Anders Arbeiten während der Pandemie
Die Entscheidung in Kenia zu bleiben, wäre nicht schwergefallen, weil ihre Situation berechenbar sei und die ganze Familie gut isoliert werden könne, sagt Matthias Eder. In seinem Umfeld gebe es derzeit weder soziale Unruhen noch ein erhöhtes Krankheitsrisiko. Zudem stehe er in Kontakt mit der AGIAMONDO-Koordinatorin und der deutschen Botschaft, um schnell reagieren zu können.
Seine Kolleg*innen und er kommunizieren vom Home Office aus über E-Mails, soziale Medien und Onlinemeetings. Das läuft gut. Eingestellt werden musste dagegen die persönliche Dialogarbeit nach außen in öffentlichen Veranstaltungen. Aktuell werden Onlinedialoge und -Seminare entwickelt, um die Zielgruppen zu erreichen. Wie erfolgreich das ist, wird sich zeigen, denn die religiösen Funktionsträger, Studenten und kirchliche Institutionen sind sehr beschäftigt. Oft sind sie selbst in persönlichen Notlagen oder unterstützen ihre Gemeinden. Doch es gibt auch erste Erfolge der digitalen Kommunikation. Zurzeit arbeiten die IRDS-Mitarbeiter*innen online bei der Strategieentwicklung der Universität mit, die diesen Prozess aufgrund der abgesagten Lehrveranstaltungen vorgezogen hat. Zukünftig könnte vor allem mit internationalen Partnern online zusammengearbeitet werden.
Aktuelle Situation
Es gebe nur relativ wenige bestätigte Corona-Fälle, eine hohe Dunkelziffer und niedrige Testzahlen, meint Matthias Eder. Die Regierung habe früh einschränkende Maßnahmen ergriffen. Die Bewohner Nairobis müssen in der Stadt bleiben, die Ausgangssperre gilt von 19.00 bis 05.00 Uhr und in Supermärkten und Verkehrsmitteln sind Masken verpflichtend. Flüge sind eingestellt, Schulen und Universitäten geschlossen und öffentliche Veranstaltungen verboten. „Unsere Familie ist sehr gut versorgt: viel Platz, ein Einkommen, Strom, Wasser, Gas, Medikamente, Vorräte, ein Auto, Computer, Internet, Spielzeug, Sicherheitspersonal und Hunde auf dem Gelände. Dazu kommen Krankenversicherungen, eine Waschmaschine und ausreichend Masken,“ resümiert Matthias Eder. Die meisten kenianischen Familien haben nichts von den genannten Dingen. Für sie sind die derzeitigen Beschränkungen kaum umzusetzen und oft lebensbedrohlich. Er sagt: „Vorgestern gab es zwei Tote bei einer Lebensmittelverteilung. Die (Un-) Möglichkeit der Isolation verdeutlicht die soziale Spaltung in Kenia, die sich durch Corona verschärft.“
Gesellschaft im Spannungsfeld
Das kenianische Gesundheitssystem wäre mit einer großen Zahl von Patienten, die künstlich beatmet werden müssten, überfordert. Dessen scheinen sich Kenia und andere afrikanische Länder bewusst zu sein und haben deshalb - auch ohne bestätigte Fälle- erste Maßnahmen ergriffen. Viele Auflagen könnten wegen Armut, Hunger oder Gewalt jedoch nicht erfüllt werden. Zusätzlich erschwerten Verschwörungstheorien, auch von religiösen Akteuren, und Korruption die Umsetzung. Staatlicherseits kämen Polizeibrutalität und Ungleichbehandlung hinzu. Und Menschen in relevanten Berufen seien oft nicht gut ausgebildet. „Das ist in etwa das Spannungsfeld, indem wir in uns Kenia privat und beruflich bewegen“, betont Matthias Eder und setzt nach, “wir reagieren, indem wir die Bedürfnisse der Menschen in den Gemeinden der Missionaries of Africa erfragen, um ihnen – soweit es dem IRDS möglich ist - logistisch und humanitärkonkret zu helfen.“ Insgesamt böten Familien, Gemeinden, Nachbarschaften und nicht zuletzt religiöse Akteure viel Unterstützung. Die kenianische Gesellschaft verhalte sich meist solidarisch, aber die Möglichkeiten der Isolation und das Verständnis der Pandemie, einerseits ernstnehmen, andererseits keine Panik verbreiten, sind sehr begrenzt.
29.4.2020, Text: Ursula Radermacher