Bio-Gemüse für mehr Grün und Nachhaltigkeit

Mit selbst angebautem Bio-Gemüse geht das "House of Grace" in Haifa erste Schritte in Richtung Ökologie und Nachhaltigkeit. Seit 2015 unterstützt die Organisationsberaterin Nina Kreißl als ZFD-Fachkraft in Israel das Resozialisierungsprojekt für ehemalige Inhaftierte.

 

"Unsere Klienten lernen durch die aktive Beteiligung am Erhalt des Gartens, Verantwortung zu übernehmen – für die Gemeinschaft, aber auch für die Umwelt und schließlich für sich selbst", sagt Nina Kreißl, Fachkraft im Zivilen Friedensdienst von AGIAMONDO im "House of Grace". Das Team der Rehabilitationseinrichtung für aus der Haft entlassene Straftäter ist überzeugt, dass die Übernahme von Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung ein wichtiger und zentraler Schritt hin zu einer gesunden und friedlichen Gesellschaft ist. Damit die rund 200 Quadratmeter große ökologische Zone allen Zielgruppen des Hauses zugutekommt, wurde in der Mitte eine offene Rasenfläche angelegt. Hier finden Meditationen statt und hier trifft man sich zum geselligen Beisammensein etwa beim Grillen. Gerade in Zeiten der Pandemie bieten die Freiluftaktivitäten einen willkommenen Mehrwert.

 Um die Hochbeete herum haben die Teilnehmer des Gartenprojekts mehrjährige Kräuter und Nutzpflanzen gesetzt. Durch die ausgeklügelte Bepflanzung kommt die Anlage ohne Pestizide und Herbizide aus. "Auf diese Weise schützen wir das Gemüse in den Hochbeeten vor Krankheiten und locken Insekten an. Das ist für einen gesunden Garten sehr wichtig", sagt Eli Badran. Der "grüne Kopf" des Gartenprojekts gibt sein Wissen über Pflanzen an die Neugärtner weiter. Unterstützt wird er dabei von einem Ex-Häftling, der inzwischen eine Ausbildung zum Gärtner absolviert.

Eli Badran erntet Auberginen. Alle Gemüsesorten werden dem Klima und der Jahreszeit entsprechend ausgewählt und angepflanzt.
Die Kräuter und Nutzpflanzen rund um die Hochbeete locken Insekten an. Die gut durchdachte Bepflanzung macht den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden überflüssig.
Ausschließlich alte Sorten aus der Region werden im Garten gepflanzt, sie kommen ursprünglich aus Palästina. Ihr großer Vorteil ist ihre optimale Anpassungsfähigkeit an das örtliche Klima.
Klienten verlegen den Rollrasen für den offenen Treffpunkt neben den Hochbeeten.

Die im Projekt unterstützten ehemaligen Häftlinge bereiten die Hochbeete vor, übernehmen die Aussaat und den Anbau und andere Aufgaben wie das Kompostieren der organischen Abfälle. Das Lernen über Ökologie nimmt dabei einen wichtigen Stellenwert ein. Viele der Klienten kommen zwar ursprünglich aus Dörfern und haben Erfahrung in der konventionellen Landwirtschaft. Doch ökologisches Bewusstsein ist bislang wenig verbreitet. Für den Bio-Anbau lernen sie, begleitet von Nina Kreißl und ihrem Kollegen Eli Badran, ganz neue Methoden kennen und anwenden. Für viele von ihnen ist der Garten schon nach einer Saison zum Lieblingsort geworden.

In den Hochbeeten wie auch im Kräutergürtel werden alte Sorten angebaut, die in der Region heimisch sind. Darunter sind Wildpflanzen wie Zatar und wilder Rosmarin, die nie domestiziert wurden und dadurch ihre optimale Anpassungsfähigkeit an das örtliche Klima behalten haben. Das Gartenprojekt bezieht die Samen und Jungpflanzen von einer Gärtnerei in der Nähe, die sich auf traditionelle Sorten spezialisiert hat. "Mir gefällt die Idee, dass wir Sorten in unseren Garten bringen, die ihre ursprüngliche Heimat in Palästina haben", sagt Nina Kreißl.

Die Klienten der Rehabilitationseinrichtung lernen durch die Gartenarbeit, Verantwortung zu übernehmen: für die Gemeinschaft, für die Umwelt und für sich selbst.
Die Küche des Hauses, in der das Team und die Bewohner gemeinsam essen, verarbeitet das Gemüse aus dem Garten für die Mahlzeiten. Dabei wird immer öfter über Ökologie und Umweltschutz diskutiert.
Die offene Rasenfläche wird für Meditationen, zum Grillen oder einfach für Aktivitäten an der frischen Luft gerne genutzt.

Während die Kräuter mehrjährig sind, müssen die Gemüsesorten dem Klima und der Jahreszeit entsprechend ausgewählt und gepflanzt werden. Auch hier geht es dem Projekt um bestmögliche Nachhaltigkeit. "Wir haben eine Tropfenbewässerungsanlage, durch die wir viel Wasser sparen können", erklärt Eli Badran. "Sie ist aber nicht für alle Saaten geeignet. Deshalb pflanzen wir bestimmte Sorten erst zu Beginn der Regenzeit an."

Das selbstangebaute Gemüse landet in der Küche des Hauses, in der das Team und die Bewohner regelmäßig gemeinsam essen. Ökologie und Umweltschutz sind dabei immer öfter Thema, was auch das Verhalten außerhalb des Gartens verändert. In Zukunft will die Einrichtung im Alltag auch Mülltrennung und -vermeidung, Recycling, Wasser- und Stromsparen praktizieren. "Der Garten verändert uns in einem größeren Maße", sagt Nina Kreißl.

Dezember 2021

Text: Andrea Krogmann

Dieser Artikel stammt aus dem AGIAMONDO-Magazin "Contacts", Ausgabe 3/2021. Die Gesamtausgabe und die PDF-Version des Artikels finden Sie hier zum Download.