Ein Universum neuer Möglichkeiten - Um sich trotz Kontaktsperre weiter begegnen zu können, lernen Jugendliche in Kenia Zoom und andere Web-Tools für sich zu nutzen

Teens4Unity

Als das lang geplante Zusammentreffen der Jugendbewegung „Teens4Unity“ in Kenia wegen Corona abgesagt werden muss, satteln die jungen Organisator*innen gemeinsam mit AGIAMONDO-Fachkraft Ernst Ulz auf digitale Lösungen um. Treffen per Zoom, Online-Schulungen und die Möglichkeit, ihre Initiative „Hombre Mundo“ ohne großen Aufwand international bekannter zu machen, nehmen sie als positive Erfahrungen mit.

Ausfall wegen Corona

Es ist Anfang August 2020. Eigentlich sollte Samuel gerade mit 300 Teenagern aus aller Welt zusammen sein. Hier in der kenianischen Stadt Juja, im Zentrum des Landes, wollten sie sich treffen – zunächst zu einem internationalen „Workshop der Geschwisterlichkeit“, später dann zu Solidaritätsaktionen in den Stadtvierteln und Dörfern der Umgebung. So hatten es die kenianischen „Teens4Unitiy”, eine Jugendbewegung der kirchlichen Fokolare, zu der auch Samuel gehört, im Rahmen der Initiative „Hombre Mundo“ geplant. Dann kam Corona.

„Bereits im März wurden die kenianischen Landesgrenzen geschlossen, Menschenansammlungen verboten“, sagt AGIAMONDO-Fachkraft Ernst Ulz, der die „Teens4Unitiy” in Juja zusammen mit vier weiteren Kolleg*innen als Projektkoordinator bei ihren Aktivitäten unterstützt. Schnell war klar: Aus dem Event wird nichts. Seit 2014 organisiert „Hombre Mundo“ die Begegnung von Jugendlichen aus anderen Kulturen und Religionen, damit sie sich im Sinne der Geschwisterlichkeit kennenlernen, Vertrauen aufbauen, Solidarität und Einheit leben lernen.

Digitale Alternativen

„Über ein Jahr Vorbereitungszeit schien verloren“, sagt Ernst Ulz. Nicht nur durften die Jugendlichen aus den anderen Ländern zum Workshop nicht mehr einreisen. Auch Solidaritätsaktionen, die die gastgebenden Teenager im Vorfeld des geplanten Treffens durchgeführt hatten und mit den Gästen weiterführen wollten – Straßen reparieren, Häuser von Armen reinigen, ihre Gärten pflegen, Straßenkinder mit Essen versorgen – waren auf Distanz nicht mehr gemeinsam erlebbar. „Zuerst waren wir alle bestürzt“, erinnert sich Ulz. „Doch dann haben wir uns Lösungen überlegt.“

Eine davon hieß „Zoom“. Um trotz Lockdown miteinander in Verbindung zu bleiben, installierten sich die kenianischen „Teens4Unitiy” die Software für Video-Konferenzen auf ihren Smartphones und trafen sich von März an jeden Monat online. „In einem Land wie Kenia ist das keine Selbstverständlichkeit“ sagt Ulz. Nur wenige Jugendliche besitzen digitale Endgeräte oder haben das nötige Kleingeld, um sich Datenvolumen für eine Internetverbindung zu leisten. Auch der Empfang insbesondere in ländlicheren Regionen ist eher schlecht. Trotzdem schafften es die Jugendlichen, sich so zu organisieren, dass möglichst viele an den digitalen Veranstaltungen teilnehmen konnten.

Teens4Unity
Ernst Ulz/ Fokolar
Ernst Ulz/ Fokolar
Teens4Unity

Wissenswert

„Teens4Unitiy” ist eine offene Organisation von Jugendlichen der christlichen Fokolar-Bewegung. Ihr Ziel ist es, die Botschaft der Einheit weltweit zu verbreiten, universelle Geschwisterlichkeit zu leben und eine geeinte Welt zu fördern, in der Vielfalt geschätzt und geachtet wird. Dafür engagieren sie sich in verschiedenen Formen des Dialogs, unter anderem im Rahmen der Initiative „Hombre Mundo“ (was so viel bedeutet wie Weltbürger*in), die seit 2014 in verschiedenen Regionen der Welt Jugendliche zu Workshops und gemeinsamen Aktionen zusammenbringt.

 

Ernst Ulz ist als Fachkraft von AGIAMONDO im Programm „Dialog und lebendige Partnerschaft“ seit 2017 für die Fokolar-Bewegung im östlichen Afrika als Projektkoordinator mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit tätig.

Neue Chancen entdecken und nutzen

Auch der Austausch mit den „Teens4Unitiy” aus anderen Ländern, wie er im Rahmen von „Hombre Mundo“ geplant gewesen war, fand virtuell statt. Auf diese Weise wurde trotz Kontaktsperre ein Kennenlernen möglich. „Ich bin zuvor noch nie kenianischen Jugendlichen begegnet“, sagte Teilnehmer Daniel Kompatscher aus Tirol. „Aber nach unseren Zoom-Treffen habe ich das Gefühl, dass ich sie und ihr Land besser kenne.“

„Tatsächlich brachte die Umstellung auf digitale Kommunikation ein ganzes Universum neuer Möglichkeiten“, resümiert Ulz. Eine Schulung, die für 30 Jugendanimator*innen aus ganz Afrika in Juja hätte stattfinden sollen, wurde stattdessen per Video-Konferenz durchgeführt – und erreichte doppelt so viele Teilnehmer*innen, ohne Reisekosten, ohne Zeitdruck. „Um die Online-Seminare abwechslungsreich zu gestalten, haben wir unterschiedliche Methoden ausprobiert“, sagt Ulz, „und Web-Tools entdeckt, durch die wir zum Beispiel Umfragen viel einfacher als sonst online durchführen und auswerten konnten.“ Auch nahmen die „Teens4Unitiy” die Chance wahr, „Hombre Mundo“ bei einem virtuellen Treffen des UNESCO-NGO-Verbindungsausschusses vorzustellen und so die internationale Aufmerksamkeit für das Projekt zu verstärken.

Physische Begegnung bleibt unersetzbar

All diese Entdeckungen und Errungenschaften werden die „Teens4Unitiy” weiter nutzen und voranbringen. Doch es ist auch klar geworden: Die physische Begegnung bleibt unersetzbar. „Der Mensch ist mehr als Auge und Ohr“, sagt Ulz. „Er lernt und erlebt durch Berühren, Riechen, Schmecken, durch die spontane Unterhaltung beim Mittagessen oder das gemeinsame Singen und Tanzen am ‚Bunten Abend‘.“ Zudem bleiben viele Jugendliche in der digitalen Kommunikation außen vor, weil sie sich kein Smartphone leisten können. In Juja freuen sich deshalb alle auf die Zeit, wenn auch eine ungezwungene Begegnung vor Ort wieder möglich sein wird.

 

Text: Ernst Ulz

01.12.2020