Digitalisierung ist nur ein Teil der Lösung - Im indischen Assam verbinden AGIAMONDO-Partner virtuelle Lernformate mit lokalem Engagement, um trotz schwieriger Voraussetzungen Bildung auf Distanz möglich zu machen.

Jonas Pfäffinger (Mitte) beim Besuch einer Grundschulklasse in Assam, kurz vor dem Corona-Lockdown.

Nur die wenigsten Kinder in Nordostindien verfügen über technische Mittel, um online unterrichtet zu werden. Seit der pandemiebedingten Umstellung auf Fernunterricht ist ihr Zugang zu Bildung stark eingeschränkt. Zusammen mit seinen Kolleg*innen vom Don-Bosco-Institut der Salesianer in Assam unterstützt AGIAMONDO-Fachkraft Jonas Pfäffinger alltagstaugliche Lösungen, die das ändern sollen.

Als im März 2020 zur Eindämmung der Corona-Pandemie alle Bildungseinrichtungen in Indien geschlossen wurden, begann für tausende Schüler*innen eine Zeit des Abgeschnittenseins. Ohne den lokalen Treffpunkt Schule fiel der Zugang zu Unterrichtsinhalten weg, zu Freund*innen, zu pädagogischer Begleitung, beruflicher Qualifizierung und letztlich zu Chancengleichheit.

Ärmere bleiben außen vor

Zwar gibt es in Indien einen großen Markt für digitale Bildungstools und Apps, die Lernen auf Distanz ermöglichen. Hiervon profitieren jedoch vor allem wohlhabende Familien in den Städten, die über digitale Endgeräte und eine stabile Internetverbindung verfügen. In ärmeren Regionen wie dem nordöstlichen Bundesstaat Assam haben höchstens 30 Prozent der Schüler*innen die Möglichkeit, ein Smartphone oder Laptop zu nutzen.

Das ergaben Untersuchungen des in Assam ansässigen Don-Bosco-Instituts der Salesianer. Es setzt sich für Bildungsprojekte in der Region ein und wird durch das deutsche Kinderhilfswerk Childaid Network gefördert. AGIAMONDO-Fachkraft Jonas Pfäffinger unterstützt die Arbeit des Instituts als Berater und Projektmanager. Zusammen mit fünf Kolleg*innen koordiniert er die Umsetzung lokaler Initiativen, deren Ziel es ist, den Zugang zu Bildung für Kinder und Jugendliche aus wirtschaftlich schwachen Umfeldern zu verbessern.

Kein Wissen ohne Netz

Doch in Zeiten, in denen Informations- und Wissensvermittlung von heute auf morgen statt in direktem Kontakt vielmehr mittels technischer Geräte und einer guten Netzabdeckung funktioniert, stellt dies eine enorme Herausforderung dar.

Zwar konnte das Don-Bosco-Team selbst seine Kommunikation nach dem Corona-Lockdown dank langjähriger Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien reibungslos auf Online-Kanäle umstellen. Der Austausch mit einigen Projektteams, die in sehr abgelegenen Gebieten arbeiten, brach hingegen fast völlig ab. Schüler*innen in den Bergregionen oder Familien in Armutsvierteln wurden meist gar nicht mehr erreicht. Hier Lernen auf Distanz online oder per App umzusetzen schien unter diesen Umständen ausgeschlossen.

In den abgelegenen Bergdörfern in Nordostindien ist die Internetverbindung sehr schlecht, so dass Schüler*innen Online-Bildungsprogramme kaum nutzen können.
Zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind die meisten Schulen in Indien geschlossen.
Versammlung in Lakhimpur/ Assam
Grundschüler in Lakhimpur/ Assam
Lernen unter Corona-Bedingungen - Diese Kinder im nordostindischen Chirang lernen jetzt in Kleingruppen mit Abstand und im Freien.

