"Es gibt viel Raum, voneinander zu lernen" – ein Interview zur Fachkraftarbeit in Nepal

Abishek Thapa und Hakimeh Yagootkar

Hakimeh Yagootkar, AGIAMONDO-Fachkraft in Kathmandu, Nepal und Abishek Thapa, Projektkoordinator bei der lokalen Partnerorganisation "Friends and Friendship for Rural Development Services Nepal" (FRADS), sprechen im Interview darüber, warum die Zusammenarbeit große Potenziale birgt, wie sie bei Meinungsverschiedenheiten zu einer Lösung finden – und warum das gesamte FRADS-Team neuerdings keinen Instant-Kaffee mehr trinkt.

Frau Yagootkar, Sie sind seit September 2020 als AGIAMONDO-Fachkraft im Auftrag von Childaid in Kathmandu tätig, wohnen und arbeiten aber bereits seit 2018 in Nepal. Was schätzen Sie am Leben vor Ort?

Nepal ist ein wunderschönes Land mit unglaublicher kultureller und landschaftlicher Vielfalt, die mich immer wieder beeindruckt. Während unserer Anfangszeit in Nepal habe ich mit meiner Familie in einem kleinen Dorf auf dem alten Fußweg Richtung Mount Everest gewohnt, umgeben von atemberaubender Natur, Flüssen und Wasserfällen und den schneebedeckten Bergen des Himalaya. Seit Dezember 2019 leben wir in Kathmandu – mit rund einer Million Menschen die größte Stadt des Landes. Hier ist es quirlig, laut, staubig und gleichzeitig zauberhaft, nostalgisch, spirituell und geheimnisvoll und jeder Tag fühlt sich wie eine Entdeckungsreise an. Zum Glück wohnen wir außerhalb der Stadt und können so nach Feierabend dem Großstadttrubel entfliehen. Von unserem Haus aus haben wir Blick auf die grünen Berge, die das Kathmandu-Tal umgeben, und auf die Reisfelder. Wir fühlen uns sehr wohl hier.

Wissenswert

Hakimeh Yagootkar arbeitet als AGIAMONDO-Fachkraft im Auftrag der Stiftung Childaid Network bei der nepalesischen Organisation "Friends and Friendship for Rural Development Services Nepal" (FRADS). Dort ist sie als Projektmanagerin und Beraterin für Bildungsarbeit tätig. Die Stiftung Childaid Network fördert Kinder und Jugendliche in den entlegensten Gegenden Südasiens. 

Sie sind als Projektmanagerin und Beraterin für Bildungsarbeit für FRADS tätig. Welche Aufgaben übernehmen Sie konkret, um die Partnerorganisation bei ihrer Arbeit zu unterstützen?

Mein Auftraggeber in Deutschland, die Organisation Childaid Network, kooperiert mit unterschiedlichen nepalesischen Hilfsorganisationen, welche die Bildungs- und Gesundheitssituation der ländlichen Bevölkerungsgruppen zu verbessern versuchen – besonders die der Kinder und Jugendlichen. Meine Aufgabe besteht darin, FRADS und weitere Organisationen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Ein aktuelles Beispiel sind die durch die Pandemie entstandenen Herausforderungen, sowohl im Bereich der Bildung als auch der Gesundheit.

Hakimeh Yagootkar und Abishek Thapa sprechen mit dem Bildungsreferenten der ländlichen Gemeinde.
Hakimeh Yagootkar mit Kindern einer Montessori-Schule
Blick auf die Berge im Kathmandu-Tal
Bäuerinnen pflanzen Reis auf dem Feld vor Hakimeh Yagootkars Haus.
Abishek Thapa und Hakimeh Yagootkar im Gespräch mit Partnernetzwerk-Vertreter*innen

Welche Herausforderungen sind das konkret?

Unsere Partnerorganisationen hatten im Laufe des letzten Jahres festgestellt, dass vielen Eltern, Lehrer*innen und Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen das Bewusstsein für die psychosozialen Probleme und Krankheiten fehlt, welche durch die Pandemie, resultierende Lockdowns, Schulschließungen und Arbeitslosigkeit verstärkt wurden bzw. häufiger auftreten. Dabei fehlte den Partnerorganisationen das nötige Wissen und die Expertise, um die Zielgruppen entsprechend aufzuklären. Diese Kompetenzlücke haben wir wahrgenommen und darauf reagiert: In einem Online-Workshop haben wir zuerst den Bedarf an Trainings und Fortbildungen zum Thema „Mental Health“ durch Experten-Input erfasst. Anschließend haben wir interessierten Partnern Expert*innen für Trainings zur Seite gestellt.

Herr Thapa, als Projektkoordinator betreuen Sie alle FRADS-Projekte. Wo arbeiten Sie mit Frau Yagootkar zusammen?

