"Ich gebe Bolivien ein Gesicht“ – Engagement für Klimagerechtigkeit beim Bistum Hildesheim

Bistum Hildesheim

Nachhaltigkeit und Umweltschutz erfordern für die Diözesanstelle Weltkirche in Hildesheim globale und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Noelia Crespo Calatayud aus Bolivien teilt diese Überzeugung. Als Süd-Nord-Fachkraft macht sie die Auswirkungen unseres Handelns auf ihre Heimat deutlich und engagiert sich für gemeinsame Lösungen.

 

Was Digitalisierung und Elektromobilität mit dem bolivianischen Salzsee „Salar de Uyuni“ zu tun haben, wissen hierzulande nur wenige. Doch kein Laptop, Smartphone oder E-Auto würde funktionieren ohne den Rohstoff Lithium in ihren Akkus, der tonnenweise unter der dicken Salzkruste im südwestlichen Altiplano Boliviens vorkommt.

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Noelia Crespo Calatayud

„Es gibt viele scheinbar unsichtbare Verbindungen zwischen unseren Ländern“, sagt Noelia Crespo Calatayud und holt ein Heftchen aus ihrer Schreibtischschublade. „Rezeptideen aus Bolivien“ steht darauf. „Auch unsere Essgewohnheiten und der Regenwald im bolivianischen Amazonasbecken hängen zusammen.“ Seit zwei Jahren arbeitet die bolivianische Wirtschaftsingenieurin als Süd-Nord-Fachkraft im Rahmen des AGIAMONDO-Weltdienst-Programms für das Bistum Hildesheim. Dort berät sie die Diözesanstelle Weltkirche zu Klimagerechtigkeit und nachhaltigem Lebensstil.

Globale Zusammenhänge klar benennen

Das Rezeptheft ist eines der neusten Ergebnisse ihrer Arbeit und ein Kooperationsprojekt mit der Fair-Handelsgesellschaft „El Puente“, das Noelia Crespo zusammen mit ihren Kolleg*innen in der Diözesanstelle begleitet hat. Informative Texte klären über die Artenvielfalt des Regenwalds, seine regulierende Rolle für unser Klima auf – aber auch darüber, wie aufgrund des weltweit steigenden Fleischkonsums hektarweise Wald für den Futtermittelanbau gerodet wird. „Allein 2019 hat Bolivien Bestände so groß wie das Land Costa Rica verloren“, weiß Noelia Crespo.

Gesehen hat sie die Brandrodung mit ihren eigenen Augen und auch, wie Menschen und Tiere dadurch ihren Lebensraum verlieren. Und sie betont praktische Lösungsansätze: „Mehr vegetarische Ernährung kann ein erster Schritt für jeden von uns sein.“ Zum Beispiel mit fair gehandelter Quinoa als Fleischersatz, die in den Andenländern zu den Grundnahrungsmitteln gehört. Anregungen für bolivianische Gerichte und die sozial-ökologische Beschaffung der Zutaten liefert das Rezeptheft gleich mit.

 

Wissenswert

Die Bolivienpartnerschaft ist eine lebendige Beziehung seit mehr als 30 Jahren. Glauben und Leben teilen war der Grundgedanke, der 1987 das Bistum Hildesheim und die katholische Kirche von Bolivien zum Aufbau einer Partnerschaft inspirierte. Daraus ist eine Beziehung gewachsen, in der seit mehr als 30 Jahren auf vielfältige Weise Begegnung und Austausch zwischen Kirchengemeinden, Gruppen, Verbänden und Schulen in Deutschland und Bolivien stattfindet.

Betreut wird das Partnerprogramm im Bistum Hildesheim von der Diözesanstelle Weltkirche. Sie organisiert kulturelle Veranstaltungen, Workshops, Begegnungsreisen und den Austausch von Freiwilligen, um die Menschen aus ihren jeweiligen Kontexten zusammenzubringen. Gleichzeitig sensibilisiert und informiert sie zu sozial-ökologischen Fragen, fördert Projekte zur Rohstoff- und Klimagerechtigkeit und unterstützt den Fairen Handel mit Bolivien.

Seit 2019 begleitet Noelia Crespo Calatayud dieses Engagement als Süd-Nord-Fachkraft im Rahmen des Weltdienst-Programms von AGIAMONDO und setzt sich gemeinsam mit dem Team der Diözesanstelle Weltkirche für eine starke Partnerschaft auf Augenhöhe ein.

Unmittelbarkeit ist ein großer Vorteil

„Es ist die Unmittelbarkeit des Kontakts – mit Noelias Erfahrungen, ihren Kenntnissen über die ökologische und politische Situation in Bolivien, aber auch mit ihrer sympathischen und zugewandten Art – durch die alle Projekte an Authentizität und Überzeugungskraft gewinnen“, sagt Dr. Dietmar Müßig, Leiter der Diözesanstelle Weltkirche.

Für die Erstellung des Rezepthefts steuerte Noelia Crespo ihr Wissen über die Umweltprobleme vor Ort bei und schrieb an den Texten mit. Bei anderen Projekten machte sie der Diözesanstelle ihr Netzwerk zugänglich und stellte Kontakte zu bolivianischen Akteuren her. In diesem Kontext unterstützt Noelia Crespo auch den Aufbau und die Pflege einer Social-Media-Plattform, auf der sich junge Freiwillige aus Bolivien und Deutschland vernetzen und austauschen können.

„Noelias Anwesenheit erleichtert es uns außerdem, in vielen Belangen die Haltung unserer bolivianischen Partner besser wahrzunehmen“, so Dietmar Müßig, „und Dinge dann gemeinsam und mehr auf Augenhöhe zu entscheiden.“

Erleben, lernen, weitergeben

Persönlich schätzt Noelia Crespo, dass sie als Süd-Nord-Fachkraft inhaltlich sowie im Arbeitsalltag verschiedene Sicht- und Herangehensweisen kennenlernt. Das stellt sie auch vor Herausforderungen, zum Beispiel bei der Umsetzung des Fotowettbewerbs „Fotos for Future“. Bei dem Kooperationsprojekt der Diözesanstelle mit dem Jugendpastoral im Bistum Hildesheim, dem Jugendpastoral Bolivien, Crespos Entsendeorganisation Stiftung Jubileo und der Comisión de la Hermandad übernahm Crespo die Koordination und stellte fest: „In Deutschland werden Termine mit langer Vorlaufzeit festgelegt und Materialen entsprechend frühzeitig erstellt. In Bolivien ist die Planungskultur viel spontaner.“ Die unterschiedlichen Herangehensweisen gelte es zu vereinbaren, damit Fristen eingehalten werden können.

Dass Deutschland weltweit großen Einfluss auf die Sicherung und Verwendung von Lithium und anderen Ressourcen nimmt, sieht Noelia Crespo kritisch. Gleichzeitig sei das Land ein Vorreiter beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Hier müsse Bolivien noch mehr tun. Stärken und Schwächen gibt es auf beiden Seiten. Um sie gemeinsam zu bearbeiten, braucht es eine lebendige Partnerschaft. „Dazu bin ich hier“, sagt Noelia Crespo. „Ich gebe Bolivien ein Gesicht.“

Text: Eva Maria Helm, Noelia Crespo Calatayud, Dietmar Müßig

September 2021

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 2/2021. Die Gesamtausgabe und die PDF-Version des Artikels finden Sie hier zum Download.