Mit "Do No Harm" Konfliktsituationen sensibel planen

Seminarleiter Björn Eser erklärt das Konzept von Do-No-Harm und betont, dass es auch deshalb so gut funktioniere, weil man einzelne Elemente, wie Gender, herausgreifen könne.

Gut gemeint oder gut gemacht? Das AGIAMONDO-Seminar Do-No-Harm vermittelt Fachkräften, wie sie Projekte in der internationalen Zusammenarbeit so planen können, dass bestehende Konflikte nicht verschärft werden.

 

Im Seminarraum "Bogotá" sitzen acht Teilnehmende im Halbkreis. Sie kommen aus Deutschland, der Schweiz, Italien, Simbabwe, Ruanda und Uganda. In Kürze reisen sie als Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) und anderer Programme in verschiedene Länder aus. In der Vorbereitungszeit bei AGIAMONDO bekommen sie Informationen und Tools für ihre konkrete Arbeit vor Ort. Eines dieser Werkzeuge: Der Do-No-Harm-Ansatz. Sein Ziel: Mögliche negative Folgen von Entwicklungszusammenarbeit frühzeitig erkennen, vermeiden und abfedern. Das zweitägige AGIAMONDO-Seminar richtet sich an Fachkräfte von AGIAMONDO und Dienste in Übersee, Fachkräfte anderer Dienste und Mitarbeitende internationaler Organisationen.

Genau hinschauen

Seminarleiter Björn Eser startet mit einem Fallbeispiel: Ein Erdbeben in Nepal, zerstörte Häuser, viele Tote und Verletzte. Organisationen der humanitären Hilfe eilen ins Land, verteilen Gelder und Ressourcen. Frage in die Runde: Wie kommen diese Interventionen von außen im Land an?

Do-No-Harm: kurz zusammengefasst mit schönen Zeichnungen von Seminarleiter Björn Eser
Thomas P., Iris Karanja und Monika Faes hören im Plenum der Einführung des Themas zu. Iris Karanja ist in der Vorbereitung zur ZFD-Koordinatorin in Kenia und Monika Faes übernimmt eine Stelle als Jugendkoordinatorin in Israel.
Konzept zum Seminar in Köln
Diskussionen in der großen Runde: Domenico Castellani, Juliette Klöcker-Musemakweri, Paula Talemwa und Karolin Loch (von links). Paula Talemwa (zweite von rechts) wird Trainerin für psychosoziale Unterstützung von traumatisierten Kindern und Jugendlichen bei der NGO Don Bosco Fambul in Sierra Leone.
Björn Eser stellt die sieben Schritte des Do-No-Harm-Ansatzes vor.
Neben dem offiziellen Konzept sind die eigenen Notizen und Eindrücke für die spätere Praxis wichtig.
In der kleinen Arbeitsgruppe lassen sich persönliche Erfahrungen gut besprechen.
Juliette Klöcker-Musemakweri und Karolin Loch (vorne), die als ZFD-Koordinatorin nach Uganda gehen wird, besprechen mögliche Risiken, die gut gemeinte Hilfe mit sich bringen kann.
Ideen auf Karten festhalten, die später auf der Pinwand für alle gezeigt und diskutiert werden.
Thomas P. ist Soziologe und war lange als Consultant in der Internationalen Zusammenarbeit engagiert. In Kürze wird er sich als ZFD-Fachkraft in Kamerun für Binnenvertriebene einsetzen.
Juliette Klöcker-Musemakweri (zweite von links) wird in Ruanda als Sozialpädagogin in der Versöhnungs- und Friedenserziehungsarbeit als ZFD-Fachkraft mitarbeiten.
Domenico Castellani (vorne) ist in der Vorbereitung, um als Trainer für Friedens- und Versöhnungsprozesse beim Centre Interculturel National "Oasis de Paix et Réconcilation" in Bujumbura/ Burundi mitzuarbeiten.

In Kleingruppen analysieren die Teilnehmenden das Beispiel. Mit wem arbeiten die Hilfsorganisationen in Nepal zusammen? Welche politischen Akteure gibt es? Werden bestimmte Gruppen durch die Hilfslieferungen bevorteilt? Das Land ist nach zehn Jahren Bürgerkrieg eine noch junge Demokratie, die politische Lage bis heute instabil. "Je genauer wir hinschauen, umso komplexer wird es", stellt Thomas P. in der Diskussion fest. Der Soziologe und langjährige Consultant in der Internationalen Zusammenarbeit wird sich als ZFD-Fachkraft in Kamerun künftig für Binnenvertriebene einsetzen.

Konflikte nicht verschärfen

Das Beispiel aus Nepal zeige, dass Projekte in der Nothilfe mitunter die Wirkung verfehlten, die sie beabsichtigten, erzählt Björn Eser. Es mangele an Kenntnissen der politischen Lage, an Koordination der Gelder und Projekte. In Nepal sei die Infrastruktur des Landes durch die Flut an Hilfsprojekten teilweise völlig überlastet gewesen, tatsächlich benötigte Hilfe habe zurückgestellt werden müssen. Wie auch nach dem Erdbeben in Haiti 2010 habe die Nothilfe die Situation der Menschen vor Ort langfristig nicht verbessert. Nepal steckt bis heute in einer Regierungskrise, Haiti ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt.

Frieden fördern

Während des Seminars sprechen die Teilnehmer*innen über eigene Erfahrungen oder über Berichte aus Afghanistan, Haiti und Sri Lanka. Das Auftreten ausländischer Fachkräfte oder die Auswahl lokaler Kooperationspartner verstärke mitunter bereits bestehende Privilegien. Die Verteilung von Ressourcen wie Lebensmittel oder Medikamente könne aus Sicht der Konfliktparteien Neid wecken oder ausgenutzt werden, um den Konflikt mit der Gegenpartei weiter anzuheizen.

 

Wissenswert

Wie funktoniert der "Do No Harm"-Ansatz?  Er enthält Grundregeln für eine konfliktsensible Durchführung von Hilfsprojekten – vor allem in Krisengebieten. Grundbausteine des DNH-Ansatzes sind diese sieben Schritte zur Analyse von entwicklungspolitischen Projekten:

1. Wo findet der Konflikt statt, wer sind die Akteure?

2. Welche Themen und Faktoren lösen Spannungen aus?

3. Welche Faktoren können Frieden stärken?

4. Analyse des eigenen Projektes

5. Mögliche Folgen des Projekts auf den Konflikt

6. Durchspielen von Optionen

7. Anpassung des Projekts

 

 

Do No Harm ist ein selbstkritischer Blick auf die Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe. Das Konzept funktioniere so gut, weil man auch einzelne Elemente konfliktsensibler Arbeit herausgreifen könne, wie Gender oder der Umgang mit Traumata, so Seminarleiter Björn Eser. Genau hinschauen lohnt sich – für eine Zusammenarbeit, die nicht nur Gutes im Sinn hat, sondern auch Gutes bewirkt und Frieden stärkt. 

19.04.2024

Text: Eva Tempelmann