Ein virtuelles Erinnerungsmuseum gegen das Vergessen, die Casa de la Memoria – Kaji Tulam in Guatemala

Virtueller Ausstellungssaal "Revolucion"

Die Casa de la Memoria - Kaji Tulam in Guatemala-Stadt ist ein Raum der Begegnung und Wissensvermittlung, der an das Leben, die Unterdrückung und den Widerstand der indigenen Bevölkerung Guatemalas erinnert. Das museumspädagogische Team der Einrichtung hat jetzt einen virtuellen Rundgang entwickelt, der trotz Schließung aufgrund der Corona-Pandemie den Zugang zu Erinnerung und Geschichte ermöglicht. ZFD-Fachkraft Karolin Loch hat daran mitgearbeitet. Sie berichtet, wie es dazu kam und was die Ausstellung bewirken soll.

Als im März 2020 strikte Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Guatemala verhängt wurden, war das Erinnerungsmuseum Casa de la Memoria - Kaji Tulam (CALDH) einer der ersten Orte, der geschlossen wurde. Bis dahin kamen täglich durchschnittlich 20 bis 40 junge Menschen, teilweise sogar bis zu 120 Schüler*innen. Für uns als museumspädagogisches Team stellte sich die Frage, wie der für Guatemala wichtige Zugang zu Erinnerung und Geschichte weiterhin garantiert werden konnte. Die Möglichkeit, einen Ort der Erinnerung zu besuchen, sollte vor allem deshalb nicht verloren gehen, weil die Pandemie besonders die Menschen hart traf, die im Laufe ihres Lebens kontinuierlich Ausgrenzung und Benachteiligung erfahren hatten. Als wir in der Mitte 2020 die ersten virtuellen Ausstellungen anderer Museen sahen, hatten wir die Idee, so etwas ebenfalls in der Casa de la Memoria - Kaji Tulam anzubieten. Ein interaktiver Rundgang würde es zudem auch jungen Menschen aus ländlichen Regionen, die kaum in die Hauptstadt kommen, ermöglichen, das Museum zu besuchen.

Startbild des virtuellen Rundgangs
Virtueller Ausstellungsraum "Cosmovision Maya"
Virtueller Ausstellungssaal "500+anos"

Nach der Entscheidung für das virtuelle Format fragten wir uns, wie das physische Erinnerungsmuseum zur virtuellen Ausstellung in Beziehung gesetzt werden könnte, wenn ein virtueller Rundgang den echten Museumsbesuch nicht ersetzen kann und soll. Wir beschlossen, das Erinnerungsmuseum und seine virtuelle Ausstellung als zwei voneinander unabhängige Möglichkeiten zur Erinnerung zu planen. Beide Ausstellungen sind Orte, in denen wir die Erinnerung und Geschichte der Frauen sowie der indigenen Bevölkerungsgruppen erzählen, deren Perspektive oft keinen Eingang in die öffentlichen Geschichtsbücher findet. Ihre Geschichte ist seit der Invasion der Europäer in Lateinamerika von einem Kontinuum an Gewalt geprägt. Doch sie ist vor allem auch ein fortwährender Widerstand gegen Diktaturen und die gegen sie gerichtete Unterdrückung, um ihr Verständnis des Kosmos, ihre Lebensformen, Sprachen und vieles mehr am Leben zu erhalten. Diese Erinnerungen prägen auch das Narrativ der virtuellen Ausstellung und verbindet diese dadurch mit der physischen Casa de la Memoria. Da sich beide Erinnerungsorte insbesondere an Jugendliche richten, vermitteln freiwillige jugendliche Museumsbegleiter*innen die Inhalte in der virtuellen Ausstellung. Die vielfältigen Perspektiven konnten einbezogen werden, weil ein multidisziplinäres Team mit anthropologischen, historischen, juristischen, künstlerischen und pädagogischen Sichtweisen das Konzept erarbeitete. Ein Kuratorenteam aus Mexiko setzte es mit künstlerischer Unterstützung um. Dabei bezogen sie Beiträge von Fotograf*innen, Filmemacher*innen, Zeichner*innen und Musiker*innen mit ein, die dem Erinnerungsmuseum nahestehen oder dort bereits ihre Werke ausgestellt haben.

Im "realen" Museum - ZFD-Fachkraft Karolin Loch im Gespräch mit der Koordinatorin Edda Gaviola
Museumsraum über den ersten Völkermord in Guatemala zur Zeit der Invasion der Europäer
Im Museum - Gespräch zur Erinnerungsarbeit der Mitarbeiterinnen und Fachkräfte

Wir als Team der Casa de la Memoria hoffen, alle Sinne der Besucher*innen der Ausstellung anzusprechen. So soll die Erinnerung an den Widerstand der Frauen und der indigenen Bevölkerungsgruppen Jugendlichen in ganz Guatemala, dem Kontinent und der Welt nahegebracht werden. Ihre Geschichte, die nicht in Vergessenheit geraten darf, weil es im Laufe der Zeit vor allem der Widerstand gegen Unterdrückung war, durch den Diktaturen besiegt wurden. Trotz aller notwendigen pandemiebedingten Restriktionen dürfen wir die Erinnerung an diese Geschichte nicht beschränken, sondern sind dazu aufgefordert, ihr weiterhin Flügel verleihen.

Zum Virtuellen Rundgang


28.04.2021

Karolin Loch/Ursula Radermacher