Das eigene Leben gestalten: Mit Kunsttherapie die Kreativität von Kindern fördern

Die Kunsttherapeutin Angela Katschke hat 2010 das Butterfly Art Project in Südafrika gegründet. Ihr Ziel: Kinder in ihrer Kreativität stärken und sie zu Gestalter*innen des eigenen Lebens machen. Als AGIAMONDO-Fachkraft berät und coacht sie nun Kolleg*innen vor Ort in der kunsttherapeutischen Arbeit.

 

Die Stirn des Kindes ist gerunzelt, der Blick konzentriert. Es taucht den Pinsel ins Wasserglas, dann in den Tuschkasten und fährt schließlich in einem Bogen über das Papier. Hier entsteht etwas. Ein Bild. Und auch eine Verwandlung.

Mit Kunst wachsen und heilen: Das ist das Ziel des Butterfly Art Projects (BAP), das die Kunsttherapeutin Angela Katschke vor mehr als 12 Jahren gegründet hat. Die gemeinnützige Organisation bietet Kunsttherapie im Armutsviertel Vrygrond südöstlich von Kapstadt für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche an. Die Kurse sollen den Kindern die Freude am Erschaffen ermöglichen und sie damit stärken. "In Vrygrond erleben viele Kinder Gewalt und Vernachlässigung", sagt Angela Katschke. "Die Kunst kann ihnen helfen, ein Ventil zu finden und das Erlebte zu verarbeiten."

KUKULURU MEDIA
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Angela Katschke ist seit Juni 2022 AGIAMONDO-Fachkraft und als Beraterin für das BAP und andere Organisationen tätig. Ihre Stelle wird von Misereor finanziert. Die 51-Jährige, die Kunsttherapie in der Freien Kunststudienstätte Ottersberg studiert hat, lebt seit 13 Jahren in Südafrika. Sie kann für diese Arbeit aus einer Fülle von Erfahrungen und Kontakten schöpfen. Seit einem Praktikum in Kapstadt kam sie mehrmals nach Südafrika zurück: "Hier ging es meiner Seele gut." Nach einer schwierigen Zeit in Deutschland packte sie ihre Koffer, beantragte eine südafrikanische Arbeitserlaubnis, gründete das BAP, lernte Fundraising und baute ein kunsttherapeutisches Zentrum mit vier Ateliers in der Gemeinde Vrygrond auf.

Das Zentrum ist das erste dieser Art auf dem afrikanischen Kontinent und baut auf einer von Angela Katschke entwickelten Methode auf, die auf der Idee der Verwandlung beruht, wie sie z. B. die Raupe auf dem Weg zum Schmetterling vollzieht. In verschiedenen Kursen können sich die Kinder und Jugendlichen frei entfalten: in der Malerei, Holzbildhauerei, im Arbeiten mit Ton, Zeichnen, Comics, Stricken, Nähen oder Theater spielen. Die Kursinhalte drehen sich um Themen wie Gemeinschaft, Sicherheit, Gefühle und Zukunftsvisionen.

Über die Kunst kann ich den Menschen in meinem Viertel etwas zurückgeben und Teil der Lösung sein — statt Teil des Problems.

Charles Jansen, Vorsitzender des Community Development Trust und ehemaliger Straftäter

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Angela Katschke

Mit dem "Community Art Facilitator Programme" schult das BAP seit 2012 außerdem Menschen aus Vrygrond und Lavender Hill in kunsttherapeutischen Fähigkeiten zu Kursleiter*innen. "Diese Weiterbildungen sind unglaublich wirksam", sagt Angela Katschke. Ihre Kolleg*innen erreichten oft mit wenigen Mitteln sehr schnelle Ergebnisse, weil sie nah an der Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen dran seien. Inzwischen arbeiten in der Organisation 250 Erwachsene aus ganz Südafrika. Sie betreuen 10.000 Kinder aus 112 Gemeinden. "Darauf bin ich sehr stolz", sagt Angela Katschke rückblickend.

Ein besonderer Kollege im BAP ist Charles Jansen. Als Angela Katschke den damals 24-Jährigen kennenlernte, war er drogenabhängig und gerade aus dem Gefängnis entlassen worden – zum 23. Mal wegen Einbruch und Diebstahl. Im BAP begann er mit Aushilfsarbeiten. Heute übernimmt er die kunsttherapeutischen Kurse von Angela Katschke und ist Vorsitzender des Community Development Trust.

Während ihrer Vertragszeit übergibt Angela Katschke das BAP an eine neue Leitung. Der Lehrplan für das Community Art Facilitator Training ist bereits entwickelt. Parallel berät sie andere südafrikanische Organisationen zu kunsttherapeutischer Arbeit und Organisationsentwicklung. "Angela ist in ihrer Rolle als Beraterin ein Segen. Sie teilt Ideen und Kontakte und gibt dir das Gefühlt von  Verbundenheit“, sagt die Gründerin der NGO "Timbuktu in the Valley", die von Angela Katschke gecoacht wird.
Ihre lange Zeit in Südafrika sieht Angela Katschke als großes Geschenk für die Zusammenarbeit. Es brauche praktische Erfahrungen und das Erleben der Realität vor Ort für diese Arbeit. "Aus der Ferne beraten geht nicht."

05.07.2023

Text: Eva Tempelmann