Erfahrene Informatikerin arbeitete am Bildungsinstitut NIED in Namibia

IT-Fachfrau Beate Etzel hat das Nationale Institut für Bildungsentwicklung (NIED) in der digitalen Bildung unterstützt.

Beate Etzel blickt auf mehr als 30 Jahre Berufserfahrung als Programmiererin in verschiedenen Unternehmen in Deutschland zurück. 2021 entschied sie sich als Comundo-Fachkraft für drei Jahre nach Namibia zu gehen.

 

Die 58-Jährige arbeitete bis Januar 2024 im Nationalen Institut für Bildungsentwicklung (NIED), einem Teil des namibischen Bildungsministeriums. Dort war sie als Beraterin für Informations-/Kommunikationstechnik tätig. Im Interview erzählt Beate Etzel rückblickend von ihren Arbeits- und Lebenserfahrungen in dem Land im südwestlichen Afrika. Und warum sie diesen Schritt wieder gehen würde.

Ein Job in der Entwicklungszusammenarbeit, warum haben Sie sich dafür entschieden?

Beate Etzel: Vor einigen Jahren war ich mit meinem Mann in Südafrika. Es war nicht der erste Besuch auf dem afrikanischen Kontinent, aber der eindrücklichste. Ich war fasziniert von den Menschen und der Natur, aber auch schockiert von der harten Lebensrealität vieler Menschen. Diese Eindrücke ließen mich danach nicht mehr los. Ich fragte mich: Wie kann ich selbst einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und gutem Leben für andere leisten? 2018 hängte ich meinen sicheren Job vorerst an den Nagel und ging nach Windhoek in Namibia, wo ich einige Monate mit benachteiligten Kindern arbeitete. Danach bewarb ich mich bei Comundo. Die Schweizer NGO finanziert meine Stelle als AGIAMONDO-Fachkraft beim NIED. Es war Zeit, den Fokus meiner Arbeit mehr auf Menschen zu legen. 

 

Das Nationale Institut für Bildungsentwicklung (NIED) ist eine Direktion des Ministeriums für Bildung, Kunst und Kultur (MoEAC). Es wurde 1990 als Zentrum für Lehrplanentwicklung gegründet und ist für die Reform und Entwicklung der Grundbildung zuständig.
Das NIED hat rund 60 Mitarbeiter*innen aus ganz verschiedenen Kulturen. 2022 feierte das Institut sein Jubiläum wegen der Coronapandemie mit zweijähriger Verspätung. Zum Fest erschienen die Kolleg*innen in traditionellen Gewändern und mit Beiträgen zum Buffet und Kulturprogramm des Tages. Für Beate Etzel war der Tag "gelebte Vielfalt“.
"Die Überarbeitung der Lehrpläne bescherte uns graue Haare. Aber die Zusammenarbeit der Kolleg*innen war produktiv und herausfordernd zugleich", sagt Beate Etzel (rechts) über die Workshops zu Informations- und Kommunikationstechnologie, die sie durchführte. Bertha Heimboli war eine der Workshop-Teilnehmer*innen.
Die Küstenwüste Namib ist weltweit die älteste Wüste. Sandwich Harbour war früher ein Versorgungshafen der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Als letztes afrikanisches Land wurde Namibia 1990 unabhängig. Hier leben neben den Ethnien Herero, Himba, Nama, Ovambo noch viele mehr. Neben Englisch werden mindestens 28 weitere Sprachen gesprochen.
So bunt und vielseitig war die Jubiläumsfeier des NIED im Jahr 2022.
Namibia liegt im Südwesten des afrikanischen Kontinents. Das Land ist zweieinhalb mal so groß wie Deutschland, hat aber nur 2,6 Millionen Einwohner*innen. Nach der Mongolei ist Namibia der am dünnsten besiedelte Staat der Welt. Die Straßen führen durch unendlich anmutende Weiten.
Meditation, Dankbarkeit für die kleinen Momente und die Feststellung, dass sie sich in Namibia sehr geborgen fühlte – damit konnte Beate Etzel ihre Resilienz angesichts von Herausforderungen und Krisen stärken.
In den Trainings des NIED lernen Lehrkräfte, digitale Unterrichtsmaterialien für die Lehrpläne zu konzipieren und zu gestalten. Auch das Lehren und Lernen im 21. Jahrhundert steht im Fokus: Wie kann man die Lernumgebung positiv verändern? Welche Methoden und Modelle eignen sich? Wie lernt und lehrt man online? Wie können sich Lehrkräfte vernetzen?
Bei der NGO Mammadú Trust in Windhoek machte Beate Etzel 2018 ein Volontariat. Die Ngo unterstützt Kinder aus Armenvierteln mit Schulprogrammen und Hausaufgabenbetreuung. Durch Spenden können einige Kinder private Schulen besuchen. Die Rechner, die Beate Etzel damals einrichtete, werden von den Kindern und Jugendlichen für Schulaufgaben genutzt.

