Selbst aktiv werden – Jugendarbeit in Guatemala

Der Politikwissenschaftler Sebastian May unterstützt als ZFD-Fachkraft die Jugendorganisation Kaji B’atz’.

Seit 2019 arbeitet Sebastian May als ZFD-Fachkraft in Guatemala. Dort unterstützt er die Jugendorganisation Kaji B’atz’ dabei, mit Austausch- und Bildungsangeboten die soziale und politische Teilhabe von Jugendlichen zu stärken.

 

„Ich wollte immer mal was anderes machen und mit Jugendlichen in Mittelamerika arbeiten“, sagt Sebastian May. Seit zwei Jahren ist der Politikwissenschaftler als ZFD-Fachkraft bei der Organisation Kaji B’atz’ in der Kleinstadt Panajachel tätig. Der Jugendverband will die politische Partizipation indigener Teenager stärken und sie motivieren, sich für eine Friedenskultur in dem vom jahrelangen internen Gewaltkonflikt geprägten Land einzusetzen. Zuvor hat May während seines Studiums zwei Jahre in Argentinien gelebt und ein 4-monatiges Praktikum bei einer Menschrechtsorganisation in Venezuela absolviert – gute Grundlagen für den Friedensdienst in Guatemala.

Ein über Jahrhunderte verankerter Rassismus erschwere gerade jungen Indigenen in Guatemala oft das Leben, weil sie in vielen Bereichen kaum Möglichkeit haben, sich wirklich zu beteiligen, so May. Die verbreitete Armut verschärfe die Ungleichheit. Die Projektregion am Atitlán-See gehört zu den touristischen Attraktionen, aber auch zu den ärmsten Teilen des Landes. Viele Dörfer sind nur über holprige Schotterpisten zu erreichen oder per Boot. May ist deshalb viel unterwegs und hält über soziale Netzwerke Kontakt zu den Jugendlichen.

Der Politikwissenschaftler Sebastian May arbeitet im Zivilen Friedensdienst in Guatemala.
Gemiensam mit Kolleginnen entwickelt ZFD-Fachkraft Sebastian May pädagogische Konzepte für die Workhops der Jugendorganisation Kaji B’atz‘.
Die Workshops bieten jungen Mädchen Alternativen zu traditionellen Rollenbildern. Das Team von Kaji B’atz lebt Gleichberechtigung vor.
Im Online-Video-Workshop lernen Jugendliche in eigenen Videos von ihrem Leben "mit Corona" zu erzählen. So kamen die Jugendlichen trotz Ausgangssperren zusammen.
Sebastian May entspannt sich beim Joggen. Die gute Verbindung zu seinen Kolleg*innen und den Jugendlichen bei Kaji B’atz’, halfen ihm, sich in Guatemala einzuleben.

Workshops sind das Herzstück der Arbeit von Kaji B’atz’. Gemeinsam entwickeln Sebastian May und seine Kollegin Verónica Pérez innovative, pädagogische Konzepte dafür. „Mein Beitrag zielt darauf ab, die Workshops mitzugestalten und auch neue Methoden einzubringen“, sagt der 41-Jährige, der zuvor viele Jahre mit jungen Menschen im Freiwilligendienst und in der politischen Bildung gearbeitet hat. Als besonders bereichernd erlebt er das positive Feedback der Teilnehmenden – und zu sehen, dass die Workshops Veränderungen in Gang setzen. „Viele Jugendliche wollen selbst aktiv werden und auch andere motivieren,“ so May. Dadurch entstehe ein Dominoeffekt, der es den jungen Menschen ermögliche, Ängste abzubauen und sich zu engagieren.

Die Workshops sind für die Jugendlichen eine willkommene Abwechslung. Mithilfe verschiedener pädagogischer Methoden werden Themen wie Menschenrechte, Gender und Rassismus angesprochen. Sebastian May und Verónica Pérez agieren dabei gleichberechtigt im Team, um sowohl Mädchen als auch Jungen andere Rollenbilder vorzuleben. Die traditionelle Rollenverteilung sei eine Hürde, etwa dabei, auch junge Mädchen in die Workshops zu bekommen, da ihre Eltern sie oft nicht lassen, erklärt May. Kaji B’atz‘ unterstützt sie, Möglichkeiten für sich selbst zu entwickeln, mit Gewalterfahrungen und Diskriminierung umzugehen und vielleicht sogar gestärkt daraus hervor zu gehen. Mit Erfolg: Viele ehemalige Teilnehmerinnen studieren nun oder engagieren sich für sozialen Wandel.

Die Corona-Pandemie hat auch Kaji B’atz‘ vor neue Herausforderungen gestellt. Die Regierung verhängte über Monate strenge Ausgangssperren, Schulen waren geschlossen, Veranstaltungen verboten. Gemeinsam entwarf das Team einen Online-Video-Workshop. Nach einer kurzen Schulung konnten die Jugendlichen in Videos erzählen, wie die Pandemie ihr Leben beeinträchtigt. Anschließend wurden die Filme gemeinsam bearbeitet und online gestellt. „Ich war beeindruckt von der Resonanz, Vielfältigkeit und Kreativität der Teilnehmenden“, sagt May.

„Es fiel mir zuerst ein wenig schwer, mich hier einzuleben“, erzählt Sebastian May. Doch der gute Draht zu seinen Kolleg*innen bei Kaji B’atz‘ und den Jugendlichen half ihm, schnell Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. Ruhe vom turbulenten Arbeitsalltag findet er in seiner Freizeit beim Joggen am See, beim Erwandern von einem der atemberaubenden Aussichtspunkte sowie beim Yoga. Gewöhnungsbedürftig war für den Vegetarier anfangs das eher fleischlastige Essen in Guatemala. Auf den Märkten gibt es aber genügend Obst und Gemüse, so dass er sich nun zuhause Salate und Aufläufe selbst zubereitet.

Text: Angelika Söhne, Recherche Sandra Weiss

September 2021

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 2/2021. Die Gesamtausgabe und die PDF-Version des Artikels finden Sie hier zum Download.