Fachkraftarbeit in Zeiten von Corona – Katharina Koller arbeitet von Deutschland aus für ihre Partnerorganisation und die ZFD-Koordination in Sierra Leone

Katharina Koller

Katharina Koller ist als ZFD-Junior-Fachkraft normalerweise in Freetown, Sierra Leone für die AGIAMONDO-Partnerorganisation AdvocAid und für die Koordination des ZFD-Landesprogrammes tätig. Aufgrund der Corona-Krise ist sie vorübergehend nach Deutschland zurückgekehrt und arbeitet hier im Homeoffice weiter. Warum sie sich zu diesem Schritt entschieden hat, wie sich die Arbeit von Deutschland aus gestaltet und warum die Ziele ihrer Organisation gerade in Zeiten von Corona eine hohe Bedeutung haben, erläutert sie im Interview.

Warum haben Sie sich entschieden, vorübergehend aus Sierra Leone auszureisen und wie war Ihre Rückreise nach Deutschland?

Für die vorübergehende Ausreise aus Sierra Leona habe ich mich auf Anraten meiner Partnerorganisation und aufgrund der unklaren Gesundheitsversorgung entschieden: Eine adäquate medizinische Versorgung ist in Sierra Leone generell sehr schwierig, mit steigenden Zahlen an Corona-Infektionen wird das Gesundheitssystem schnell überlastet sein. Und aufgrund der Grenzschließung war nicht klar, wie eine Evakuierung im Notfall hätte aussehen können. Da am 22. März der einzige Flughafen des Landes für 90 Tage geschlossen wurde, musste alles sehr schnell gehen. Ich habe Flüge gebucht und wieder storniert, es war ein großes Wirrwarr. Letztendlich hat es die Reiseagentur „Raptim Humanitarian Travel“, mit der AGIAMONDO zusammenarbeitet, geschafft, mich auf den allerletzten Flieger zu buchen, der noch regulär rausging. Leider konnte ich mich nicht von meinen Kolleg*innen verabschieden, da meine Flugbestätigung 20 Stunden vor Abflug an einem Wochenende kam. In dem Moment fühlte es sich aber auch weniger als Abschied an, da ich mir sicher war – und es auch weiterhin bin –, dass ich nach Sierra Leone zurückkehren werde.

Wie war der Übergang von der Arbeit vor Ort ins Homeoffice von Deutschland aus?

Zum Glück hatte ich trotz der Hektik vor der Ausreise noch Zeit, mit der Direktorin von AdvocAid eine Übergabe zu machen. Von der mir im Rahmen meiner Fachkrafttätigkeit zur Verfügung gestellten Coachin , mit der ich per WhatsApp und Skype Kontakt hatte, habe ich viel Unterstützung erhalten. Sie hat mich in dieser schwierigen Lage ernst genommen und mir den Rücken gestärkt. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass ich den Stress der überstürzten Ausreise gut verarbeiten konnte. In Deutschland angekommen konnte ich glücklicherweise erst einmal bei meiner Familie unterkommen. Vor Kurzem habe ich dann ein Zimmer in der WG von Freunden hier in Berlin bezogen, von dort aus arbeite ich aus dem Homeoffice. Dafür benötige ich in erster Linie erstmal nur einen Laptop. Ein Drucker ist auch vorhanden und Scannen kann ich per Handy-App. So kann ich beispielsweise Schulungen für Zielgruppen der Partnerorganisation mit digitalen Tools oder manuell mit Flipchart und Whiteboard mit Kamera virtuell durchführen.

 

Wie funktioniert die Arbeit aus der Ferne?

Als Junior-Fachkraft im Zivilen Friedensdienst arbeite ich in der Organisationsentwicklung und im Capacity Building von AdvocAid, was sehr gut von Deutschland aus geht. Inhaltlich läuft gerade vieles anders, als sonst. Aufgrund der Beschränkungen müssen wir viele Projekte und Aktivitäten umstrukturieren, dabei unterstütze ich die Projektplanung. Anfang März hatten wir noch unsere Strategie in einem großen Workshop erarbeitet, die wir nun weiter ausarbeiten. Meinen Aufgaben im Bereich Planung, Monitoring und Evaluierung der Projekte und in Bezug auf die Datenbank von AdvocAid kann ich weitestgehend ganz normal nachgehen. Zusätzlich fallen aktuell viele Ad-hoc-Aufgaben im Bereich der Organisationsentwicklung und Arbeitsorganisation an: Die Arbeit im Homeoffice für die Mitarbeiter*innen organisieren, Recherche zu und Training in verschiedenen Hilfssoftwares und digitalen Werkzeugen. Da Reisen zwischen den Distrikten Sierra Leones aktuell nicht erlaubt sind, können wir in der nächsten Zeit die Teams auch innerhalb des Landes nicht mehr zusammenbringen und brauchen nun kreative Lösungen, die für alle gut umsetzbar sind. Für meinen Arbeitsbereich ist es also gerade eine sehr spannende Zeit.

Welche Arbeitsinhalte Ihrer Organisation sind während der Krise besonders relevant?

AdvocAid setzt sich für Frauen und Mädchen ein, die in dem oft ungerechten Rechtssystem Sierra Leones benachteiligt werden. Deshalb ist es aktuell umso wichtiger, die Polizeistationen während und nach Lockdowns zu monitoren, Frauen und Mädchen die Möglichkeit aufzuzeigen, dass sie sich an uns wenden können, wenn sie von Polizei- oder häuslicher Gewalt bedroht sind oder diese erfahren haben. Auch kümmern wir uns verstärkt darum, dass die Gefängnisse vorbereitet sind und hygienische Bedingungen geschaffen werden, damit das Virus nicht den Weg ins Innere finden kann. Und natürlich darum, dass Frauen und Mädchen weiterhin einen Zugang zur Justiz finden. Die Ziele meiner Partnerorganisation haben also gerade in Zeiten von Corona eine hohe Bedeutung.

Gibt es Initiativen, die die Menschen vor Ort im Zielland zusätzlich unterstützen?

Wir haben zu Anfang der Krise kurze, prägnante Corona-Infos für die Mitarbeiter*innen von AdvocAid entwickelt, insbesondere, um mit den Mythen aufzuräumen, die in den sozialen Medien verbreitet werden. Nur wenn unsere Mitarbeiter*innen gut geschult sind, können sie unsere Zielgruppen entsprechend informieren. Ich habe in diesem Zusammenhang mitbekommen, dass Mitarbeiter*innen – aufgeklärt über Händewaschen und Abstandhalten – nun in ihren eigenen Nachbarschaften Aufklärung betreiben und selbst Eimer und Seife zum Händewaschen spenden.

06.05.2020

Interview: Theresa Huth