Die Friedensbotschafterinnen – Konflikttransformation und Friedensarbeit in Kenia

Schwestern vom Heiligen Josef von Tarbes (SJT)

In Kenia treffen die Folgen sozialer und politischer Konflikte vor allem die arme Landbevölkerung. Mit Projekten zu Friedensbildung und Konflikttransformation wollen die Schwestern vom Heiligen Josef von Tarbes (SJT) ein gewaltfreies Zusammenleben fördern. AGIAMONDO-Fachkraft Manuela Heuthaler unterstützt sie dabei.

 

Mangelnde Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, ein schlechtes Bildungssystem mit steigenden Abbruchquoten, unzureichende Gesundheitsversorgung, hohe Kriminalität, Drogenmissbrauch, Wohnungsnot – Schwester Josephine Muthoni Kwenga kennt die Probleme, die den Alltag vieler Menschen in Nakuru County prägen. Die meisten Familien leben in einfachen Lehm- und Blechhütten. Ihnen fehlt es an Geld und an der Gewissheit, länger vor Ort bleiben zu können. Zu unsicher ist die Lage, zu oft sind sie schon vertrieben worden.

Besonders im Kontext von Wahlen schlagen politische Auseinandersetzungen in Kenia mitunter in offene, teils inter-ethnische Gewalt um. Nach den Wahlen 2007/2008 etwa kam es vielerorts zu Unruhen, auch in Nakuru. "Das hat gravierende Folgen für die arme Bevölkerung, vor allem für Frauen und Kinder", sagt Schwester Josephine. Aufgrund der ständigen Konflikte, des Kampfes um knappe Ressourcen und Korruption sei die Regierung nicht in der Lage, für sie zu sorgen.

 

Schwestern vom Heiligen Josef von Tarbes (SJT)
Schwestern vom Heiligen Josef von Tarbes (SJT)
Schwestern vom Heiligen Josef von Tarbes (SJT)

Dienst am Mitmenschen als Mission

"Wir wollen das Erlösungswerk Christi fortführen, durch unser Leben, unseren Gottesdienst und den Dienst am Menschen", sagt Schwester Josephine Muthoni Kwenga, die die Projekte von SJT koordiniert. Der Orden ist in neun Regionen Kenias tätig, vor allem im Bereich Bildung, Existenzsicherung und Gesundheit. In der Stadt Njoro/ Diözese Nakuru betreibt SJT ein Gesundheitszentrum. Im Armenviertel Nesuit ist ein Team jeden Monat mit einer mobilen Gesundheitsstation unterwegs und leistet psychosoziale und medizinische Hilfe. In Kipsaraman und Njoro kümmern sich die Schwestern um traumatisierte Kinder und versuchen, zerrüttete Familien wieder zu versöhnen. Durch die sozialen Dienste der Schwestern wächst das Vertrauen bei den Menschen vor Ort. Das sei eine wichtige Voraussetzung, um Probleme zu lösen und ein friedvolles Miteinander zu ermöglichen, so Sr. Josephine. Doch darüber hinaus brauche es mehr Wissen und Kompetenz in Sachen Frieden.

Konfliktbearbeitung konkret

"Wir wollen lernen, Frieden zu stiften", erklärt Schwester Josephine. Daher hat sich der Orden für die Zusammenarbeit mit AGIAMONDO entschieden. Zentrales Thema ist die Konflikttransformation im ländlichen Raum. Meist arbeiten die Schwestern direkt mit den ärmsten Bevölkerungsgruppen zusammen. Diese sind oft Opfer gewalttätiger Auseinandersetzungen um Landrechte. Mit der Hilfe von Manuela Heuthaler, die sie als ZFD-Fachkraft unterstützt, wollen die Schwestern zusätzliche Fähigkeiten für eine kontext- und konfliktsensible Friedensarbeit erwerben. "Das hilft uns, Friedensprojekte in den Gemeinden strategisch zu planen und umzusetzen und mit Sachverstand zu wirken", sagt Schwester Josephine.

"Für mich bedeutet Konfliktbearbeitung, dass man Konfliktsituationen positiv wendet, Perspektiven aufzeigt und Lösungen findet", sagt die 51-Jährige, die unter anderem Gemeinwesenentwicklung studiert hat. Dazu brauche es friedenstiftende Maßnahmen und Dialog, der Verstehen, Vergeben und Versöhnen ermöglicht. Wie das gelingen kann, zeige das Beispiel zweier seit langem verfeindeter Stämme in der Region. "Die Stämme haben ihren Konflikt eingehend analysiert und nach den historischen Ursachen gesucht", erzählt Josephine. Gemeinsam hätten sie beschlossen, Hass und gegenseitige Vorurteile zu überwinden. Heute seien sogar Geschäfte und Ehen zwischen Mitgliedern beider Gruppen möglich.

 

Wissenswert

Die Sisters of St. Joseph of Tarbes (SJT) sind ein kontemplativ-apostolischer Orden, der sich zum Aufbau von Gemeinschaft berufen sieht. Der Orden ist in neun Diözesen Kenias (Garissa, Lodwar, Machakos, Embu, Nyeri, Meru, Nakuru, Nairobi und Mombasa) mit kleinen Gemeinschaften oder Missionsstationen vertreten. Im Mittelpunkt steht der Dienst an den Armen und am Mitmenschen, etwa in der Kranken- und Altenpflege oder durch Einkommen schaffende Maßnahmen für Frauen. Darüber hinaus sind sie in der Seelsorge und Katechese tätig und bereiten junge Frauen auf die Aufnahme in den Orden vor. Seit 2020 begleitet Manuela Heuthaler als ZFD-Fachkraft das Engagement der Schwestern in der Friedensarbeit und -bildung.

Friedenspädagogik für Anfängerinnen und Fortgeschrittene

Das Fortbildungsprojekt "Konfliktsensitiver Friedensdienst" richtet sich derzeit an zwei Zielgruppen: Zum einen an Postulantinnen, Novizinnen und junge Ordensschwestern in Muringato, zum anderen an die Teams des Ordens in Njoro und Kipsaraman. Die Kurse finden im Bildungshaus in Nyeri statt, wo Manuela Heuthaler als Trainerin für konfliktsensitive Friedensarbeit unterrichtet. Die Schulungen sollen die Teilnehmerinnen befähigen, Konflikte zu analysieren, zu bearbeiten und zu bewältigen und ihnen zugleich helfen, das Erlernte in ihrem Leben und Dienst anzuwenden. Dabei kommen Rollenspiele, Diskussionen und kreative Methoden zum Einsatz.

Manuela Heuthaler wohnt mit auf dem Gelände des Bildungshauses und teilt den Alltag der Schwestern. Besonders schätzt der Orden ihre interkulturelle Erfahrung und ihren Blick von außen. "Sie sieht Möglichkeiten und Herausforderungen, sie entdeckt Potenziale, die uns als Teil des Systems manchmal verborgen bleiben", sagt Schwester Josephine. Zurzeit entwirft SJT gemeinsam mit ihr ein Curriculum für die Friedensbildung, mit dem Ziel einen Zertifikatskurs zu etablieren. "Wenn uns das gelingt, können wir künftig auch andere Gruppen in Friedensarbeit ausbilden", hofft Schwester Josephine.

Dezember 2021

Text: Schwester Josephine Muthoni Kwenga/Manuela Heuthaler

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 3/2021. Die Gesamtausgabe und die PDF-Version des Artikels finden Sie hier zum Download.