Was haben Sie in Ihrer Fachkraftzeit gelernt?
V. V.: Mir ist bewusst geworden, dass Machtstrukturen innerhalb der Internationalen Zusammenarbeit stärker sind als gedacht. Umso wichtiger ist es – und das nehme ich aus meinem bisherigen Einsatz mit AGIAMONDO mit – Plattformen für einen echten Dialog, eine echte Zusammenarbeit zu schaffen, in der es nicht um "entweder-oder" geht, sondern um ein "sowohl als auch". Das ist ein anhaltender Lernprozess, für beide Seiten.
N. C.: Ich habe inhaltlich und im Arbeitsalltag verschiedenste Sicht- und Herangehensweisen kennengelernt. Das finde ich sehr bereichernd. Ich habe außerdem gelernt, Geduld zu haben – mit anderen und mit mir. Mein Einsatz fiel in den Beginn der Pandemie, die viele Menschen hart getroffen hat, vor allem in Ländern des Südens. Auch ich habe Angehörige verloren. Ich habe Zeit gebraucht, Kontakte in Deutschland zu finden und bin nun umso gelassener, was künftige Wege betrifft.
Was nehmen Sie mit für Ihren künftigen Arbeits- und Lebenskontext?
N. C.: Nach meinem Einsatz beschäftigt mich die Frage mehr denn je: Wie können wir miteinander und voneinander lernen, uns respektvoll zu behandeln? Dafür ist es wichtig, sich eigener Prägungen bewusst zu sein: welche Geschichte(n) trage ich in meinem Rucksack, welche Rollen, welche Werte? Diese intensive Auseinandersetzung mit Beziehungen zwischen Ländern und Menschen ist ein langsamer, aber nachhaltiger Prozess. Es ist schön zu sehen: Auch wenn wir anders denken mögen, sitzen wir gemeinsam auf diesem Planeten und sollten ihn – und uns – entsprechend gut behandeln.
V. V.: Trotz – oder besser: wegen – der diversen Herausforderungen in meinem Arbeitsfeld habe ich meinen Einsatz um ein weiteres Jahr verlängert. Es sind die vielen, nicht immer einfachen Begegnungen, die mir zeigen, dass Wiedergutmachung möglich ist: Während eines Gesprächs beim Katholikentag in Stuttgart im Mai diesen Jahres, bei einer Begegnung des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit afrikanischen Aktivist*innen oder bei den regelmäßigen Treffen mit der Arbeitsgruppe zum Umgang mit dem kolonialen Erbe im Auswärtigen Amt. Ich möchte die Auseinandersetzung mit Dekolonisation weiter vorantreiben, es gibt noch so viel zu tun!
10.08.2022
Interview: Eva Tempelmann