EDP-Führungskräftetraining in Kenia: Realisierung unternehmerischer Sorgfaltspflichten miterleben

Viel Handarbeit für ein innovatives Produkt: Catherine Ayange, Betriebsleiterin von IREN Growth-Pad Ltd., freut sich mit ihren Exposure-Gästen Henning Schwarz, KfW Sustainability Officer, und Marie-Luise Funke, KfW Head of Compliance, über die geleistete Arbeit (von rechts).

Vor kurzem fand ein Führungskräftetraining der "Exposure und Dialogprogramme" (EDP) in Kenia statt. Die Teilnehmenden lernten klein- und mittelständische Unternehmen in der Lebensmittelverarbeitung kennen. Sie erlebten ihre Unternehmenskultur und die Umsetzung von Sozialstandards.

 

Der Hintergrund ist, dass deutsche und zukünftige europäische Gesetzgebungen von Unternehmen ab einer bestimmten Größe fordern, dass sie in ihren Lieferketten nur noch mit Unternehmen kooperieren, die menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einhalten. Konkret gemeint ist damit u. a., dass Arbeitsbedingungen und Entlohnung gerecht gestaltet sind und sich die Arbeiternehmer*innen organisieren dürfen.  Auch die Einhaltung des Arbeitsschutzes gehört dazu. In komplexen internationalen Lieferketten können Unternehmen jedoch auf die Einhaltung von Sozialstandards bei Zulieferbetrieben oder Handelspartnern oft nicht hinwirken, sie verlässlich einfordern oder gewährleisten.

Sollten sich deutsche oder europäische Unternehmen zurückziehen, weil ihnen die Zusammenarbeit mit Unternehmen beispielsweise in Afrika zu riskant erscheint, bleiben Potenziale wirtschaftlicher Zusammenarbeit ungenutzt.

Im Rahmen des EDP hatten nun sechs Führungskräfte der KfW-Bankengruppe und der Bühler-Gruppe die Möglichkeit, tiefgehende Einblicke in kenianische Unternehmen der Lebensmittelerzeugung zu gewinnen. Sie lebten drei Tage bei Gastgeber*innen, die in einem der teilnehmenden lebensmittelverarbeitenden Unternehmen arbeiten oder als selbständige Erzeuger*innen direkt oder indirekt für internationale Lieferketten produzieren. Sie tauchten in das alltägliche Lebens- und Arbeitsumfeld ihrer Gastgeber*innen ein und erlebten aus erster Hand, wie die Arbeitsbedingungen konkret aussehen und wie in den Unternehmen Interessenskonflikte bearbeitet werden.

In Shianda/Kakamega (West Kenia) bereiten Saisonarbeiterinnen traditionelle Blattgemüse für die Solartrocknung vor. Neben der kaum existenz-sichernden Landwirtschaft ist die Arbeit bei IREN Growth-Pad Ltd. ihre einzige formelle Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeit.
Die Frauen prüfen die Pflanzen auf ihre Qualität, um festzustellen, welche Anteile für die Solartrocknung geeignet sind. Zu den Gemüsesorten gehören z. B. Kuherbsen oder Jutemalven.
Solartrocknung von Blattgemüsen – ein Beitrag zu Klimaschutz und gesunder Ernährung, der Arbeitsplätze für Frauen schafft. Henning Schwarz trägt mit einer Saisonarbeiterin von IREN Growth-Pad Ltd. die Ware zur Verpackung.
Marie-Luise Funke (links), KfW Head of Compliance, und Henning Schwarz(rechts), KfW Sustainability Officer, lernen von den Arbeiterinnnen von IREN Growth-Pad Ltd., wie das Gemüse für die Solartrocknung vorbereitet wird.
Worauf muss ich achten? Eine Arbeiterin von IREN Growth-Pad Ltd. zeigt Marie-Luise Funke (links) welche Blätter sie nehmen kann.
Letzter Arbeitsschritt vor der Verpackung – Betriebsleiterin Catherine Ayange wiegt getrocknete Blätter, die ihre Exposure-Gästen Henning Schwarz und Marie-Luise Funke zugeliefert haben (von links).

Vier Teilnehmende waren zu Gast bei IREN Growth-Pad Ltd., ein Start-up des kenianischen Ökonomen James Shikwati. Das Unternehmen verarbeitet und verkauft sonnengetrocknete, lagerfähige Blattgemüse. Es versorgt auch die kenianische Diaspora u. a. in den USA und Deutschland mit traditionellen, nährstoffreichen Lebensmitteln, deren Vermarktung durch den Vertrieb von Rezeptbüchern begleitet wird. Der Hauptproduktionsstandort ist Shianda, ca. 400 Kilometer nordwestlich von Nairobi gelegen.

Henning Schwarz ist Nachhaltigkeitsbeauftragter bei der KfW-Entwicklungsbank und war zu Gast bei Catherine Ayange, die als Betriebsleiterin bei IREN Growth Pad tätig ist. Er sagt: "Durch die Gespräche mit meiner Gastgeberin habe ich ein besseres Verständnis für die Stellung von Frauen in Kenia bekommen – und eine Vorstellung, was es für eine alleinerziehende Frau mit fünf Kindern im Haushalt im Hinblick auf soziale Reputation bedeutet, eine Arbeit in leitender Funktion zu haben."

Durch die Hospitanz bei IREN habe er einen sehr guten Einblick in die Arbeitsrealität – insbesondere im Hinblick auf Sozialstandards und die soziale Funktion von Arbeit in einem Land im Globalen Süden erhalten. Entscheidend dafür war die repräsentative Auswahl von Firmen unterschiedlicher Größe im formellen und informellen Sektor.

"Die Erfahrungen werden mich ganz wesentlich bei meiner Arbeit als Nachhaltigkeitsbeauftragter in der KfW-Entwicklungsbank unterstützen. Ich kann nun viel besser einschätzen, was bei der Weiterentwicklung unserer Sozialstandards bei Vorhaben der finanziellen Zusammenarbeit möglich und vor allem sinnvoll ist", so Schwarz weiter.

Ein weiteres gastgebendes Unternehmen, bei dem Führungskräfte in den Arbeitsalltag eintauchen konnten, war Meru Herbs Kenya, das mit rund 25 Mitarbeitenden Marmeladen, Tees und traditionelle Heilmittel herstellt. Die EDP-Teilnehmenden konnten außerdem den mittelständischen Mühlenbetrieb Kamili Packers Ltd. mit ca. 350 Mitarbeitenden kennenlernen. Bühler Limited in Nairobi, ein Vertriebs- und Servicestandort, der zur schweizerischen Bühler-Gruppe gehört, hat den EDP-Teilnehmenden seine African Milling School für den Fachdialog mit kenianischen Expert*innen zur Verfügung gestellt. Bühler ist Weltmarktführer in Technologien zur Lebensmittelverarbeitung und Teil globaler Wertschöpfungsketten, die täglich Lebensmittel für zwei Milliarden Menschen bereitstellen. Die Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen ermöglichte es den Führungskräften, die immense Bandbreite von Voraussetzungen und Rahmenbedingungen in Produktionsstandorten der Lebensmittelverarbeitung in Kenia besser einordnen zu können.

10.03.2024

Text: Jörg Hilgers/Katharina Engels