Die Rolle von Frau Yagootkar in der Arbeit beschränkt sich nicht auf bestimmte Aspekte der Projekte, sondern umfasst ganze Prozesse. Ich berate mich mit ihr bei wichtigen Entscheidungen und übertrage ihr auch bestimmte Aufgaben, von denen ich denke, dass sie zu ihrer Expertise und ihrem Stil passen. Sie übernimmt die Führung bei diesen Aufgaben und holt sich von Zeit zu Zeit auch den Rat von Kolleg*innen ein. Ich unterstütze diese Praxis, da sie die kulturellen und lokalen Praxislücken schließt. Wir führen sehr häufig Besprechungen zu Fortschritten, Herausforderungen und zum Thema Personalwesen/Kapazitätsaufbau und effektives Management durch. Ich habe eine sehr herzliche Arbeitsbeziehung zu Frau Yagootkar. Wenn es manchmal Meinungsverschiedenheiten über die Herangehensweise an ein bestimmtes Thema gibt, kommen wir immer zu einer gemeinsamen Lösung, indem wir es ausdiskutieren.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit Frau Yagootkar?

Frau Yagootkar verfügt über umfangreiche Erfahrungen aus verschiedenen Positionen, die sie in ihrem Berufsleben innehatte. Sie ist sehr professionell in ihrem Ansatz und ihren Standards. Sie bringt eine sehr universelle Perspektive in Diskussionen, Meetings und Lösungen ein – was für unsere Organisation sehr vorteilhaft ist, da wir mit europäischen Spendern zusammenarbeiten. Wir neigen manchmal dazu, einen einseitigen Ansatz und einen kulturell gefärbten Blick zu haben, wenn wir nach Ideen und Lösungen suchen. Daher ist ihre Meinung erfrischend und wird von uns als wertvoller Input gesehen. Gleichzeitig ist sie nicht schüchtern, ihre Meinung zu sagen und zu verteidigen. Daher bringt sie eine gute Mischung aus Erfahrung, Perspektive und Professionalität ein.

Wie wirkt sich die Zusammenarbeit auf das Team aus?

Es gibt viel Raum, um voneinander zu lernen. Frau Yagootkar schätzt die Art und Weise, wie wir hier Projekte managen, unser tiefes Verständnis für den lokalen Kontext und wie wir Beziehungen zu den Menschen aufbauen, die wir unterstützen. Wenn wir gemeinsam in die Projektregionen reisen, Projekte begutachten und Partner vor Ort treffen, führen wir fruchtbare und spannende Diskussionen, von denen meiner Meinung nach alle Beteiligten profitieren.

Gibt es auch eine persönliche Eigenschaft von Frau Yagootkar, die Sie überrascht hat?

Etwas, mit dem wir nicht wirklich gerechnet haben, war Frau Yagootkars Liebe zu und Bedarf an Kaffee. Normalerweise trinken wir im Büro Instant-Kaffee, aber sie trinkt nur den aus der Maschine. Mittlerweile hat sie uns beeinflusst und wir haben auch angefangen, Kaffee aus der Maschine zu trinken – und planen sogar, Geld zu sammeln, um tatsächlich eine Kaffeemaschine für das Büro zu kaufen.

Frau Yagootkar, Ihr Vertrag als Fachkraft ist für drei Jahre angelegt. Was möchten Sie innerhalb dieser Zeit beitragen und mitnehmen?

Ich wäre sehr froh, wenn ich das Team hier dabei unterstützen kann, Kompetenzen aufzubauen sowie FRADS und Childaid dabei zu helfen, die gegenseitigen Bedürfnisse besser zu verstehen und das Wirkungspotenzial der Projekte zu steigern.

Herr Thapa, was wünschen Sie sich für die Zeit von Frau Yagootkar als Fachkraft?

Ich würde mir wünschen, dass wir mit ihrer Unterstützung strukturierter und effektiver arbeiten können. Ich hoffe auch, dass diese drei Jahre eine Gelegenheit sein werden, die Perspektive unserer Spender besser zu verstehen, da Frau Yagootkar als Bindeglied zwischen Childaid in Deutschland und FRADS in Nepal fungieren kann. Diese Brücke wird eine Chance für beide Organisationen sein, effektiv zu kommunizieren und besser zusammenzuarbeiten sowie Vertrauen aufzubauen, was am wichtigsten ist, um die Beziehung aufrechtzuerhalten. Was die Zukunft über diese drei Jahre hinaus betrifft, würde ich es gerne sehen, wenn der Vertrag von Frau Yagootkar verlängert würde. Sollte dies nicht der Fall sein, würden wir uns freuen, eine neue AGIAMONDO-Fackraft bei uns willkommen zu heißen.

 

Interview: Theresa Huth

16.04.2021