Frieden beginnt mit der Natur: Als ZFD-Fachkraft in Kenia im Einsatz für die grenzüberschreitende ‎Konflikttransformation

Im Nordwesten Kenias, im Halbwüstengebiet der Turkana-Region, steigen die Temperaturen auf über ‎‎45 Grad Celsius. Das Wasser ist knapp, genauso wie die verbleibenden Weideflächen für das Vieh der ‎dort lebenden Nomaden. Die Folgen des Klimawandels, verstärkte Dürren und unvorhersehbare ‎Überflutungen, treiben die Menschen weiter in den Hunger und in regelrechte Überlebenskämpfe. ‎Diese Konflikte verschärfen sich besonders entlang der angrenzenden Nachbarländer Uganda, ‎Südsudan und Äthiopien zwischen den unterschiedlich ethnischen Bevölkerungsgruppen. Die Cross-‎Border Peace-Abteilung der Diözese Lodwar, bei der ZFD-Fachkraft Sophia-Marie Zimmermann ‎mitarbeitet, setzt sich in diesem Zusammenhang für die Transformation dieser gewaltvollen Konflikte ‎ein.‎

Die Cross-Border Peace-Abteilung wurde im letzten Jahr errichtet und widmet sich mit Unterstützung der ZFD-Fachkraft neuen Ansätzen der Konfliktbearbeitung. „In der Zusammenarbeit mit den Gemeinden entlang der ugandischen Grenze wurde deutlich, dass es in der Friedensarbeit eines holistischeren Ansatzes bedarf“, so Sophia-Marie Zimmermann. „Langfristige und nachhaltige Veränderungen können nur geschehen, wenn Frieden und Natur zusammengedacht werden“, so die AGIAMONDO-Fachkraft im Zivilen Friedensdienst weiter.  

Ein Friedensdorf mitten im Konfliktgebiet

Unter dem Ansatz des „environmental peacebuilding“ soll in Oropoi, wenige hundert Meter von der ugandischen Grenze entfernt, ein Friedensdorf entstehen. Die Idee dazu hatte der Pfarrer  Father Victor Mwekwasize. Gemeinsam mit Mitgliedern seiner Grenzgemeinde hat er sie weiterentwickelt, ein endlos weites Stück Land steht dafür zur Verfügung. Der gemeinsame ökologische Anbau von heimischem Obst und Gemüse sowie von Pflanzen für die Bienenweide soll ein Kernelement sein. Honig kann zu Kosmetik- und Medizinprodukten verarbeitet und lokal vermarktet werden. Ein Gemeinschaftszentrum soll errichtet werden, das nicht nur eine Plattform für friedlichen Austausch und Diskussion, sondern auch für gemeinsames Lernen bieten soll. Gemeinsame kulturelle Veranstaltungen sollen hier zu gegenseitigem Verständnis und Wertschätzung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen auf beiden Seiten der Grenze beitragen. Der Ort des Projekts ist strategisch gewählt: direkt am Fuße des Berges, über den die Menschen vom einen ins andere Land wandern. "Es ist wichtig, dass wir die Menschen zusammenbringen. Die Natur kann uns dabei helfen - wir haben hier ein sehr fruchtbares Gebiet. Wir wollen ein Verständnis dafür entwickeln, dass diese Ressourcen nicht als Konfliktpunkt sondern als kostbares Bindeglied wahrgenommen werden“, erklärt Father Victor. Bei alldem werden sich die Menschen hier furchtlos begegnen können – denn alle Waffen müssen vor dem Friedensdorf abgelegt werden. Diese Regelung setzt eine Empfehlung der diesjährigen inter-diözesanen Friedenskonferenz um, an der Vertreter*innen aller angrenzenden Länder teilnahmen. Die von der Cross-Border Peace Abteilung organisierte Veranstaltung beschäftigte sich mit dem Thema der friedlichen Entwaffnung der Nomaden, und der Frage, wie sich die Kirche an der Umsetzung beteiligen kann.

Father Victor Mwekwasize und das Cross-Border Peace-Team der Diözese Lodwar besichtigen ‎das Land für das geplante Friedensdorf.‎
Father Victor Mwekwasize zeigt dem Cross-Border Peace-Team die gute Bodenfruchtbarkeit ‎des Landes und die heimischen Pflanzen. ‎
‎Das strategisch ausgewählte Stück Land für das geplante Friedensdorf liegt direkt am Fuß des ‎Berges, über den die Menschen die Landesgrenze passieren.‎
‎Father Victor Mwekwasize (l.) erklärt dem Cross-Border Peace-Team der Diözese Lodwar – ‎Bernard Kiyong‘a, Jane Kendi und Sophia Zimmermann – die geplante Aufteilung des Landes ‎mit den einzelnen Komponenten des Friedensdorfes.‎
Begutachtung der Bodenbeschaffenheit des Landes.‎
Die ersten Bienenstöcke des geplanten Friedensdorfes: traditionell aus Holz hergestellt werden ‎sie in den Bäumen befestigt.‎

Das Konzept der Permakultur wird im Projekt umgesetzt

Viele weitere solcher Verhaltensregeln und Möglichkeiten der Begegnung sollen im Friedensdorf etabliert werden, um  auch die Herzen und Köpfe der Menschen zu entwaffnen. „Wir haben so viele Ideen, da muss man überlegen, wo man anfängt“, lacht Father Victor. Letztlich ginge es im Kern um den achtsamen Umgang mit der Erde, den achtsamen Umgang mit den Menschen und die gerechte Verteilung und Nutzung von Ressourcen. Dies entspricht den Grundsätzen der Permakultur, einem interdisziplinären System-Ansatz, der konkrete Ideen aufzeigen kann, wie Menschen friedvoll mit sich selbst und ihrer Umwelt zusammenleben können. Impulse dazu kamen von ZFD-Fachkraft Sophia-Marie Zimmermann. „Wir konnten Father Victor darin unterstützen, Kontakt zu einem Permakulturzentrum aufzubauen. In Oropoi gibt es kein Handynetz und die Wege in andere Ecken des Landes sind weit und beschwerlich. Da ist Vernetzungsarbeit und Wissensaustausch eine Hauptaufgabe für uns, genau wie die Suche nach Unterstützern für die Idee des Projekts“, berichtet Zimmermann, die seit 2018 bei der Diözese Lodwar als Fachkraft mitarbeitet. Sie hofft auf Nachahmer des Pilotprojekts entlang weiterer Landesgrenzen. „Der Ansatz des ‚environmental peacebuilding‘ nimmt die Grundursachen der Ressourcenkonflikte in den Blick. Dies wird eine neue, für die Zukunft entscheidende Dynamik mit sich bringen und maßgeblich zu einem Heilungs- und Versöhnungsprozess beitragen,“ so Zimmermann.