Schwerpunkt ZFD-Zentralamerika - Regen und fehlendes Handyguthaben: Gefilmt wird trotz Hindernissen

Sebastian May

Der Politikwissenschaftler Sebastian May arbeitet seit Mai 2019 bei der NGO Asociación Departamental de Jóvenes "Kaji B'atz" in Sololá/ Guatemala. Zusammen mit seinen Teamkolleg*innen implementiert er ein Programm zur politischen Bildung für Jugendliche und junge Erwachsene. Außerdem begleitet er den indigenen Dachverband Kaji B’atz in seinem Transformationsprozess. Im Interview erzählt Sebastian May, wie flexibel und begeistert die Jugendlichen und sein Team mit den aktuellen Herausforderungen umgehen.

Wie arbeiten Sie und Ihre Kolleg*innen aktuell mit den Jugendlichen?

Ich begleite und koordiniere von Guatemala Stadt aus das Videoprojekt der Asociación Kaji B´atz´ „Leben in Zeiten der Pandemie - eine Analyse der Lebenswelt rund um den Lago Atitlán“ die Bezug auf die Themen Tourismus, Wirtschaft, Gesundheit, Familienleben und persönliche Studien- oder Arbeitssituation nimmt. Vier Gruppen aus unterschiedlichen Gemeinden aus dem Department Sololá entschieden sich jeweils für eines der genannten Themen und starteten mit eigenen Ideen, die wir über Whatsapp-Videocall, Zoom-Konferenzen oder "per Telefon dazu geschaltet" in der Umsetzung und Konzeptionierung begleiteten.

In drei thematisch unterschiedlich ausgerichteten Workshops vermittelten wir Tipps und Informationen, die für die Jugendlichen für den geplanten Dreh von Bedeutung waren. Gelegentlich waren bei den virtuellen Meetings mit ihnen die Hintergrundstimmen der Familien, die Hunde oder Hähne lauter zu vernehmen, als die Antworten der Jugendlichen selbst. Rückzugsräume oder eigene Zimmer sind in den Lebensverhältnissen der Jugendlichen selten.

Verónica Pérez
Raphael Zepeda
Sebastian May
Sebastian May
Arnoldo Coz

Gab es Einschränkungen oder Herausforderungen?

Als Team sahen wir uns mit Herausforderungen konfrontiert, auf die wir uns täglich neu einstellen mussten: Regenfälle, die den geplanten Dreh verhinderten, Versammlungsverbote in den Gemeinden aufgrund von Covid19 oder das fehlende Handyguthaben der Jugendlichen, die die Durchführung von Videokonferenzen erschwerten. Besonders einschneidend erwiesen sich für eine Gruppe Jugendlicher die Grenzstreitigkeiten zwischen zwei Gemeinden, in denen sie lebten. Schwelende Auseinandersetzungen, die immer wieder gewaltsam ausbrachen, führten dazu, dass der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. An Filmen war dann nicht mehr zu denken.

Was sehen Sie als Erfolg an?

Wir haben in dieser Zeit gelernt, dass vieles, uns anfangs undurchführbar Erscheinendes, möglich wurde, weil die Jugendlichen hochmotiviert und sehr kreativ waren. Wir waren gezwungen, das Projekt täglich neu zu denken und Strategien anzupassen. Flexibilität ist eben nicht nur in Zeiten der Pandemie in Guatemala ein Muss. Das Ergebnis des Projekts ist schon jetzt ein Erfolg; die Jugendlichen haben Hotelbesitzer*innen und -personal, die Hersteller*innen und Verkäufer*innen von Kunsthandwerk, Restaurant- und Barbesitzer und -bedienstete sowie Landwirte interviewt und dabei sehr unterschiedliche Erfahrungsschätze zusammengetragen. Da sie erstmals ein eigenes Video gedreht haben, sprechen sie nun ganz selbstbewusst von "ihrem ersten Film" und davon, dass sie "Lust auf mehr" haben. In ihren Videos zeigen sie eine Welt rund um den Lago Atitlán, die sich ohne Covid19 kulturell vielfältig, lebhaft und farbenfroh präsentiert. Jetzt in Zeiten der Pandemie wirkt sie trostlos und verlassen. Es ein Pilotprojekt, dass die gelebten Geschichten der Menschen vom Lago Atitlán erzählt, die nicht vergessen werden dürfen.

Text: Sebastian May/ Ursula Radermacher

14.07.2020