Wissenswert

Seit 2007 unterstützt das Kinderhilfswerk Childaid Network   bedürftige Kinder und Jugendliche in Südasien (Nordostindien, Nepal, Bangladesch und Myanmar), indem es ihnen den Zugang zu Bildung und Ausbildung ermöglicht. Dabei arbeitet die Organisation eng mit staatlichen Behörden und derzeit 37 lokalen Partnern zusammen. Jährlich werden rund 50.000 Kinder und Jugendliche an etwa 670 Projektstandorten gefördert.
 

Jonas Pfäffinger begleitet dieses Engagement seit November 2019 als AGIAMONDO-Fachkraft im Programm „Dialog und lebendige Partnerschaft“. Seine Stelle wird von der deutschen Stiftung Childaid Network kofinanziert. Am Don-Bosco-Institut der Salesianer in Jorhat, Assam berät er zusammen mit fünf Kolleg*innen lokale Projektpartner bei der Umsetzung ihrer Bildungsinitiativen.

Kreative Wege zur Bildung

Schnell wurde klar: Wenn Kinder und Jugendliche in abgelegenen Gebieten keine technischen Mittel haben, um an ihre Unterrichtsinhalte zu kommen, müssen Lösungen entwickelt werden, die die Informationen auf anderem Weg zu ihnen bringen. Viele lokale Organisationen fanden hier kreative Wege, die Jonas Pfäffinger und das Don-Bosco-Team beratend und organisatorisch begleiteten.

In vielen Gemeinden in Assam wurden Freiwillige ausgewählt, die, mit einem Smartphone ausgestattet, Schüler*innen zu Hause besuchten, ihnen kurze Lernvideos zeigten oder aufgezeichnete Erläuterungen ihrer Lehrer*innen vorspielten. Ideen für die mobile Wissensvermittlung lieferte eine eigens zu diesem Zweck angeschaffte App, die Lehrkräfte und freiwillige Helfer*innen nutzen konnten.

Virtuell vernetzen, lokal lernen

Auch im Bereich der Berufsbildung, wo weniger fehlende Technik als vielmehr die krisenbedingte Einschränkung der Mobilität den Bildungszugang beeinträchtigte, halfen digitale Kombi-Lösungen. So initiierten Projektpartner ein Internetforum, das junge Ausbildungsanwärter*innen mit lokalen Betrieben vernetzte, anstatt sie wie bisher zentral in großen, weit entfernten Ausbildungsstätten zu schulen. Für Unterrichtseinheiten wurden digitale Module entwickelt, die Praxiseinheiten ließen sich direkt vor Ort absolvieren. Dadurch entfiel nicht nur der Reiseaufwand für die Auszubildenden. Auch die Betriebe profitierten, indem sie ihre Nachwuchsmitarbeiter*innen frühzeitig kennenlernen und begleiten konnten.

Persönlicher Austausch bleibt unersetzbar

Trotz dieser positiven Impulse bleibt die Gefahr groß, dass die ungleichen Zugangsvoraussetzungen zu Online-Bildungsangeboten die Kluft zwischen der privilegierteren und der ärmeren Bevölkerung Indiens weiter verschärfen. Die Digitalisierung des Bildungsbereichs im Sinne der Zukunftsfähigkeit voranzutreiben, kann daher nur ein Teil der Lösung sein.

Auch in der Arbeit mit den Projektpartnern bleibt der persönliche Austausch vor Ort unersetzbar, findet Jonas Pfäffinger. Stimmung spüren, Atmosphäre wahrnehmen, sein Gegenüber erleben – all das ist nur in der unmittelbaren Begegnung möglich. Sie ist die Basis, auf der Vertrauen aufbaut und Verständnis wächst. Das Don-Bosco-Team wird sich daher in Zukunft noch mehr dafür einsetzen, dass digitale und analoge Lösungen Hand in Hand gehen.

 

Text: Jonas Pfäffinger

01.12.2020