Was schätzten Sie an Ihrer Stelle beim NIED?

Beate Etzel: Das NIED ist ein Direktorat innerhalb des Ministeriums für Bildung, Kunst und Kultur in Namibia und ist in der Berufsbildung aktiv, es entwickelt Lehrpläne und koordiniert Weiterbildungsprogramme für Lehrkräfte. Es war sehr spannend, auf dieser Ebene Einblicke in die Bildungsarbeit des Landes zu bekommen. Ich war für die Stärkung des digitalen Lehrens und Lernens zuständig. In meiner Arbeit war ich sehr frei und konnte viele Dinge voranbringen. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen war sehr offen und respektvoll. Durch meine Erfahrung und mein Alter war ich für einige wohl wie eine Mutterfigur.

Welche beruflichen Kenntnisse und welche Lebenserfahrungen waren besonders hilfreich für Ihre Arbeit?

Beate Etzel: In beruflicher Hinsicht bringe ich im Bereich Organisations- und Programmentwicklung natürlich viel Erfahrung mit. Ich verschaffe mir schnell einen Überblick, das habe ich in meinem technischen Beruf über lange Jahre gelernt. Hilfreich ist sicherlich auch mein ausgeglichenes Naturell. Ich bewerte Situationen nicht, aber ich vergleiche natürlich – und sehe, dass man auch immer etwas von anderen lernen kann. Ich musste mir während der Zeit in Namibia beruflich nichts mehr beweisen, ich konnte mich gut auf all das Neue einlassen.

Wie sind Sie mit Herausforderungen umgegangen?

Beate Etzel: Mit viel Geduld. Anfangs gab es eine große Skepsis der Mitarbeitenden gegenüber der weitreichenden Digitalisierung. Veränderung bringt ja immer Unsicherheiten mit sich. Was half, waren viele Gespräche und Verständnis für die Bedürfnisse der anderen. Vertrauen schaffen und Zuhören statt gleich erklären wollen – das war der Schlüssel. Ich habe nichts übergestülpt.

Zuhören statt gleich erklären wollen – das war der Schlüssel, um bei meinen Kolleg*innen Vertrauen zu schaffen

Beate Etzel, AGIAMONDO-Fachkraft

Was hat Ihre Resilienz gestärkt?

Beate Etzel: Für die persönlichen Herausforderungen war ich weniger gut gewappnet. Wenige Monate nach meiner Ankunft starb meine Mutter. Kurz darauf ging in Namibia die Covid-Pandemie los. Mehrere Wochen arbeitete ich aus dem Home-Office in Deutschland. Das zweite und dritte Jahr in Namibia verliefen ruhiger, aber ich vermisste meine Familie sehr, die in Deutschland geblieben war. Was mir hier geholfen hat? Meditation, Dankbarkeit für die kleinen Momente und die Feststellung, dass ich mich in Namibia sehr geborgen fühlte. Auf diesem Kontinent liegt die Wiege der Menschheit.

Wie blicken Sie auf Ihre Zeit in Namibia zurück? Würden Sie sich noch einmal engagieren?

Beate Etzel: Ja, unbedingt. Ich habe in den drei Jahren in Namibia ein größeres Verständnis für die Weltgemeinschaft bekommen. Ich bin noch geduldiger geworden und reicher an Erfahrungen. Vieles, was in Deutschland als selbstverständlich gilt, sehe ich jetzt deutlich kritischer. Was mich weiterhin beschäftigt, sind Armut und Ungleichheit. Es gibt noch so viel zu tun.

28.02.2024

Interview: Eva Tempelmann