Fachkraftarbeit in Zeiten von Corona – Katja Gruber, Ruanda: „Ich bin weiterhin hier vor Ort genau richtig“

Katja Gruber im Homeoffice in Kigali, Ruanda

Auch während der Corona-Krise läuft die Arbeit unserer Fachkräfte weiter. Katja Gruber lebt und arbeitet in Kigali/Ruanda und leitet dort das Koordinationsbüro des Vereins Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda e.V.. Im Interview berichtet Sie von der Situation vor Ort, warum sie in Ruanda geblieben ist und was die Krise für ihre Arbeit bedeutet.

Frau Gruber, Sie haben sich entschieden, in der aktuellen Krisensituation nicht in Ihr Heimatland zurückzukehren. Wie kam das?

Ehrlich gesagt hatte ich, als es noch möglich war, das Land zu verlassen, gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Denn ich war aufgrund des Ausnahmezustands voll und ganz mit organisatorischen Dingen beschäftigt: Ich musste innerhalb kurzer Zeit die Ausreise unserer „weltwärts“-Freiwilligen organisieren, die Aus- und Einreisen von Schülergruppen und Partnerschaftsreisen absagen und parallel als Teamleitung das Büroteam von rund 20 Personen auf die neue Situation einstellen. Ich habe ein kleines Notfall-Kernteam bestimmt und die anderen Kolleginnen und Kollegen Knall auf Fall ins Homeoffice geschickt. Als ich dann endlich Zeit zum Nachdenken fand, stellte ich fest, dass alle Flieger nach Deutschland weg waren – aber auch, dass ich weiterhin hier vor Ort genau richtig bin. Bis heute bin ich mit der „Entscheidung“, in Kigali geblieben zu sein grundsätzlich zufrieden. Denn meine Verantwortung für die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda löst sich ja nicht einfach in Luft auf. Ich möchte weiterhin – solange es möglich und verantwortbar ist – als Ansprechpartnerin für unsere ruandischen und rheinland-pfälzischen Partner hier in Ruanda bleiben.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit aus?

Die ruandische Regierung hat bereits am 21. März eine komplette Ausgangssperre verhängt, man darf nur noch zum Einkaufen und für Arztbesuche das Haus verlassen. Auch ins Büro darf ich beispielsweise nur einmal pro Woche mit einer vorab beantragten und bewilligten Ausnahmeerlaubnis, um dort mit meinem Kollegen Simeon die dringlichsten Arbeiten zu erledigen. Insbesondere sind das die Zahlungen an unsere Partner, damit diese nicht zusätzlich in eine finanzielle Schieflage geraten.

Jegliche normale Projektarbeit ist bei uns vorerst eingestellt, da Feldfahrten in die Distrikte untersagt sind. Alle geplanten Ausschreibungen, Trainings und Monitorings aber auch die Baustellen unserer Infrastrukturmaßnahmen, die einen großen Teil unserer Arbeit ausmachen, ruhen bis auf Weiteres. Ich koordiniere die Arbeitsaufträge für meine Kolleginnen und Kollegen – soweit es geht – per Telefon und WhatsApp. Das funktioniert bisher eigentlich ganz gut. Leider verfügen aber nicht alle Mitarbeiter*innen über einen Dienstlaptop, was die Zusammenarbeit per E-Mail und die Dokumentation erschwert. Der Zugriff auf unseren Server ist im Homeoffice nicht möglich und das Internet funktioniert nur begrenzt.  

Nichts desto trotz versuchen wir, weiterhin so gut es geht zu arbeiten. Wir haben angefangen, unsere langjährigen Partner, die vor allem im ländlichen Ruanda leben und arbeiten, zu kontaktieren, um uns beispielsweise nach der Stimmung vor Ort ist, dem Arbeitsalltag, aber auch nach der Versorgungslage zu erkundigen. Wir haben auch begonnen, in enger Absprache mit den lokalen Partnern, dem Partnerschaftsverein in Mainz, den rheinland-pfälzischen Partnern sowie mit der ruandischen Regierung, kurzfristige und unbürokratische Unterstützungsangebote z.B. in Form von Nahrungs- und Sachmitteln für hilfsbedürftige Zielgruppen zu entwickeln.

Was bedeutet die Krise für die Mobilität und die Lebensmittelversorgung im Land?

