursula Radermacher/Dr. Friederike Repnik