Für ein friedliches Miteinander in Nord-Uganda

Zwei Jahrzehnte Bürgerkrieg haben in Uganda tiefe Spuren hinterlassen. Zugleich überlagern neue Konflikte den bis heute andauernden Wiederaufbau. Seit zwei Jahren unterstützt ZFD-Fachkraft Wibke Angelike als Trainerin für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Mediation die Friedensarbeit der Erzdiözese Gulu.

Seit mehr als 20 Jahren setzt sich der Zivile Friedensdienst (ZFD) für Gewaltprävention und Friedensförderung in Krisen- und Konfliktregionen ein. Dazu vermittelt der ZFD ausgebildete Fachkräfte, die Partnerorganisationen vor Ort bei der gewaltfreien und konstruktiven Bearbeitung von Konflikten unterstützen. Damit daraus gemeinsames Wissen und Nutzen entstehen, setzt der ZFD auf Vernetzung, Austausch und Fortbildung.

Gulu war eines der Zentren des brutalen Bürgerkriegs zwischen den Rebellen der Lord Resistance Army (LRA) und der Regierungsarmee. Über zwei Millionen Menschen, vor allem Angehörige der ethnischen Gruppierung der Acholis, wurden vertrieben und mussten unter katastrophalen Bedingungen in Lagern leben. Der kollektive Schmerz ist längst nicht verheilt, der Frieden noch brüchig. Bis heute engagieren sich zivilgesellschaftliche Kräfte wie die Justice and Peace Commission (JPC) der Erzdiözese Gulu für Versöhnung und die Bearbeitung der gewaltbelasteten Vergangenheit.

"Das größte Konfliktfeld in Nord-Uganda zurzeit ist Land", sagt Angelike. "Die Mehrheit der Acholis ist für ihre tägliche Nahrung und Existenz darauf angewiesen, ein eigenes Stück Boden zu bewirtschaften." Doch bei ihrer Rückkehr fanden viele Vertriebene ihr Land von anderen besetzt vor. Zudem häufen sich illegale Landaneignungen von privaten Investoren, die die in Nord-Uganda vermuteten Bodenschätze ausbeuten wollen. Die ländliche Bevölkerung hat kaum Kapazitäten, dagegen anzugehen. Arbeits- und Perspektivlosigkeit erschweren ihre Lage. Die Bevölkerung wächst rasant und gehört zu den jüngsten weltweit. Rund zwei Drittel aller Acholis leben heute in Armut. In der Folge greifen Familien, Nachbarn und Gemeinden bei Konflikten um Landnutzung und Landbesitz häufig zu Gewalt. In fast 80 Prozent aller Gerichtsverfahren geht es um Landkonflikte. Von staatlichen Stellen kommt wenig Hilfe. Vielmehr sind sie oft selbst im Kontext von Großinvestitionen und Korruption in Landgrabbing verwickelt.

Der Fokus der Friedensarbeit von JPC liegt auf der gewaltfreien Bearbeitung von Landkonflikten sowie Konflikten zwischen Stämmen und ethnischen Gruppen. Dabei kommt den Partnern zugute, dass die katholische Kirche in Uganda als neutral und vertrauenswürdig gilt. "Wir betreiben nicht nur 'post-conflict' Arbeit, sondern auch Konfliktprävention, indem wir Dialog und Kooperation zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und Clans fördern", erklärt Angelike. Etwa durch Sportprojekte, die Jugendliche aus verschiedenen Gruppen zusammenbringen, oder Aufklärung über Landrechte. "Zudem ist JPC eine der wichtigsten Organisationen in Nord-Uganda, die Menschenrechtsverletzungen aufdeckt, dokumentiert und anspricht."

Gulu war eines der Zentren des brutalen Bürgerkriegs zwischen den Rebellen der Lord Resistance Army (LRA) und der Regierungsarmee.
Der größte Konflikt betrifft Land. Viele Menschen sind auf die Bewirtschaftung des eigenen Bodens zur Ernährung angewiesen. Doch bei ihrer Rückkehr war ihr Land oft besetzt. Verschärft wird die Lage durch Landgrabbing, private Investoren und Korruption.
Wibke Angelike war für ein Forschungsprojekt zur Reintegration von Kindersoldatinnen nach Uganda gekommen und ist geblieben. Hier ist sie zusammen mit zwei Kollegen.
Ein Treffen verschiedener ethnischer Gruppen und Clans, angeregt von der Justice and Peace Commission. Sie will mit ihrer Friedensarbeit den Dialog und die Kooperation zwischen unterschiedlichen Gruppen fördern.
Die Justice and Peace Commission nutzt vor allem Mediation, wie hier in einer Kirche, um gewaltsamen Land- und Ressourcenkonflikten vorzubeugen. Mediation ist in der Region kulturell und sozial tief verankert und wird eher als der Weg über Gerichte eingesetzt.

Um gewaltsamen Land- und Ressourcenkonflikten vorzubeugen und bestehende Konflikte gewaltfrei zu transformieren, setzt JPC vor allem auf Mediation. "Mediation ist hier kulturell und sozial tief verankert und gerade auf dem Land oft üblicher als der Weg über Gerichte", erklärt Angelike. Mit ihrem Kollegen Okot Yasinto entwickelt sie Trainingsinhalte und Materialien, moderiert und begleitet Workshops, die Gemeinden im Umgang mit Konflikten anleiten. Allein im letzten Jahr haben die lokalen "Parish Justice and Peace Commitees" und JPC 262 Mediationen durchgeführt. Zwei Drittel der Fälle konnten mit einer von allen Konfliktbeteiligten unterzeichneten Vereinbarung beigelegt werden.

Vor allem die Zusammenarbeit mit Erzbischof John Baptist Odama inspiriert und motiviert die ZFD-Fachkraft. Aufgrund seines maßgeblichen Beitrags zum Friedensprozess genießt er hohes Vertrauen und Respekt. Wenn das Team etwa bei schwierigen Konflikten nicht weiterkomme, springe er als Vermittler ein. "Es ist eine Ehre, seine Vision für ein friedliches Miteinander in Nord-Uganda aktiv unterstützen zu können", sagt Angelike

Ursprünglich war Angelike für ein sechsmonatiges Forschungsprojekt zur Reintegration von Kindersoldat*innen nach Uganda gekommen. Inzwischen ist sie fünf Jahre hier und hat eine ugandisch-deutsche Familie gegründet. "Ich arbeite nicht nur hier, ich lebe hier", sagt sie. Wobei bemerkenswert sei, "mit welcher Selbstverständlichkeit Beruf und Familie in Uganda miteinander vereinbar sind."

01.05.2022

Text: Wibke Angelike

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 1/2022. Zum Download der Gesamtausgabe und der PDF-Version des Artikels.