"Lebenswirklichkeiten": Exposure- und Dialogprogramm für Perspektivwechsel in Deutschland

Caritasverband für die Diözese Trier e. V.

Das vom Caritasverband für die Diözese Trier e.V. initiierte und aus Mitteln der Aktion Mensch geförderte Programm "Lebenswirklichkeiten" überträgt das vom Exposure- und Dialogprogramme (EDP) e. V. in der Entwicklungszusammenarbeit erprobte Konzept des erfahrungsbezogenen Perspektivwechsels in den sozialpolitischen Kontext in Deutschland.


Eintauchen und die Perspektive wechseln. Sich den Lebenswirklichkeiten von Menschen aussetzen, die in Armut oder in anderen belastenden Lebenssituationen leben und mit ihnen in einen echten Dialog treten – das ist der Kerngedanke der Exposure- und Dialogprogramme, die vom gleichnamigen Verein seit 1985 umgesetzt werden. Seit mehr als 30 Jahren tauchen Verantwortliche aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft in das Leben ihrer Gastgeber*innen in Entwicklungs- und Schwellenländern ein und setzen sich deren Lebensrealität aus. Das neue Programm "Lebenswirklichkeiten" des Caritasverbandes für die Diözese Trier e.V. wendet dieses Konzept auf den sozialpolitischen Kontext in Deutschland an. So sollen neue Begegnungsräume und gesellschaftliche Lernorte für mehr gegenseitiges Verständnis und gegen gesellschaftliche Spaltungen entstehen – im Austausch zwischen Entscheidungsträger*innen im Saarland und Rheinland-Pfalz mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen, jungen geflüchteten Menschen, Menschen mit Erfahrungen aus der Langzeitarbeitslosigkeit und Menschen mit Behinderungen.

Wissenswert

Der Exposure- und Dialogprogramme e.V. (EDP e.V.) ist ein gemeinnütziger Verein, der außergewöhnliche Fortbildungsprogramme für Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft zu armutsrelevanten Themen anbietet. Dabei steht die persönliche Begegnung mit Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern im Vordergrund. Seit Anfang 2022 wird die Geschäftsstelle des EDP e.V. von AGIAMOND geführt.

Zusammen Alltag erleben

Bei dem Programm, das 2022 zunächst in Koblenz durchgeführt wird, arbeiten die Entscheidungsträger*innen beispielsweise in der Bahnhofsmission mit, begleiten geflüchtete Menschen in ihrem Alltag oder leben und arbeiten im Haus Eulenhorst mit Menschen mit geistiger Behinderung. Die Begegnungen finden wahlweise in eintägigen Exkursionen, zweitägigen Hospitationen oder fünftägigen Praktika statt, auf die die Teilnehmer*innen beider Seiten von einem Referenten des EDP e.V. im Zuge eines Konsultationsverfahrens vorbereitet werden. Auch in der anschließenden Reflexion werden die Teilnehmer*innen begleitet. Das Programm, das Anfang Juli mit einer Auftaktveranstaltung startet, beinhaltet neben den Exposure-Formaten auch Lesungen mit dem Storyteller und Journalisten Carsten Tesch, bei denen ebenfalls Menschen in schwierigen Lebenssituationen und Expert*innen zu Wort kommen. Zusätzlich berichten im Podcast "Lebenswirklichkeiten" unter www.einblick-leben.de Betroffene selbst von ihren Lebenssituationen. Das Programm soll 2023 im Saarland durchgeführt werden.

Dr. Katarina Barley: "Diese Erfahrung hat meinen Blick geschärft"

Dr. Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes und SPD-Europabeauftragte, hatte 2014 am ersten und bislang einzigen Exposure- und Dialogprogramm innerhalb Deutschlands und dabei am Leben eines Mannes teilgenommen, der langzeitarbeitslos und Teilnehmer einer Beschäftigungsmaßnahme nach SGB II war. "Diese Erfahrung hat meinen Blick für viele Faktoren geschärft. Dies vor allem dadurch, dass ich für einige Tage auch bei der Familie wohnen und sie bei Alltäglichem, wie Einkaufen, Kochen etc. begleiten durfte. Was für den Einen normal und alltäglich ist, kann für die nächste Person eine große Bürde darstellen. Umso wichtiger ist es, sich in die Lage dieser 'anderen' hineinversetzen zu können, ihnen mit Respekt zu begegnen und ihre Probleme anzuerkennen." Allerdings sei dies nur der erste Schritt. Es müsse daraus auch eine Politik folgen, die auf die Beseitigung bestehender Hürden hinarbeite, so Dr. Barley. Denn eine inklusivere Gesellschaft, die allen Menschen die gleichen Chancen und Möglichkeiten einräume sei das Ziel.

Weitere Informationen zum Programm "Lebenswirklichkeiten" erhalten Sie unter www.lebenswirklichkeiten-trier.de

"Lebenswirklichkeiten" wird gefördert von "Aktion Mensch"