Die Ausgangssperre wurde zunächst bis zum 19. April verlängert, Schulen, Universitäten, Restaurants und Hotels sind geschlossen, auch Besuche bei Freunden oder Sport im Freien sind leider untersagt. Die lokalen Sicherheitsbehörden überwachen die Beachtung dieser Regeln sehr streng. An allen Verkehrsknotenpunkten in der Stadt werden Kontrollen durchgeführt. Nach Kigali rein- oder in die Distrikte rauszukommen ist nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich. Da offiziell bisher alle 105 Coronafälle in Kigali festgestellt wurden, versucht man nun vor allem die individuelle Mobilität zu minimieren bzw. nach Möglichkeit ganz zu unterbinden. Die Grenzen und der Flughafen sind für Reisende geschlossen, Güter und Fernverkehr per LKW und Cargo-Flüge sind aber erlaubt. Es fahren landesweit keine Busse mehr, Moto-und Fahrradtaxen dürfen ebenfalls nur noch Sachgüter transportieren. Auf den leeren Hauptverkehrsachsen der Stadt sieht man vorrangig Polizei, Militär und Regierungsautos.

In den Stadtvierteln von Kigali sind die Lebensmittelgeschäfte und Märkte offen. Die Versorgung der größeren Supermärkte, in denen allerdings vorrangig Expats und die ruandische Mittel- und Oberschicht einkauft, ist bisher noch gut. Es gibt sogar Toilettenpapier! Lediglich einzelne Reinigungs- und Desinfektionsmittel sind ausverkauft. Die Preise für Grundnahrungsmittel waren in den kleineren Geschäften teilweise stark gestiegen, aber die ruandische Regierung reagierte direkt mit strengen Kontrollen auf diese Preisspekulationen.

Welche Folgen hat der Lockdown für die Menschen und wie steht es um die Gesundheitsversorgung?

Problematisch ist im Moment, dass durch die plötzlich verhängte Ausgangsperre die vielen, vielen Tagelöhner ihre Einnahmen und ihr Einkommen verloren haben. Die Regierung versucht nun, durch ein kurzfristig aufgelegtes Notfallprogramm eine Basisversorgung für die ärmsten Familien zu gewährleisten. Zumindest für Kigali wird diese Maßnahme seit Samstag letzter Woche bereits umgesetzt. Außerhalb von Kigali versuchen die Menschen, sich selbst zu versorgen, indem sie für den privaten Gebrauch Obst, Gemüse und Getreide anbauen.

Was die Situation von Familien mit Kindern angeht, variieren die Umstände je nach Einkommen und Örtlichkeit gravierend. Zum Teil wird Studierenden und Schüler*innen angeboten, ihre Stunden und Seminare per Fernunterricht zu absolvieren. Aufgrund fehlender Infrastruktur vieler Schulen und Universitäten im ländlichen Ruanda ist das aber nicht flächendeckend möglich.

Das Gesundheitssystem des Landes ist sicherlich nicht darauf ausgelegt, es mit einer Pandemie wie der aktuellen aufzunehmen. Es wird jedoch berichtet, dass die Regierung entsprechende Vorbereitungen angestoßen hat. In Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut konnte beispielsweise medizinisches Material beschafft werden und die chinesischen Stiftungen Jack Ma Foundation und Alibaba Foundation spendeten eine große Menge an medizinischer Ausstattung.

Trotz aller Panik hört man doch in dieser Pandemie auch immer wieder Gutes: Geschichten von Solidarität, Dankbarkeit und Nächstenliebe. Haben Sie etwas in der Art mitbekommen oder sogar selbst erlebt?

Die Regierung hat Anfang April verkündet, dass alle Kabinettsmitglieder, Staatssekretäre, Leiter von öffentlichen Einrichtungen und andere hohe Beamte wegen der Corona-Pandemie im April auf ihr Monatsgehalt verzichten werden, um damit die Maßnahmen der Coronakrise zu unterstützen.

Wir vom Verein Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda e.V. haben eine erste „I Care Action“ mit einer lokalen Partnerorganisation im Süden des Landes für Frauen und ihre Familien durchgeführt. Bei dieser Aktion erhielten 75 vulnerable Frauen ein Notfallpaket aus Grundnahrungsmitteln wie Maismehl, Kochöl und Zucker, um damit ihre Familien kurzfristig zu unterstützten, bis die Maßnahmen der Regierung auch dezentral greifen. Weitere Aktionen dieser Art werden sicherlich folgen.

 

Interview: Theresa Huth

08.04.2020