Eine Reise ins Ungewisse – Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Frieden und Entwicklung in Uganda

AGIAMONDO-Fachkraft Irene Mukasa-Erben (rechts) im Gespräch mit den Führungskräften von Advance Afrika.

Seit 2020 hat die COVID-19-Pandemie den Alltag und die Lebensweise von Familien, Gemeinden und Staaten vollkommen verändert. Um die verheerenden Auswirkungen einzudämmen, hat auch Uganda präventive Notfallmaßnahmen ergriffen – mit kurzfristigen, aber auch langfristigen Folgen für die ugandische Gesellschaft.

Während Uganda mit 40.378 offiziell registrierten Fällen des neuartigen Corona-Virus im internationalen Vergleich ein eher geringes Infektionsgeschehen aufweist, beeinträchtigen die lokalen und globalen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie das Land und seine Menschen dennoch enorm: Land- und Ressourcenkonflikte verschärfen sich, die Sicherheitslage ist angespannt, Gewalt und Verbrechen nehmen zu und das Justizsystem ist überlastet.

Unmittelbare Folgen treffen vor allem junge Menschen

Die unmittelbaren Folgen treffen vor allem junge Menschen. Seit einem Jahr sind die Schulen vollständig geschlossen. Kinder und Jugendliche entbehren den Zugang zu Bildung sowie konstruktive soziale Engagements mit Gleichaltrigen. Sie sind verstärkt emotionalem Stress, Kinderarbeit und Vernachlässigung ausgesetzt. Insbesondere in den Armenvierteln ist das Risiko von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung gestiegen.

Da infolge des Lockdowns insbesondere in den Städten Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten weggebrochen sind, mussten viele Familien zurück in ihre Dörfer ziehen, um Zugang zu familiären Unterstützungssystemen zu erhalten. Dadurch hat sich dort der Druck auf Land und Ressourcen stark erhöht. Staatliche Subventionen gibt es nicht, sodass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die den größten Teil der Erwerbstätigen ausmachen, Schulden anhäufen und andere Überlebensstrategien finden müssen.

 

Freiwillige Sozialarbeiter*innen und Dorfälteste, die sich in ihren Gemeinden für gewaltfreie Konfliktlösung einsetzen, treffen sich in Amuru zum Austausch.
Gefängnisleiter bei einem Workshop von Advance Afrika zum Thema „Konstruktive Konfliktlösungen“
Freiwillige Sozialarbeiter*innen reflektieren die Probleme in ihren Gemeinden und überlegen Strategien, wie sie diese gemeinsam bearbeiten können.

Schwerer Tribut der COVID-19-Maßnahmen für marginalisierte Gruppen

Auch längerfristige Folgen der Pandemie zeichnen sich bereits ab. Durch COVID-19 ist der Druck auf die allgemeine Bevölkerung gestiegen, wodurch auch die Ausgrenzung marginalisierter Gruppen zunimmt, die oft als „Außenseiter“ gelten und für das, was sie sind, diskriminiert werden. Im Krisenkontext haben sie ein erhöhtes Risiko, ihre Lebensgrundlage zu verlieren. Nicht nur wird ihr ohnehin geringer Zugang zu Unterstützungsmechanismen, einschließlich Gesundheits- und Sozialdiensten, noch weiter eingeschränkt. Auch Teilhabemöglichkeiten im gesellschaftlichen System werden reduziert. Gleichzeitig verstärken sich die gesellschaftliche Ablehnung dieser Menschen, ihre Stigmatisierung und Isolation.

In Uganda ist dies etwa bei Flüchtlingen, indigenen Gruppen, Menschen mit Behinderung, aber auch älteren Menschen zu erleben, die kaum familiäre Unterstützung bekommen. Ehemaligen Gefängnisinsass*innen fällt es umso schwerer, in ihre Familien zurückzukehren. Die Pandemie kann auch direkt zu einer Verschärfung von Konflikten zwischen Flüchtlingen und Aufnahmegemeinschaften führen. Ressourcenbezogene Konflikte, von denen die indigene Bevölkerung betroffen ist, können sich verschlimmern und das Gewaltpotenzial kann generell steigen.

Erhebliche Bildungsverluste für das System und die Lernenden

Die einjährige Schließung der Schulen hat nicht nur eine Qualifizierungslücke geschaffen, sondern das gesamte Bildungssystem aus dem Tritt gebracht. Berichte über Einrichtungen, die aus Existenznot aufgeben und Lehrpersonal, das in andere Jobs abwandern musste, häufen sich. Während Kinderheirat in Uganda schon immer eine Realität war, sind mit COVID-19 frühe Schwangerschaften und "Eheschließungen" angestiegen, was die Chancen junger Mädchen und ihrer Kinder weiter schmälert. Viele schulpflichtige Jugendliche arbeiten nun im informellen Sektor und kehren vielleicht nicht mehr in die Schule zurück. Frustration und Chancenlosigkeit unter den Jugendlichen bieten einen fruchtbaren Boden für Populismus und Manipulation und können zu einem Anstieg von Kriminalität und Gewalt in den Gemeinden beitragen.

 

Wissenswert

Das Programm Ziviler Friedensdienst von AGIAMONDO in Uganda unterstützt katholische Diözesen und Nichtregierungsorganisationen dabei, Menschen bei der friedlichen Bearbeitung von Konflikten zu begleiten. Ziel ist es, Individuen und Gemeinschaften so zu stärken, dass sie ihre Rechte kennen und Wege finden, konstruktiv auf Konflikte zu reagieren und sie gewaltfrei zu bewältigen.

Eskalation von ressourcenbedingten Konflikten

Da die Mehrheit der ugandischen Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebt und Subsistenzwirtschaft betreibt, ist Land eine Schlüsselressource zum Überleben. Landkonflikte stellen seit langem eine große Herausforderung für Frieden und Sicherheit in Uganda dar. Die Abwanderung von Menschen aus den städtischen Zentren in ländliche Gebiete als Folge der COVID-19-Kontaktverbote hat den Druck auf diese Ressourcen erhöht. Gleichzeitig kamen Verfahren zur Klärung von Landrechtsfragen ins Stocken, was weiteren Landraub und die Eskalation von Landkonflikten begünstigt.

Verständigung stärken

Diese langfristigen Auswirkungen von COVID-19 gefährden die Arbeit von Friedensprojekten. Bei einem zunehmenden Maß an Angst, Verzweiflung und Depression sind die Gemeinschaftsstrukturen durch Konflikte und Gewalt überfordert. Das politische Klima ist angespannt, Räume zur Verständigung für die Zivilgesellschaft einschränkt. Soziale Unterstützungsstrukturen müssen gestärkt werden, um einen konstruktiven Umgang mit Konflikten zu ermöglichen und eine weitere Eskalation der Gewalt zu verhindern.

Text: Dr. Norman Mukasa, Irene Mukasa-Erben

01.06.2021