Im Mittelpunkt des EDP stand das Thema "'Bürgernahe' Polizeiarbeit? Die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Akteure im Sicherheitssektor". Drei Tage konnten die elf Teilnehmer*innen aus der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, Wissenschaft und Medienbranche tiefgehende Einblicke in die Friedens- und Konfliktarbeit der Gastgeber*innen der Partnerorganisationen gewinnen. An dem Programm waren unter anderem auch die Kolleg*innen von Stephen Njuguna, der als ZFD-Fachkraft beim Coast Inter-Faith Council of Clerics (CICC) arbeitet, beteiligt. Teilnehmerin Sofie Flurschütz kam mit hohen Erwartungen an das Programm nach Kenia und war gespannt darauf, welche Erfahrungen und Erkenntnisse sie aus der kurzen Zeit bei ihrer Gastgeberin würde mitnehmen können. Hier berichtet sie über ihre Zeit mit Warda Zighe, Programme Officer und Mediatorin bei der NGO "Haki Yetu Organisation":
"Bevor ich nach Kenia gereist bin, habe ich mich über das ostafrikanische Land informiert. Kenia ist flächenmäßig größer als Deutschland, hat aber nur rund 55 Millionen Einwohner*innen. 2021 erreichte das Land auf dem Human-Development-Index einen Wert von 0,575 – diese Kategorie bedeutet "mittlere menschliche Entwicklung". Damit liegt Kenia auf Platz 152 von 191 Ländern und Territorien.
In Kenia angekommen war ich von der Gastfreundschaft und der Herzlichkeit beeindruckt. Der Exposure-Aufenthalt bei meiner Gastgeberin Warda Zighe in Malindi vermittelte mir trotz der Kürze einen guten Einblick in ihre Lebensrealität und ihre Gestaltungsmöglichkeiten. Warda Zighe engagiert sich bei der Menschenrechtsorganisation Haki Yetu Organization. Die NGO arbeitet sowohl mit Polizeidienststellen als auch mit sozialen Gruppen, die verstärkt im Fokus der Polizei stehen, eng zusammen. Sie organisiert vertrauensbildende Maßnahmen und schult Vertreter*innen dieser Fokusgruppen und der Polizeikräfte. Dazu gehört die Konfliktmeditation, die in der Ausbildung kenianischer Polizist*innen nur eine marginale Rolle spielt. Ich erlebte Warda Zighe als eine kluge, freundliche und einfallsreiche Frau, die ihre Mitmenschen immer wieder auffordert, als Bürger*innen aktiv zu werden und neue Wege zu gehen.
Von meiner Gastgeberin habe ich vor allem diese drei Dinge gelernt: Sich selbst zu organisieren. Viele Menschen in Kenia sind arm, doch sie können sich zusammentun und Wissen teilen. Das hilft z. B. bei der Korruptionsvermeidung. Eine andere Erkenntnis ist, dass religiöse Werte eine Triebfeder für Konflikte und gleichzeitig für die Friedensförderung sind. Warda Zighe nutzt ihren Glauben, um Konflikte zu schlichten. Sie betont, wie wichtig es ihr sei, zu beten. Aber es komme auch darauf an, sich selbst anzustrengen. Wichtig ist ihr auch die Leidenschaft für ihren Beruf. Denn es müsse, so meine Gastgeberin, etwas geben, wofür man sterben könne.
Aus beruflicher Sicht ist mein Wissen bestätigt worden, dass sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt als Straftat nicht zu schlichten ist, sondern bei der Polizei gemeldet werden muss. Neu war für mich, dass viele Morde an der kenianischen Küste mit dem Vorwurf der Hexerei einhergehen. Ich habe gelernt, dass bei öffentlichen Versammlungen das Bewusstsein für Sicherheitsprobleme geschärft wird und wichtige Informationen mit den Bürger*innen geteilt werden. Deutlich wurde mir, dass unter anderem durch NGOs zur Lösung und Vermeidung von Konflikten beigetragen wird.
Persönlich beeindruckt hat mich der Austausch mit Akteur*innen aus dem Sicherheitssektor, wie lokale Behörden, Polizeibeamt*innen, traditionelle Älteste und religiöse Führer*innen, die einen nachhaltigen Frieden schaffen wollen. Das Exposure- und Dialogprogramm hat seinem Namen alle Ehre gemacht. Für mich ist es eine Fundgrube für den Dialog mit den gesprächsfreudigen Kenianer*innen. Insgesamt war das EDP eine großartige Lernerfahrung. Nicht zuletzt, weil ich von außen mit einer fachfremden Sichtweise kam und meinen Horizont erweitern konnte.
06.03.2023
Text: Sofie Flurschütz (Bearbeitung: Ursula Radermacher)