Beim Menschenrechtsbüro ODHAG engagieren sich Karolin Kruse mit ihren Kolleg*innen im Erinnerungszentrum Monseñor Juan Gerardi dafür, dass die gewaltvolle Vergangenheit des Landes aufgearbeitet wird. Um Projekte voranzubringen, arbeitet das Team trotz Corona täglich unter strenger Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln zusammen. „Insbesondere für die Jugend hier ist es wichtig, die Geschichte ihrer Heimat zu kennen“, sagt Karolin Kruse. "Sie können die friedliche Gesellschaft von Morgen gestalten. Das darf durch die Pandemie nicht verloren gehen."
Als Karolin Kruse vor Kurzem ihre Arbeit im Erinnerungszentrum aufnahm, spürte sie gleich, dass sie willkommen ist. "Bienvenida Karolin" hatte das Team auf ein großes Poster geschrieben und an die Wand gehängt. Über diesen persönlichen Empfang freut sie sich immer noch. Vor allem, weil die Vorbereitung auf ihre Ausreise von Distanz geprägt war: Die meisten Trainings fanden pandemiebedigt virtuell statt. Vor Ort gibt ihr die Hilfsbereitschaft ihrer Kolleg*innen nun ein sehr gutes Gefühl. Auch wenn das Knüpfen persönlicher Kontakte unter Corona-Bedingungen nicht einfach ist, ergibt sich häufig ein Gespräch mit Einheimischen, die ihr wertvolle Tipps für den guatemaltekischen Alltag verraten.
An Guatemala gefallen Karolin Kruse vor allem die Vielseitigkeit der Kultur, die Herzlichkeit der Menschen und die farbenfrohen Märkte, auf denen es Unmengen an herrlichen Früchten zu kaufen gibt. An das laute, chaotische Stadtleben in der Millionenmetropole Guatemala-Stadt muss sie sich noch etwas gewöhnen. "Es ist ein krasser Kontrast zur ländlichen Idylle meiner Heimat bei Kassel", sagt Karolin Kruse. "Aber ich genieße die Abwechslung."
Mit der Geschichte und Politik Guatemalas in Berührung gekommen ist Karolin Kruse erstmals während eines Sprachaufenhalts nach dem Abitur. Ihr damaliger Sprachlehrer war Maya und empfahl ihr, den Bericht der kirchlichen Wahrheitskommission zum Genozid in Guatemala zu lesen. Es war die erste spanischsprachige Monographie, die sich Karolin Kruse vor Ort kaufte. Als ZFD-Fachkraft wird sie sich nun mit den Zeug*innenaussagen befassen, die Grundlage des Berichts waren und im Bürgerkriegsarchiv der ODHAG lagern. Der Austausch mit ihren guatemaltekischen Kolleg*innen ist ihr dabei besonders wichtig. "Ich bin sehr gespannt darauf, welche Sichtweisen ich kennenlernen werde und welche Ideen wir gemeinsam verwirklichen, um ein Stück Erinnerung dieses Landes zu bewahren und erfahrbar zu machen."
Text: Sandra Weiss, Eva Maria Helm
04.06.2021